Zwischen Käsekessel und Qualitätssicherung: Der Weg zum Milchtechnologen

Der Beruf der Milchtechnologin und des Milchtechnologen ist facettenreich und verbindet handwerkliche Tradition mit modernster Technik. Nach sechs Jahren in der Schaukäserei und Milchmanufaktur Einsiedeln und einer vorhergehenden Karriere auf dem Bau entschloss sich Philippe Estoppey mit 40 Jahren, sein Wissen zu vertiefen und sich den Herausforderungen der Milchverarbeitung voll und ganz zu widmen. Er ist nun im ersten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Milchtechnologen.
Zuletzt aktualisiert am 15. Januar 2025
von Renate Hodel
6 Minuten Lesedauer
Milchverarbeitung Kaeserei Milchtechnologe Philippe Estoppey Milchmanufaktur Einsiedeln 03 Rho

Bevor Philippe Estoppey in die Milchverarbeitung einstieg, arbeitete er viele Jahre auf dem Bau: «Ich war dort auf verschiedenen Bauberufen vor allem als Handlanger tätig und sehnte mich nach einer neuen beruflichen Perspektive – ich wollte noch etwas anderes sehen», erinnert er sich. Die Möglichkeit, in der Milchmanufaktur Einsiedeln eine Schnupperlehre zu absolvieren, eröffnete ihm schliesslich die Tür zu einem neuen Berufsfeld. «Es hat mir enorm gefallen, und so habe ich dann die Branche gewechselt», erzählt Philippe Estoppey weiter.

Ein beruflicher Neuanfang

In der Schaukäserei und Milchmanufaktur Einsiedeln begann Philippe Philippe Estoppey zunächst eine Ausbildung zum Milchpraktiker mit Eidgenössischem Berufsattest, die er in der Region Zentralschweiz als bester Absolvent abschloss. «Nach dem erfolgreichen Abschluss dieser Ausbildung hat mich der Ehrgeiz gepackt und nun mache ich auch noch die Ausbildung zum Milchtechnologen mit Eidgenössischem Fähigkeitszeugnis», erklärt er. Diese Entscheidung öffnet ihm die Möglichkeit, den gesamten Produktionsprozess in der Milchverarbeitung zu steuern und tiefere Einblicke in das Handwerk zu gewinnen.

Der Beruf der Milchtechnologin und des Milchtechnologen ist weit mehr als nur die Herstellung von Käse. Philippe Estoppey und seine Kolleginnen und Kollegen steuern und überwachen eine Vielzahl von Prozessen, die notwendig sind, um aus frischer Milch köstliche Produkte wie Käse, Butter oder Joghurt herzustellen. «Am Morgen bereiten wir die Maschinen für die Produktion vor und nehmen die frisch angelieferte Milch entgegen – danach beginnt der eigentliche Produktionsprozess», erklärt der angehende Milchtechnologe.

Der Lehrbetrieb

Die Milchmanufaktur Einsiedeln wurde vor über zehn Jahren von 60 engagierten Bauernfamilien gegründet. Ihr Ziel war es, die hochwertige Bergmilch aus Einsiedeln direkt vor Ort zu verarbeiten und so regionale Wertschöpfung zu schaffen. Was einst als Kleinbetrieb begann, hat sich zu einem beeindruckenden Unternehmen entwickelt. Heute zählt die Milchmanufaktur Einsiedeln AG 35 Vollzeitstellen, die sich auf die Bereiche Produktion, Handel, Gastronomie und Tourismus verteilen.

In den Spitzenmonaten liefern rund ein Dutzend Landwirtschaftsbetriebe aus der Region ihre Rohmilch an die Milchmanufaktur. Letztes Jahr wurden aus insgesamt 1,3 Millionen Litern Milch 97’000 Kilogramm Halbhart- und Hartkäse, 28’000 Kilogramm Frisch- und Weichkäse sowie 62’000 Kilogramm Joghurt hergestellt.

Präzision und Handwerk

Die Aufgaben der Milchtechnologin und des Milchtechnologen reichen von der Annahme der Milch bis hin zur Qualitätskontrolle der fertigen Produkte. Die frische Milch wird zunächst auf ihre Qualität geprüft, bevor sie in die Rohmilchlagertanks geleitet und anschliessend zentrifugiert wird, um den Rahm von der Milch zu trennen. Soll die Milch haltbar gemacht werden, wird sie pasteurisiert. Daraus entsteht dann beispielsweise Joghurt.

