Schweizer Landwirtschaft in der Budgetklemme: Kürzungen sorgen für Unmut

Der geplante Rückgang des Agrarbudgets für 2024 in der Schweiz sorgt in der Landwirtschaft für Unmut. Die Landwirtinnen und Landwirten sehen die Kürzungen als unfair an, da die Ausgaben in anderen Bereichen deutlich gewachsen sind, während sie ihre Produktionsauflagen erfüllen und gleichzeitig Entschädigungen einbüssen sollen.
Zuletzt aktualisiert am 31. August 2023
von Jonas Ingold
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20230830 Event Gegen Sparmassnahmen SBV Jin

Der Bund will sparen, das trifft die Landwirtschaft. Das Agrarbudget soll 2024 um 2 Prozent oder 66 Millionen Franken sinken. 1'300 Franken pro Betrieb seien dies, erklärte Bauernverbandsdirektor Martin Rufer an einem Medienevent in Bern. Für besonders stossend hält der Verband, dass der Bundesrat spart, wo die Ausgaben stabil geblieben sind. Im Verhältnis zum Gesamtbudget seien die Agrarausgaben in den letzten 20 Jahre gar gesunken, erklärte Rufer, und betrügen mittlerweile noch 4,5 Prozent.

«Hohe Wachstumsraten verzeichnen die soziale Wohlfahrt oder der Verkehr. Doch sparen will der Bundesrat nicht, wo die Ausgaben stets wachsen, sondern bei den schwach gebundenen Ausgaben», so Rufer. Der Verband könne nicht akzeptieren, dass die Auflagen an die Produktion immer weiter stiegen, während die versprochenen Entschädigungen gekürzt würden.

Leidenschaft alleine reicht nicht zum Leben

«Für uns Junglandwirtinnen und Junglandwirte sind solche Kürzungen fatal und eine grosse Demotivationsspritze», sagte Leana Waber, Vizepräsidentin der Junglandwirtekommission. Die Übernahme eines Hofes bedeute für die jungen Berufsleute stets eine grosse Herausforderung: Lange Arbeitstage, vergleichsweise tiefes Einkommen, viel Verantwortung und Druck. Dennoch übernähmen viele den elterlichen Betrieb: «Wir tun das aus Leidenschaft für den Beruf, die Leidenschaft mit der Natur zu arbeiten, die Leidenschaft Lebensmittel zu produzieren», so Waber. Aber: Von Leidenschaft alleine könnten die Bäuerinnen und Bauern nicht leben.

Stabile Bedingungen gefordert

Deshalb benötigten die Landwirtinnen und Landwirte stabile Rahmenbedingungen. In der Finanzplanung der Betriebe seien nicht nur die Einnahmen des Produktverkaufs, sondern auch die von der Agrarpolitik vorgesehenen Direktzahlungen eingerechnet. Diese Planungen würde für Jahrzehnte erfolgen, so Waber. «Nun kommt der Bundesrat und kürzt uns einfach die Entschädigungen. Und wir haben keine unternehmerische Möglichkeit, die Leistungen ebenfalls entsprechend zu reduzieren, da wir so die gesamte Unterstützung verlieren würden.»

«Für uns Junglandwirtinnen sind solche Kürzungen fatal und eine grosse Demotivationsspritze»
Leana Waber
Leana Waber
Vizepräsidentin der Junglandwirtekommission

Auswirkungen auf soziale Absicherung

Auch Anne Challandes, Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes, wies auf vergleichsweise tiefe Einkommen der Landwirtschaftsbetriebe hin. Die geplante Mittelkürzung verschlechtere die wirtschaftliche Situation der Betriebe weiter, was direkte negative Auswirkungen auf die soziale Situation und das psychische Wohlbefinden der Bauernfamilie habe.

«Wer nur tiefe Einkommen erwirtschaftet, kann auch seine Angestellten, ob familieneigene oder familienfremde, nicht angemessen bezahlen. Dass darunter auch die soziale Absicherung speziell der Bäuerinnen leidet, ist selbsterklärend.»

Martin Rufer, Anne Challandes, Leana Waber und Markus Ritter an einer Aktion gegen Sparmassnahmen in Bern. Im Hintergrund eine auseinanderklaffende Schere, welche die Differenz zwischen Leistung und Ertrag symbolisiert.
Mit der symbolischen Schere machte der Bauernverband auf die Kürzungen aufmerksam. Martin Rufer, Anne Challandes, Leana Waber und Markus Ritter (v.l.). (jin)

«Bestellte Leistungen nicht zu bezahlen, ist Diebstahl»

SBV-Präsident Markus Ritter fand deutliche Worte. Er bezeichnete die Sparpläne als moralisch verwerflich. Die Bäuerinnen und Bauern hätten in den letzten Jahren enormes geleistet, die Bio-Fläche verdoppelt, immer mehr fürs Tierwohl getan und dabei noch den Produktionswert stabil gehalten. «Die Bauernfamilien nehmen viel auf sich und ein verhältnismässig tiefes Einkommen in Kauf. Doch irgendwann ist die Zitrone einfach ausgepresst.» Es werde immer mehr gefordert, aber weniger bezahlt.

Die Schere zwischen Leistungen und Entschädigungen werde immer grösser, was nicht sein dürfe. «Bestellte Leistungen nicht zu bezahlen, ist Diebstahl. Der Plan des Bundesrates ist deshalb moralisch verwerflich», fand Ritter deutliche Worte. Er fordert, dass die Politik sofort das Ausgabenwachstum vor allem in jenen Bereichen mit starkem Wachstum drosselt. Dann brauche es für einen stabilen Haushalt auch keine Sparprogramme.