Plattform Basiskommunikation: Die Bauernfamilien als Botschafter gewinnen

Die Plattform Basiskommunikation vereint einmal im Jahr Kommunikations-Fachleute aus der Branche. Bei der 10. Ausgabe stand im Fokus, wie sich Bauernfamilien für Kommunikationsprojekte gewinnen lassen.
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Mirjam Hofstetter, Leiterin Marketing SBV, eröffnete die Jubiläumsausgabe der Plattform in Bern. Einmal jährlich treffen sich hier die Kommunikationsspezialisten und -spezialistinnen der Branche, um zu netzwerken und das Neueste aus der Landwirtschaftskommunikation zu erfahren. Gleichzeitig werfen sie einen Blick über den eigenen Acker hinaus und schauen, wie andere Branchen mit den aktuellen Kommunikationsherausforderungen umgehen.

Wie motiviere ich die Bauernfamilien zum Mitmachen?

Die Frage des Tages: Wie gelingt es, Bauernfamilien für die Kommunikation zu gewinnen? Denn es wird immer schwieriger, die Bäuerinnen und Bauern für Events und andere Projekte zu gewinnen. Gründe dafür sind sicherlich die starke Belastung auf dem eigenen Betrieb und ebenso die hitzig geführten Kampagnen der Agrar-Initiativen in den letzten Jahren.

Für Werbeprofi Kurt Schmid ist klar, dass die Bäuerinnen und Bauern die wichtigsten und glaubwürdigsten Botschafter für die Landwirtschaft sind. Er geht davon aus, dass deren hohe Glaubwürdigkeit auch daher rührt, dass sie in Zeiten der Not immer zur Linderung beitragen konnten.

Er habe für alle Branchen gearbeitet, vom Waschmittel bis zum Banking, so Schmid: «Aber ich habe keine Branche getroffen, die so viele Herausforderungen kennt.» Deshalb sei es auch so wichtig, dass die Bäuerinnen und Bauern als Botschafter gegenüber der Bevölkerung aufträten und aufzeigten, wie die Landwirtschaft funktioniere.

WWF: Von 1000 zu 10'000 Freiwilligen

Bis 2022 Stiftungsratspräsident des WWF, kennt sich Schmid bestens darin aus, Personen zur Mitarbeit zu motivieren. 2013 habe es beim WWF 1000 Freiwillige gegeben – zu wenig. Deshalb stellte der WWF eine Person ein, die sich nur darum kümmert, Personen für die Freiwilligenarbeit zu gewinnen. Schmid riet der Landwirtschaft, dies als Beispiel zu nehmen: «Die Suche nach Freiwilligen ist kein Nebenjob.» Innerhalb von 10 Jahren konnte der WWF durch verschiedene Massnahmen die Anzahl der Freiwilligen auf 10'000 steigern. Äusserst wichtig sei die Wertschätzung: «Wer keine Wertschätzung kriegt, macht ein zweites Mal nicht mehr mit», so Schmid.

Ein AgrarScout ruft zur Kommunikation auf

«Die Landwirtschaft muss informieren und nicht demonstrieren», sagt Samuel Rasi. Er ist einer von 49 Schweizer AgrarScouts. Man sehe im Ausland immer wieder heftige Demonstrationen von Bäuerinnen und Bauern. Und in der Schweiz hätten die Agrar-Initiativen für viel Diskussionsstoff gesorgt. Das habe ihn dazu bewogen, sich beim LID für die AgrarScouts zu bewerben. Denn Rasi ist überzeugt, dass sich mit Kommunikation eine solche Zuspitzung verhindern lässt. Wichtig sei der Kontakt zu den Konsumentinnen und Konsumenten, um ihnen die Landwirtschaft und die Zusammenhänge zu erklären. So treten die AgrarScouts an Messen wie Bea, Olma oder Events wie den Farming Days im Verkehrshaus auf.

Er habe bisher viele positive Begegnungen gehabt, erklärt Samuel Rasi. So hätten ihn an der Olma zwei Personen nach Zuchtmerkmalen bei einer Kuh gefragt. Am Schluss seien rund 15 Personen versammelt gewesen und hätten zugehört. Rasi rief deshalb dazu auf, sich für das Projekt anzumelden.

Persönliche Übergabe als Wertschätzung

Auch für Milchverarbeiterin Emmi sind die Produzentinnen und Produzenten wichtige Produkt-Botschafter. Reto Hübscher, Leiter Milcheinkauf Direktlieferanten, erklärte, dass die Idee der verstärkten Kommunikation auch von den Produzenten kam. Emmi habe Anfragen erhalten, ob Hoftafeln aufgestellt werden könnten.

Das kam beim Unternehmen gut an, Emmi wollte diese aber in ein grösseres Programm einbetten. So kreierte die Milchverarbeiterin eine Hoftafel und schuf die Möglichkeit, dass sich Betriebe auf der Website porträtieren lassen können. Auch Hübscher betonte, wie wichtig die Wertschätzung für die Landwirtinnen und Landwirte sei. Die Wertschätzung beginne schon damit, dass Emmi die Hoftafeln persönlich auf den Hof bringt. Und je nach Botschafterkategorie gibt es exklusive Käsereibesichtigungen oder Emmi übernimmt gar den Raclette-Plausch.

