Leidenschaft für den crèmigen Fribourger

Der Vacherin Fribourgeois AOP ist ein Halbhartkäse, der ausschliesslich im Kanton Fribourg hergestellt wird. Martin Rauber stellt ihn auf der Alp aus Rohmilch über dem offenen Feuer her – penible Sauberkeit und lange Tage inklusive. Das reiche Aroma wird von Spitzenköchen geschätzt.
Zuletzt aktualisiert am 5. August 2025
von Monika Neidhart
8 Minuten Lesedauer
2025 Alpwirtschaft Alp Grossen Tossen FR Kaesen Kaeseproduktion Vacherin Fribourgeois Martin Ruth Rauber Monika Neidhart
Das Ehepaar Martin und Ruth arbeiten Hand in Hand: Mit dem Käsetuch nehmen sie den Käsebruch aus dem Kupferkessel. (mne)

Der Vollmond geht hinter einem scharf geschnittenen, steilen Berg unter. Um halb fünf Uhr ist es bereits taghell. Es ist still auf der Alp «Grossen Tossen» oberhalb von Im Fang in der Gemeinde Jaun auf gut 1’300 Meter über Meer. Doch die Ruhe in der Alphütte von Martin und Ruth Rauber täuscht. Die 28 Milchkühe, die ihm von Bauern aus Jaun, dem Sensebezirk und aus der Lenk und Därstetten für die viermonatige Sömmerung anvertraut sind, stehen bereits im Stall. Der knapp sechzigjährige Martin Rauber beginnt sein Tagwerk früh: «Meine erste Arbeit am Morgen gehört dem Vacherin Fribourgeois AOP – ich lege die drei Laibe, die wir am Vortag produziert haben, in das Salzbad», erklärt er. «Dann zünde ich das Holzfeuer unter dem Wassertopf an, damit wir später kochend heisses Wasser zum Reinigen haben», ergänzt er weiter.

Sauberkeit und Hygiene sind für das Gelingen des Alpkäses von absoluter Wichtigkeit. Die Milch wird später maximal auf 35 °C erwärmt. Allfällige störende Mikroorganismen würden in der Rohmilch nicht abgetötet. So achtet der Bauer bereits beim Melken auf die Sauberkeit bei sich und an den Eutern. Die gemolkene Milch wird über ein geschlossenes System direkt in den riesigen Kupferkessel im Käsereiraum gepumpt. Dort ist inzwischen auch Ruth fleissig am Werk. Sie bereitet während dem Melken alles fürs Käsen vor und reinigt, was in Kontakt mit der Milch kommen wird.

  • Alp «Grossen Tossen» oberhalb von Im Fang in der Gemeinde Jaun auf gut 1’300 Meter über Meer. Seit über hundert Jahren pachtet die Familie Rauber die Alp. (mne)
    Bild herunterladen
  • 28 Milchkühe sind Martin Rauber während der Alpsaison anvertraut. Das Kontingent für den Vacherin Fribourgeois AOP ist begrenzt. So muss der Bauer die Milch auch ins Tal bringen. (mne)
    Bild herunterladen

Alpkäse aus Rohmilch erfordert penible Sauberkeit

Um halb sieben Uhr sind die Kühe gemolken, die Milchleitungen gereinigt. Die rund 200 Liter Milch im Kupferkessel haben eine Temperatur von rund 27 °C. Über einem offenen Holzfeuer, wie es das Pflichtenheft des AOP vorschreibt, erwärmt Martin nun die Milch auf 31 °C. Dann schwenkt er das Kessi weg von der Feuerstelle und rührt einen Esslöffel Milchsäurebakterien ein. Noch weniger braucht es vom Lab, das er kurz danach dazugibt. Nun heisst es, eine halbe Stunde warten. Zeit fürs Frühstück im Nebenraum, denn in der Käserei darf nicht gegessen werden. Es ist eine weitere der vielen Auflagen bei der Produktion des AOP-Käses.

Martin verlässt sich nicht allein auf die Uhr. Ob er den nächsten Schritt der Verarbeitung machen kann, prüft er immer wieder mit den Sinnen. In dieser Phase mit einer Plastikschaufel: «Der Riss, den es gibt, wenn ich die Schaufel in die gestockte Milch tauche und herausnehme, muss ein länglicher sein – sonst braucht es noch etwas Geduld.» Als er schliesslich die Harfe nehmen kann, schneidet er die Masse ruhig, ja fast andächtig. Ruth unterstützt ihn, wo sie kann. Sie taucht den Mischer, den Thermometer und was es braucht in das kochend heisse Wasser, bevor Martin alles wieder ins Kupferkessi einsetzt.

