
Swissoja bringt Genfer Soja vom Feld auf den Teller
Die Nachfrage nach pflanzlichen Proteinen wächst, doch tiefe Importpreise erschweren die inländische Produktion. Denn...
«Wir alle sollten weniger Fleisch essen», meint Franziska Herren zu Beginn der Veranstaltung. Die Initiantin der Ernährungsinitiative ist eine der Personen, die am Mittwochabend im Restaurant im obersten Stock des Loeb-Warenhauses auf einem grünen Sofa Platz genommen hat.
Das Hauptziel der Ernährungsinitiative ist es, den Netto-Selbstversorgungsgrad von heute 46 Prozent auf mindestens 70 Prozent erhöhen. Nach dem Bundesart sprach sich auch die Wirtschaftskommission des Nationalrats diesen Dienstag mit 23 Stimmen und zwei Enthaltungen gegen die Initiative aus.
Ebenfalls bereit zur Diskussion sind René Ritter, Meisterlandwirt und Lohnunternehmer, Silvano Lieger, Public Affairs Manager bei Planted und Urs Stalder, Leiter Fachbereich Ernährung des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Moderiert wird der Anlass von Reto Brennwald.
Ob in der Schweiz zu viel Fleisch gegessen werde, will René Ritter so nicht beantworten. Aus seiner Sicht setze aber die Initiative an einem falschen Ort an. «Wichtig ist, dass Kinder wissen, wie sie sich gesund ernähren können, wie man kocht und wie man isst», meint der Landwirt.
Auf dem Leimenhof im Kanton Basel-Landschaft hält René Ritter Wagyu-Mutterkühe und baut unter anderem Getreide und Raps an. Vor einigen Jahren kamen Kichererbsen und Linsen dazu – die Bilanz des Anbaus dieser Leguminosen sei aber durchzogen, meint René Ritter. Kichererbsen beispielsweise hätten eine Anbaupause von sechs bis sieben Jahren.
Während sechs Jahren Kichererbsenanbau erlebte René Ritter fünf Jahre Totalausfall. Zudem hätte es kein zugelassenes Pflanzenschutzmittel gegeben. Er müsse ehrlich sein, sagt René Ritter, «Wir haben mit diesen Kulturen noch keinen Franken verdient».
Der fehlende Grenzschutz bei importierten Kichererbsen führe ausserdem zu einem grossen Preisdruck bei inländischen Produkten. Zum Vergleich: 500 Gramm Kichererbsen vom Leimenhof kosten 6 Franken 50, dieselbe Menge an ausländischen Bio-Kichererbsen kostet bei Coop lediglich 2 Franken 80.
Urs Stadler vom BLV empfiehlt zwei bis drei Portionen Fleisch à je 120 Gramm pro Woche – tendenziell werde aber drei Mal so viel gegessen. Im September 2024 hatte das BLV überarbeitete Ernährungsempfehlungen mit einer angepassten Ernährungspyramide publiziert. «Die Ernährung hat einen grossen Einfluss auf die Gesundheit. Gesunde, ausgewogene Ernährung ist wirklich wichtig», betont Urs Stalder.
Urs Stalder räumt ein, dass der Anbau pflanzlicher Lebensmittel Probleme mit sich bringt. «Aber es braucht von allen Seiten die Bereitschaft, etwas zu ändern», fügt er an.
«Wir sollten so viel Fleisch produzieren, dass es unsere Ernährung und Umwelt nicht gefährdet», betont Franziska Herren. «Agrarsubventionen gehen zu 75 Prozent in die tierische Produktion», sagt die Initiantin der Volksinitiative. Es sei wichtig, eine Balance zu schaffen.
Die jetzige ungleiche Verteilung spiegle sich auch im Alltag wider. «Hat jemand schon einmal ein Plakat gesehen, das Werbung für Schweizer Linsen macht?», fragt Franziska Herren ins Publikum.
«Die Fleischproduktion benötigt viel Land und viel Wasser. Auf 60 Prozent der bestehenden 30 Prozent Ackerflächen wächst Futtermittel», führt sie weiter aus. «Dass trotzdem 50 Prozent des Futters importiert werden musste, steht auch nicht auf der Packung von Schweizer Fleisch», meint Franziska Herren.
