
Souveräne Tropfen in der Absatzkrise: Der Weinbau ringt um Aufmerksamkeit
In sechzehn Kantonen gibt es sogenannte Staatsweine. Tönt gouvernemental, ist aber der breiten Öffentlichkeit kaum be...
Konsum und Klima beschäftigen nicht nur Forschende, sondern auch Bäuerinnen und Bauern im Alltag. Während Studien den sogenannten «Attitude-Behaviour-Gap» beleuchten, zeigt die Praxis der Direktvermarktung, dass Konsumentinnen und Konsumenten ihre Prioritäten anders setzen, als man es vielleicht erwarten würde.
«Unsere Essgewohnheiten sind tief in Kultur, Tradition und Sozialisation verankert», erklärt Dr. Maiken Maier, die zu nachhaltiger Ernährung forscht. Viele Kaufentscheide passierten unbewusst und würden von Gewohnheiten oder simplen Entscheidungshilfen geprägt – gestützt auf Routine, einfache Regeln und Signale wie Verpackungen oder Werbeclaims. Zwar seien Wissen, Werte und Motivation wichtige Faktoren, doch im Alltag konkurrierten sie mit Preis, Verfügbarkeit und Bequemlichkeit.
Das erkläre auch, warum viele Menschen zwar angäben, klimafreundlich einkaufen zu wollen, im Alltag aber doch wieder zu Vertrautem griffen. «Menschen wollen oft klimafreundlich einkaufen, aber alltägliche Routinen, Ablenkung im Laden und fehlende Anreize verhindern, dass Absichten tatsächlich in konkrete Kaufentscheidungen umgesetzt werden», sagt Maiken Maier. Fachleute sprechen hier vom «Attitude-Behaviour-Gap» – also der Lücke zwischen Einstellung und Verhalten.
«Menschen wollen oft klimafreundlich einkaufen, aber alltägliche Routinen, Ablenkung im Laden und fehlende Anreize verhindern, dass Absichten tatsächlich in konkrete Kaufentscheidungen umgesetzt werden.»
Klimainformationen wie CO₂-Labels können Konsumierende zwar sensibilisieren, sie ändern das Verhalten aber nur begrenzt. «Unsere Studien zeigen, dass CO₂-Labels allein kaum Einfluss auf die tatsächliche Klimabelastung von Ernährung haben», erklärt Maiken Maier. «Sie erfüllen aber einen wichtigen Zweck: Sie können das Bewusstsein für nachhaltige Ernährung erhöhen, soziale Normen im unmittelbaren Umfeld beeinflussen und sind politisch und gesellschaftlich hoch akzeptiert», ergänzt sie.
Auch Dr. Lukas Fesenfeld betont, dass Labels wirksamer werden könnten, wenn sie mit anderen Signalen und Massnahmen kombiniert werden – etwa mit Preisaktionen oder positiven Produkterfahrungen. «Entscheidend ist die Gestaltung der Einkaufssituation – wenn nachhaltige Produkte sichtbarer, attraktiver und günstiger sind, steigt ihre Auswahlwahrscheinlichkeit deutlich», sagt er. Preisaktionen, geschmackliche Erlebnisse oder Rezeptideen im Detailhandel könnten die Lücke zwischen Bewusstsein und Verhalten verkleinern.
Dr. Lukas Fesenfeld ist Forscher im Bereich Umweltpolitik und politische Ökonomie an der ETH Zürich und Dozent am Oeschger-Zentrum für Klimaforschung und in der Gruppe für Politikanalyse und Umweltpolitik an der Universität Bern.
Dr. Maiken Maier ist Forscherin und Dozentin an der ETH Zürich und am Oeschger-Zentrum für Klimaforschung und in der Gruppe für Politikanalyse und Umweltpolitik an der Universität Bern.
Valérie Cavin ist Agronomin und leitet gemeinsam mit ihrem Partner Roman Clavadetscher einen Biohof in Malans im Kanton Graubünden. Die Produkte des Hofs werden hauptsächlich direktvermarktet – ein Teil des Gemüses geht in den Grosshandel.
Wie erleben Bäuerinnen und Bauern diese Diskrepanz im Alltag? Auf dem Hof Clavadetscher in Malans macht Landwirtin Valérie Cavin täglich die Erfahrung, dass andere Faktoren stärker wiegen als die CO₂-Bilanz. «Explizit nach klimafreundlichen Produkten hat mich noch niemand gefragt», erzählt sie. «Wichtiger sind Regionalität, Bio und Tierwohl – viele Kundinnen und Kunden kaufen lieber weniger Fleisch, aber achten darauf, dass es tiergerecht und von guter Qualität ist», erklärt sie.