Nun muss die Masse auf maximal 35 °C erwärmt werden. Auch beim Aufräumen haben die beiden immer ein waches Auge auf die Temperaturanzeige. Die Glut scheint nicht mehr stark genug zu sein, Martin schiebt ein Scheit Fichtenholz nach. Dann folgt ein Vorgang, der überrascht. Der Käser giesst einen Kübel Wasser in die gedickte Milch: «Im Käserkurs haben sie uns gesagt, dass der Vorgang Bakterien reduziert – die Welschen nennen es ‹delactosé›», erklärt er.

Fünf Minuten später nimmt Martin den Kupferkessel endgültig von der Feuerstelle. Er greift einige Käsekörner heraus und prüft die Grösse, dann isst er einige: «Wenn sie quietschen, ist es höchste Zeit.» Jeder Käser hat seine eigenen Methoden. Auch Martin lernt Jahr für Jahr dazu. Unterstützt wird er von Fachleuten der Branchenorganisation und von seinem Sohn Natanael, der in einer Käserei in Charmey arbeitet.

Vacherin Fribourgeois AOP

Vacherin Fribourgeois AOP ist ein Halbhartkäse aus Kuhmilch, der auf 42 Alpen und in 69 Käsereien des Kantons Fribourg hergestellt wird. Von den rund 3’000 Tonnen werden etwa 15 Prozent exportiert. Seit 1995 sind Produzenten, Hersteller und Affineure im Branchenverband Interprofession des Vacherin Fribourgeois zusammengeschlossen. Der Zweck des Verbandes ist es, die Qualität zu garantieren, die Marke und den Absatz zu fördern. Seit dem Jahre 2000 ist der Käse AOP zertifiziert.

Der Vacherin Fribourgeois AOP gibt es in sechs Sorten: Classic, Extra, Rustic, Berg, Bio und Alp. Der crèmige Käse ist nach einer Reifung von 9 bis zu 25 Wochen genussfähig.

Die Qualität des Wassers hat einen wesentlichen Anteil am Gelingen des Käses

Nun ist Muskelkraft gefragt. Mit dem Käsetuch nimmt das Ehepaar den Käsebruch heraus und gibt sie in eine Box, wo die Molke abtropfen kann. Schliesslich füllt er die Masse in Formen von 35 Zentimeter Durchmesser ab. Die Uhr zeigt inzwischen neun Uhr. Später wird er den Käse ein, zwei Mal wenden, mit der AOP-Marke, seiner Produktionsnummer und dem Datum kennzeichnen und nach 24 Stunden ins Salzbad legen. Affiniert und gelagert werden Raubers Alpkäse, wie diejenigen von den weiteren 41 Alpkäsereien, im Keller «Caves de la Tzintre» bei Charmey.

Der Vacherin Fribourgeois AOP wird oft mit dem Greyerzer verglichen. Er ist tatsächlich der kleinere «Bruder»: Der Name Vacherin leitet sich wohl von «Vaccarinus» ab, der einen kleinen Kuhhirten bezeichnete. Die Käselaibe des Vacherins sind kleiner und leichter als diejenigen des Greyerzers. Auf den Fribourger Alpen wurde er oft am Ende der Alpsaison hergestellt, so auch bei Raubers: «Allerdings war er nie wirklich gut», erinnert sich Martin. Einer der Gründe war die Qualität des Wassers. «Beim Greyerzer, bei dem die Milch auf 57 °C erhitzt ist, war das nicht so wichtig – zum Glück hat uns die Gebäudeversicherung, der das Haus und die dazugehörigen 33 Hektaren gehören, eine Zuleitung finanziert und so haben wir nun bestes Wasser», erklärt er.