Grundwasser enthalte Pestizide und Nitrat. «Es ist nicht einfach, aber es gibt Lösungen», meint Franziska Herren.
«Wir haben vor 100 Jahren Linsen in der Schweiz angebaut», meint Franziska Herren weiter, «das Know-How ist einfach nicht mehr da». Auch sie sehe Probleme beim Grenzschutz und beim Absatzmarkt. Deshalb sei es wichtig, «Bäuerinnen und Bauern mit Zulagen zu unterstützen», wie das etwa bei Käsezulagen der Fall sei. Dies fördere die Abnahmesicherheit von Bäuerinnen und Bauern.
Hier schüttelt ein Landwirt in der ersten Reihe den Kopf. Die Käsezulagen seien nicht vergleichbar mit einer Förderung der pflanzlichen Produktion. Er habe beispielsweise 10 Tonnen Dinkel in seinem Lager – weil er für diesen keinen Absatz fand, berichtet er.
Im Mai 2024 stimmte der Berner Stadtrat mit 33 zu 32 Stimmen einer Richtlinienmotion zu, die Verwaltung, städtische Betriebe und verpachtete Restaurants auffordert, vermehrt auf vegetarische Gerichte zu setzen. Gerichte mit Fleisch und Fisch werden aber nicht verboten.
Zwei Monate später wurde ein Postulat gegen Fleisch- und Fischangebote an städtischen Anlässen mit 41 zu 23 Stimmen angenommen. Einverstanden damit sind also längts nicht alle – darunter zwei Berner Stadträte, die sich im Publikum befinden. «Mitglieder des Stadtrats haben sich nach den Anlässen draussen eine Bratwurst geholt», echauffiert sich einer von ihnen. Der Selbstversorgungsgrad in der Schweiz solle erhöht werden, doch nicht so.
«Wir müssen einen höheren Netto-Selbstversorgungsgrad anstreben», betont Franziska Herren. «Eine Umsetzung der Forderungen der Initiative ist möglich», ist die Präsidentin des Vereins «Sauberes Wasser» überzeugt. Die Schweiz besitze Ackerflächen, die auch bei Krisen in der Landesversorgung zum Zuge kämen würden.
Nun meldet sich ein junger Publikumsgast: «Ich bin wohl noch am längsten auf diesem Planeten», meint der 19-jährige Gymnasiast. Er wählt klare Worte: Aus seiner Sicht werde einfach zu wenig gemacht, um ebendiesen zu schützen.
Die Stimmen aus dem Publikum werden zunehmend bestimmter, einzelne Redebeiträge ernten kurzen Applaus. Je länger die Podiumsdiskussion anhält, desto mehr scheint: Die meisten Gäste sind skeptisch, wie die Umsetzung einer Förderung der pflanzlichen Produktion auf den Schweizer Feldern aussehen soll.
«Die Diskussion zeigt, wie emotional das Thema Ernährung ist», meint Urs Stalder mehrmals. Dies ist während der Diskussion deutlich spürbar. Er finde es wichtig, die fleischlose Ernährung grosszureden, und nicht Fleisch kleinzureden.
«Letztlich ist es der Konsument, der entscheidet», meint ein Landwirt aus Murzelen. Er habe Speisehafer, Leinsamen, Kichererbsen und Sonnenblumen angepflanzt. Doch die Produktion sei zu teuer und ohne zulässige Pflanzenschutzmittel schwierig. Ausserdem sei die Nachfrage schlichtweg zu klein.
Ein Gemüseproduzent aus Niederbipp hängt hier an: «Man muss produzieren, was Konsumenten wollen und kaufen. Der Konsument ist der Chef». Sollte man etwas ändern wollen, müsse man Konsumentinnen und Konsumenten umschulen.
In der Schlussrunde hat René Ritter das letzte Wort. Ihm sei wichtig, dass Leute verstehen, wie ein Bauernhof funktioniere. «Wenn über Landwirtschaft abgestimmt wird, muss man die Landwirtschaft kennen und verstehen».
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