Kaffeegenuss mit Charakter

Vom direkten Bohnenkauf bis zur schonenden Röstung: Kaffeesommelier Willy Zemp zeigt in seiner Luzerner Rösterei, wie aus handverlesenen Kaffeekirschen echte Genussprodukte entstehen – mit viel Wissen, Feingefühl und Sinn für Nachhaltigkeit.
Zuletzt aktualisiert am 24. September 2025
von Jasmine Baumann
5 Minuten Lesedauer
Willy Zemp Zvg

Es riecht süsslich, caramelartig aus dem Fenster der kleinen Rösterei in Doppleschwand im Kanton Luzern. Willy Zemp, der Kaffeesommelier, ist gerade am Rösten von Kaffeebohnen aus El Salvador, welche er von Bauer Andres Quintanilla direkt gekauft hat. Es ist die Sorte Bourbon Rosado.

Während des Röstprozesses erklärt Willy Zemp viele spannende Dinge. Zum Beispiel, dass er den Kaffee nach dem Rösten reifen lässt, weil dieser sonst einen fleischigen, schinkenartigen Duft haben kann. «Furanverbindungen heissen die Stoffe, welche beim Rösten von Kaffeebohnen entstehen», erzählt Willy Zemp weiter.

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Willy Zemp arbeitet auch als Barista und gibt sein Wissen in Kursen weiter. (zvg/Willy Zemp)

Einziger Kaffeesommelier der Schweiz

Sein Wissen und die Leidenschaft für den Kaffes begleiten Willy Zemp seit 2005, als er von der Weinbranche in die Kaffeebranche gewechselt hat. Seither hat er Ausbildungen vom Barista über den Coffeeologen bis hin zum Kaffeesommelier abgeschlossen. Heute ist er der einzige international anerkannte Kaffeesommelier in der Schweiz.

Im Wein hat Willy Zemp gelernt, wie stark Natur, Handwerk und Geduld zusammengehören. «Doch ich wollte ein Feld, das noch frei war», sagt er. «Kaffee hat mich gepackt, weil er wie Das Terroirs des Weins Vielfalt und Seele trägt – aber in der Schweiz noch kaum jemand auf diesem Niveau damit gearbeitet hat», ergänzt er.

Er wollte Neuland betreten, für seine Werte missionieren und Kaffee so verstanden wissen wie einen Tropfen edlen Wein. «Diesen Weg musste ich mir selbst erkämpfen, gegen Zweifel und Widerstände – alles selbst aufbauen, nichts geschenkt», so Willy Zemp.

Montgomery Kaffee Willy Zemp
Bauer Montgomery Melghem aus Honduras ist auch einer der Direktlieferanten. (zvg)

Nur reife Kaffeebohnen werden gepflückt

Die Kaffeebohnen kauft Willy Zemp von sechs Bauern aus Brasilien, Honduras, El Salvador, Mexico, Nepal und Indien. «Diese Bauern sind ausgebildete Agronomen oder verfügen über ein grosses, generationenübergreifendes Kaffeewissen», wie der Kaffeespezialist erklärt. Die Bauern würden ihre Pflanzen mit derselben Hingabe und Fachkenntnis kultivieren, wie bei uns edelste Weinberge gepflegt werden – mit Fokus auf Qualität, Reife und gedeihlichen Anbau.

So pflücken sie nur die reifsten Kaffeekirschen des Baums. Fünf bis zehn Tage später kehren sie zurück und ernten erneut – und so geht es bis zu fünf Pflückrunden, bis ein Baum seinen gesamten Ertrag von rund 1,5 Kilogramm Kaffeekirschen erreicht. «Dieses selektive Vorgehen ist entscheidend für Qualität und Bekömmlichkeit», ist Willy Zemp überzeugt.

Bei Kaffees durchschnittlicher Qualität hingegen wird meist am Tag X der ganze Baum auf einmal abgeerntet. Man nennt das «Strippen»: alle Kirschen werden abgezogen, ob reif oder nicht. So gelangen auch viele unreife Kirschen in den Ernteprozess. Zudem werden die Früchte verschiedenster Varietäten – allein beim Arabica gibt es über 10’000 Sorten – und Regionen zusammengemischt und als generische Ware wie «Arabica Brasilien» auf den Weltmarkt gehandelt.