Besonders spannend findet Philippe Estoppey das Käsen. Die Käseherstellung erfordert trotz moderner Technik viel handwerkliches Geschick und eine gute Beobachtung: «Die Käsemasse im Kessel muss genau beobachtet werden – die Käsekörner müssen die richtige Grösse haben und das können wir mit der Geschwindigkeit der Käseharfen, welche die Masse zerkleinern, beeinflussen», beschreibt er den Prozess. Je nach Käsesorte unterscheiden sich die Herstellungsschritte: Die Temperatur der Milch, die Zugabe von Bakterienkulturen und Lab, sowie die Dauer der Pressung und Reifung variieren von Käse zu Käse. «Es ist enorm abwechslungsreich, vielseitig und sicher nie langweilig», betont der Lernende. «Es gibt pflegeleichte Käsesorten und es gibt Käsesorten, die brauchen viel Pflege und sind etwas ‹heikler› – so beispielsweise der Weichkäse ‹Wysse Einsiedler›», ergänzt er.

Qualitätskontrolle ist ein Schlüsselfaktor im Beruf

Neben der handwerklichen Herstellung liegt ein grosser Schwerpunkt im Beruf der Milchtechnologin und des Milchtechnologen auf der Qualitätskontrolle. Diese ist entscheidend, um sicherzustellen, dass die hergestellten Produkte höchsten Standards entsprechen. «Wir prüfen die Konsistenz, den Geschmack und die Haltbarkeit der Produkte», erklärt Philippe Estoppey. «Fehler können schwerwiegende Folgen haben und deshalb sind Hygiene und Präzision das A und O bei der Herstellung von Milchprodukten», betont er.

Durch regelmässige Kontrollen wird sichergestellt, dass die Produkte frisch und sicher in die Läden gelangen. Dabei ist nicht nur die Qualität der Produkte entscheidend, sondern auch die korrekte Lagerung und der Transport. Die fertigen Produkte müssen richtig verpackt und gelagert werden, damit sie frisch beim Kunden ankommen.

Milchverarbeitung Kaeserei Milchtechnologe Philippe Estoppey Milchmanufaktur Einsiedeln 02 Rho

Technik und Handwerk – die perfekte Kombination

Ein wichtiger Aspekt des Berufs ist der Umgang mit den hochmodernen Maschinen, die in der Milchverarbeitung eingesetzt werden. Milchtechnologinnen und Milchtechnologen sind nicht nur für die Produktion verantwortlich, sondern auch für die Wartung und Pflege der Anlagen. «Die Maschinen müssen immer in einem guten Zustand und sauber sein», erklärt Philippe Estoppey. So sind die tägliche Reinigung und regelmässige Wartung unerlässlich, damit die Anlagen störungsfrei funktionieren. Später gehört auch die Entwicklung neuer Produkte zu den Aufgaben von Milchtechnologinnen und Milchtechnologen.

Die Verbindung von handwerklichem Können und dem Einsatz modernster Technik macht den Beruf der Milchtechnologin und des Milchtechnologen besonders interessant. «Man muss sowohl für Tradition wie auch für moderne Technik ein Flair mitbringen», betont Philippe Estoppey. Die Herausforderung, beide Bereiche zu vereinen, macht den Beruf abwechslungsreich und anspruchsvoll zugleich.

Ein Beruf mit Zukunft und Vielfalt

Neben der eigentlichen Produktion sind Milchtechnologinnen und Milchtechnologen auch in den Bereichen Beratung und Verkauf tätig. Es gibt Betriebe, da passiert die Beratung der Kundschaft und der Verkauf der Produkte direkt vor Ort. Der direkte Kontakt zu den Kunden und zu den Milchlieferanten, meist regionale Bauern, ist ein weiterer Aspekt, der den Beruf vielfältig und spannend macht. In der Schaukäserei und Milchmanufaktur kommt Philippe Estoppey unter anderem bei den diversen Erlebnisangeboten wie dem Käsen für Gruppen oder bei Führungen durch die Manufaktur direkt mit den Kundinnen und Kunden in Kontakt. «Ein weiterer Aspekt, der den Beruf vielseitig und abwechslungsreich machen», erklärt er.

«Die Arbeitsschritte in der Milchverarbeitung sind vielseitig und es ist spannend, die einzelnen Produkte herzustellen», erklärt Philippe Estoppey begeistert. Und der Beruf der Milchtechnologin und des Milchtechnologen ist mehr als nur eine handwerkliche Tätigkeit – es ist eine Verbindung aus Tradition und Moderne, aus handwerklicher Präzision und technologischem Fortschritt.

Philippe Estoppey beruflicher Werdegang zeigt, dass es nie zu spät ist, einen neuen Weg einzuschlagen. Es gibt keine Altersgrenze für eine Berufslehre, es braucht aber Mut und kann eine Herausforderung für den Lernenden wie auch für den Lehrbetrieb sein. «Ich mache die Arbeit unheimlich gerne und hätte nun auch gerne die entsprechende Bescheinigung dazu – ausserdem wollte und will ich mir auch beweisen, dass ich das kann», meint Philippe Estoppey abschliessend. Die Branche dankt es ihm: Gut ausgebildete Milchtechnologinnen und Milchtechnologen sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt, und es gibt zahlreiche Möglichkeiten zur Weiterbildung.