Beim Gemüse stehe der pestizidfreie Anbau im Vordergrund, beim Fleisch die Haltungsbedingungen. Der Preis spiele dabei eine unterschiedliche Rolle: «Unserer Stammkundschaft ist der Preis eigentlich egal, da zählen die anderen Aspekte mehr – aber Laufkundschaft stutzt schon einmal beispielsweise beim Preis für Pouletfleisch», sagt Valérie Cavin. Mit Transparenz lasse sich vieles erklären – ob daraus jedoch ein langfristiges Umdenken entstehe, sei schwer zu sagen.
Auch wenn kaum jemand nach der CO₂-Bilanz fragt, wirkt das Klima indirekt mit. Valérie Cavin beobachtet ein wachsendes Bewusstsein im Sinne von «weniger ist mehr» – gerade beim Fleischkonsum. Zudem sei Vertrauen in Herkunft und Produktionsweise stärker in den Vordergrund gerückt. «Das Bewusstsein, woher die Lebensmittel kommen, ist schon gewachsen und diese Sicherheit oder das Vertrauen ins Produkt ist wichtiger geworden», sagt sie.
Besonders am Herzen liegt ihr aber noch ein anderer Aspekt: «Die Food-Waste-Thematik ist mir sehr wichtig – es geht nicht nur darum, wo und was man einkauft, sondern auch darum, dass man das, was man einkauft, isst und nicht wegschmeisst», betont sie. Hier sieht sie grosses Potential für mehr Klimaschutz im Alltag.
«Unserer Stammkundschaft ist der Preis eigentlich egal, da zählen Aspekte wie Regionalität, Bio und Tierwohl mehr.»
Für die Forschenden ist klar: Allein auf die Verantwortung der Konsumentinnen und Konsumenten zu setzen, reicht nicht. «Die Konsumierenden spielen eine wichtige Rolle, aber der Staat setzt mit seinen Rahmenbedingungen die Grenzen für die freie Wahl», betont Lukas Fesenfeld. Produktionsförderung, Innovationsfonds für pflanzenbasierte Produkte oder Veränderungen in der öffentlichen Beschaffung, im Angebot der Gemeinschaftsgastronomie und des Detailhandels könnten helfen, klimafreundliche Angebote attraktiver und konkurrenzfähig zu machen.
Am 28. und 29. November findet in Landquart im Forum sowie am Plantahof der «Klimagipfel für Landwirtschaft und Esskultur» statt. Der erste Tag steht unter dem Motto «Forschung und Praxis im Dialog», der zweite unter dem Motto «Ernährung.Klima.Zukunft». Zudem wird der nationale PRIX CLIMAT vergeben, um besonders engagierte Betriebe auszuzeichnen. Mehr Infos zum Klimagipfel gibt es auf der Website.
Der LID berichtet in einer Serie über verschiedene Massnahmen des Projektes «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden».
Forschung und Praxis zeigen dieselbe Tendenz: Klimabewusstsein ist vorhanden, doch im Alltag konkurriert es mit Preis, Gewohnheiten und anderen Werten wie Tierwohl oder Regionalität. Während die Wissenschaft wirkungsvolle Strategien aufzeigt, wie Information, Anreize und eine gezielte Gestaltung von Ernährungsumgebungen nachhaltigere Kaufentscheidungen fördern können, verdeutlicht die Praxis der Direktvermarktung einen weiteren wichtigen Aspekt: In diesem speziellen Einkaufskontext spielen Vertrauen und persönliche Nähe eine zentrale Rolle. Beide Perspektiven ergänzen sich, da unterschiedliche Ernährungsumgebungen jeweils eigene Herausforderungen mit sich bringen – etwa in Bezug auf Zielgruppen, verfügbare Reize, Gestaltungsmöglichkeiten der Umgebung oder die Vielfalt des Angebots.
Am Ende bleibt klar: Jeder Kaufentscheid beeinflusst das Klima – und das Klima beeinflusst zunehmend, was im Einkaufskorb landet. Ob es gelingt, beides stärker in Einklang zu bringen, wird entscheidend sein – für die Landwirtschaft, die Konsumentinnen und Konsumenten und nicht zuletzt fürs Klima.
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