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Bohnen aus dem Fruchtfleisch lösen

Nach dem Ernten werden die reifen Kaffeekirschen entweder im sogenannten «Natural Process» als ganze Früchte getrocknet oder zuerst entsteint. Beim «Washed Process» werden die «Steine» – eigentlich die Kaffeebohnen – aus dem Fruchtfleisch gelöst und anschliessend im Wasserbad fermentiert, bevor sie nur als reine Bohnen getrocknet werden. Nach einem dieser beiden Trocknungsverfahren wird der eigentliche Kaffeekern aus der getrockneten Kirsche oder der Hornschale herausgelöst und für den Transport in 30-Kilogramm-Säcke verpackt.

Im Erntejahr 2022/23 gab es zum Beispiel nur 14 Säcke à 30 Kilogramm von dem oben erwähnten Kaffee. Und drei davon hat Willy Zemp dem Bauer Andres Quintanilla abgekauft.

Die rohen noch hellen Kaffeebohnen werden in Weinfässern gelagert.

Bauern nicht von Kaffeebörse abhängig

Durch den direkten Handel der Kaffeebohnen sind die Bauern nicht von der Kaffeebörse abhängig. «Für Parzellenkaffees zahle ich oft das Zwei- bis Vierfache des Börsenpreises – dieser Mehrerlös fliesst direkt zu den Bauern und ermöglicht ihnen wirtschaftliche Unabhängigkeit», sagt Willy Zemp.

Er erhält somit Kaffeebohnen von oberster Qualität mit über 80 Punkten von 100. Diese Bewertung stammt aus der internationalen SCA-Skala der Specialty Coffee Association, bei der Kaffees nach Aroma, Geschmack, Säure, Körper und Balance sensorisch beurteilt werden. Ab 80 Punkten spricht man von «Specialty Coffee» – ein Niveau, das nur 5 Prozent aller Kaffees weltweit erreichen.

«Mein Fokus liegt auf gedeihlichem Kaffeeanbau, der sowohl höchste Qualität als auch einen respektvollen Umgang mit Natur und Mensch vereint», sagt der Kaffeespezialist.

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Dank des neuen Rösters von Oiks kann Willy Zemp seine Kapazität steigern. (jba)

Gelagert in Weinfässern

Die rohen Bohnen lagert Willy Zemp vor dem Rösten einige Zeit in seinem Keller in Doppleschwand in Weinfässern. Dadurch kommt noch mehr Aroma in den Kaffee.

Für die Qualität des Kaffees spielt die Rösttemperatur eine wichtige Rolle. Werden die Bohnen zu fest erhitzt, entsteht dabei viel Acrylamid, ein Stoff, der in zu hoher Konzentration als gesundheitlich bedenklich gilt.

Die EU hat dafür einen Richtwert von 400 Mikrogramm pro Kilogramm für Röstkaffee festgelegt – Willy Zemps Kaffees liegen mit rund 70 bis 90 Mikrogramm deutlich darunter. Dies zeigt der Farbwert, welcher nach dem Rösten gemessen wird.

2025 Willy Zemp Rösterei Sichtfenster Jba

Röstzeit und Temperatur machen den Unterschied

«Durch die längere Röstzeit von 20 Minuten statt der üblichen 11 bis 15 Minuten wird auch die Chlorogensäure, welche einigen Menschen Beschwerden macht, weitgehend abgebaut», erklärt Willy Zemp, währenddem er immer wieder einige Bohnen aus dem Röster nimmt und daran riecht.

Nach dem Rösten kommen die Bohnen in die Entsteinmaschine, die allfällige Steine entfernt. Danach lagert Willy Zemp den Kaffee nochmals 12 bis 24 Stunden, bevor er ihn absackt.

Pro Jahr verarbeitet und vermarktet der Kaffeesommelier rund 10 Tonnen Kaffee. Ein Drittel davon geht in den Gastrokanal, ein Drittel direkt zu Privatkunden und ein Drittel verkauft er über Wiederverkäufer, wie ausgewählte Delikatessenläden und Unverpackt-Läden.

Zudem trifft man Willy Zemp an verschiedenen Messen wie etwa der LUGA in Luzern, der Zuger Herbstmesse oder auf zahlreichen lokale Bauermärkten an. Und auch als Barista kann man ihn buchen.

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Mit Namen wie Entlebucher Schwarzes, Lucha Libre, Berg der Seelen oder Café de Paris vermarktet Willy Zemp seinen Kaffee. (jba)

Kurse und Workshops zur Kaffeezubereitung

Wer wissen möchte, wie er oder sie zuhause noch besseren Kaffee zubereiten könnte, dem gibt Willy Zemp gerne sein Wissen in Kursen und Workshops weiter. «Mein Ziel ist es, Menschen für hochwertigen Kaffee zu begeistern und ihnen die Vielfalt dieses einzigartigen Naturprodukts näherzubringen», erklärt er.