Proviande lässt die Produzenten sprechen

Fleisch ist in den Medien ein Dauerthema. Vor allem Veganer sind eine sehr laute Gruppe, welche den Fleischkonsum kritisieren. Toni Colangelo von Proviande wies daraufhin, dass dennoch 94 Prozent der Bevölkerung Fleisch konsumiere und nur 1 Prozent vegan lebe. In den Medien erhalte diese kleine Gruppe jedoch viel Präsenz. Aus diesem Grund sei der vegane Hype auch eines der Handlungsfelder der Proviande-Kommunikation.

Weitere aktuelle Handlungsfelder sind die verschärfte Preissensivität, Tierwohl sowie das weit verbreitete Unwissen über die Fleischproduktion.  Auch Proviande setzt auf die Produzentinnen und Produzenten und lässt diese etwa in Spots selbst zu Wort kommen. Zudem fährt Proviande eine PR-Kampagne in Print und Digital, wo in Artikeln die Schweizer Fleischproduktion erklärt wird, ebenso setzt die Branchenorganisation auf Kurz-Videos für Social Media.

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Toni Colangelo, Kurt Schmid, Mirjam Hofstetter, Michael Flückiger, Reto Hübscher und Samuel Rasi im Gespräch. (jin)

Strukturen für Botschafter schaffen

In der von LID-Geschäftsführer Michael Flückiger moderierten Podiumsdiskussion wurde klar, dass auch eine Kommunikation gegen Innen nötig ist, um die Bäuerinnen und Bauern für Projekte zu gewinnen. Sie habe unter anderem mitgenommen, dass Strukturen für verschiedene Botschafter geschaffen werden und die Kontakte auch über die Hofprojekte hinaus gepflegt werden könnten, erklärte Mirjam Hofstetter. Zudem zeige es sich, wie wichtig der persönliche Draht zu den Bäuerinnen und Bauern sei, um die Wertschätzung zu zeigen.

Konsumentinnen und Konsumenten setzen auch Schweizer Lebensmittel

Reto Grolimund von Swissmilk legte am Nachmittag Zahlen und Fakten auf den Tisch. Zwei aktuelle Studien beschäftigen sich mit Konsumenten und Landwirtschaft, das AMS Markt- und Konsumentenbarometer sowie eine Studie des BLW zum Einfluss der Produktherkunft. Das Fazit: Vertrauen und die positive Haltung gegenüber der Schweizer Landwirtschaft sind da und steigen gar an. Die Konsumenten spüren jedoch auch die Inflation und damit den steigenden Preisdruck.

Trotzdem sei die Bezahlbereitschaft für Schweizer Produkte immer noch hoch, so Grolimund. Wichtige Argumente dabei sind die Regionalität und die damit einhergehende Umweltschonung sowie die Unterstützung der Schweizer Wirtschaft.  Das Image der Schweizer Landwirtschaft ist gemäss den Studien also besser als man es aufgrund von politischen Vorstössen oder Medienberichten denken könnte.

Neues aus der Basiskommunikation

Mirjam Hofstetter nutzte die Gelegenheit, die Anwesenden über die neusten Bako-Entwicklungen zu informieren. So konnte sie die Verlängerung der Zusammenarbeit im Influencer-Marketing mit Stefan Büsser vermelden. Und neu zum Influencer-Team stösst die Ex-Bachelorette Eli Simic. Im vergangenen Jahr hatte die Bako die Marken der Einzelprojekte komplett in die Dachmarke integriert, um diese zu stärken. Hofstetter konnte zu dieser Umstellung ein positives Fazit ziehen.

Prométerre mit Ambassadoren-Programm

Alexandre Truffer von Prométerre präsentierte das Ambassador-Programm des Waadtländer Verbandes. Ziel des Projekts ist es, der waadtländischen Landwirtschaft eine Stimme zu verleihen. Die Beziehungen zwischen den Medien und der Landwirtschaft seien komplex und konfliktbeladen, es fehle ein pragmatischer Diskurs über die Realitäten der bäuerlichen Welt, so Truffer.

Es brauche deshalb Menschen aus der Praxis, um die Stimme der Landwirtschaft in den Medien zu repräsentieren. Aktuell haben 25 Botschafterinnen und Botschafter das Programm absolviert, alle sind dabeigeblieben und waren vom Programm überzeugt. Für das Winterhalbjahr plant Prométerre einen zweiten entsprechenden Kurs.

Ideenlabor führt Inputs in die Praxis

Am Ideenlabor am Nachmittag konnten die Teilnehmenden die Inputs des Tages in die Tat umsetzen. Dies anhand des Beispiels des Tages der offenen Hoftüren sowie allgemeiner Hofprojekte, Events und Messen. Eine Idee, die immer wieder auftauchte: Echte, authentische Höfe zeigen, keine heile «Ballenbergwelt» wie in der Werbung der Detailhändler. Zudem müsse die Landwirtschaft die Konsumentinnen und Konsumenten hautnah erleben lassen, wie sie funktioniere. So lasse sich das Verständnis auf beiden Seiten stärken.

Nach der Tageszusammenfassung durch Michael Flückiger fand Urs Schneider vom SBV zum Abschluss treffende Worte zum Werdegang der Basiskommunikation und verabschiedete sich von den Anwesenden, da er in Pension geht. Er wünschte allen Akteuren viel Erfolg und eine gute weitere Zusammenarbeit.