  • Sauberkeit ist Grundvoraussetzung für die hohe Qualität eines Vacherin Fribourgeois AOP. Ruth Rauber reinigt die Ablage vor dem Käsen nochmals alles mit kochend heissem Wasser. (mne)
    Bild herunterladen
  • Mit der Harfe schneitet Martin die geronnene Milch in möglichst gleichmässige Stücke. (mne)
    Bild herunterladen
  • Martin Rauber pflegt den Käse in den ersten zwei Tagen. Danach gehen die Laibe, mit seiner Produktionsnummer und dem Tag der Herstellung in den Käsekeller «Caves de la Tzintre» bei Charmey, wo er affiniert wird. (mne)
    Bild herunterladen

Punktierung bestimmt über den Lohn des Käsers

Welchen Lohn Martin und Ruth für ihren Käse erhalten werden, hängt wesentlich davon ab, wie ihr Laibe von der Interprofession des Vacherin Fribourgeois punktiert wird. Die Maximalpunktzahl von 20 wird mit 13.50 Franken pro Kilogramm honoriert, Käse unter 18 Punkten erhalten hingegen nur noch 8.50 Franken. Seit drei Jahren kann Martin Rauber käsen und hat seither immer mindestens 19.5 Punkte erhalten.

Er hat ein Kontingent von einer Tonne pro Alpsaison. Das entspricht der Morgenmilch von sechs Wochen. Die restliche Milch bringt er täglich zur Crèmo nach Châtel-sur-Montsalvens. «Gerne würde ich mehr käsen – auch Greyerzer», erklärt er und ergänzt: «Doch der Branchenverband vergibt nicht mehr Kontingent als sie auch Käse am Markt absetzen kann.»

Dass er das Käsen aus Leidenschaft macht und damit auch die langen Tage in Kauf nimmt, sieht man. «Bereits mein Grossvater hat hier gekäst. Ich knüpfe an diese Tradition an», erzählt Martin Rauber. Ihn fasziniert auch, dass er aus der eigenen Milch etwas zum Essen herstellen kann: «Milch uf äm Platz verwärche», wie er es im Jauner Dialekt ausdrückt. Ruth, die gelernte Köchin, weiss den Käse auch schmackhaft zu servieren. «Im Moment ist das Raclette aus Vacherin Fribourgeois AOP mein Favorit – das Grosskind mag ihn hingegen am liebsten einfach so in Stängeli», strahlt sie.

2025 Essen Restaurant Au Chasseur Freiburg Vacherin Fribourgeois Pierre Pascal Clemant Monika Neidhart
Koch Pierre-Pascal Clémant führt in der Altstadt von Fribourg das Restaurant «Au Chasseur». Er schätzt den Alpkäse wegen des komplexen Aromaspektrums. (mne)

Alpkäse hat ein komplexes Aromaspektrum

Vacherin Fribourgeois kennt man seit über 600 Jahren. Dass er sich überraschend und kreativ verarbeiten lässt, zeigt Koch Pierre-Pascal Clément. Nach Wanderjahren, unter anderem im Zürcher Baur au Lac und drei Jahre in Berlin, ist er, der in der Nähe von Romont aufgewachsen ist, zurück in seiner Heimat. Er führt seit einem Jahr das «Au chasseur», das älteste Restaurant in Fribourg. Seine Küche ist mutig, überraschend mit intensiven Aromen, die auch von den asiatischen und anderen Küchen inspiriert ist. Immer aber aus heimischen Zutaten – mit Respekt für die Produkte. Angetan hat es ihm der Alpkäse Vacherin Fribourgeois AOP: «Auch wenn der Käse vielleicht nicht die maximale Punktzahl erhielt, mir ist das komplexe Aromaspektrum solcher Käse wichtig», erklärt er.

Zum Apèro serviert er ein kaltes Fondue, in das Nachos getaucht werden. Beim traditionellen Fondue dürfen es auch mehrere Gänge sein. Dabei werden Brotwürfel zuerst in einer Flüssigkeit wie eine Kräuteressenz, einer Bouillon aus dem Jambon de la borne AOP – eine weitere Fribourger Spezialität aus geräuchertem Schinken –, dann in den Käse und schliesslich in etwas Knuspriges wie getrocknete Pilze, geröstete Zwiebeln oder als eher süsser Abschluss in karamellisierte Birnen getaucht. Grenzen sieht Pierre-Pascal Clément bei der Verarbeitung des crèmigen Käses nur eine: «Der Geschmack des Vacherin Fribourgeois AOP soll nicht überdeckt, sondern immer auch zur Geltung kommen.»