
Goldener Sommer in der Schleuder – der Weg des Honigs von der Bienenwabe ins Glas

«Jetzt im Juli und August holen wir den Waldhonig aus den Kästen», erklärt Thomas Wegmüller, «im Frühling war der Blütenhonig dran.» Mit einer ruhigen Hand setzt er die Wabe auf den Tisch. Die Bienen haben den Honig über Wochen im oberen Teil des Kastens eingelagert, sorgfältig verschlossen mit einer feinen Wachsschicht. Unten im «Wohnzimmer» ziehen sie ihre Brut auf – der Vorrat für den Imker ist also klar getrennt von der Kinderstube des Volkes.

60 bis 70 Tonnen Wachs pro Jahr
Die Bienen produzieren das Wachs selbst. Winzige Plättchen schwitzen die Arbeitsbienen aus speziellen Drüsen am Hinterleib. Draus entstehen die sechseckigen Waben – perfekte kleine Vorratskammern für Honig und Pollen. «Jedes Jahr brauchen wir Imker in der Schweiz 60 bis 70 Tonnen Wachs, allein für die neuen Mittelwände, die wir den Bienen als Bauhilfe geben», sagt Wegmüller.
«Imkern ist nichts für Jufler.»
Wachs entfernen und recykeln
Nun aber steht der nächste Schritt an: Die schützende Wachsschicht muss weg. Mit einer Entdeckelungsgabel fährt Thomas Wegmüller vorsichtig von unten nach oben über die Wabe. Der goldene Honig kommt zum Vorschein. Das Wachs an der Gabel streift Thomas Wegmüller ab, es wird später zur Produktion von neuen Mittelwänden wieder eingeschmolzen.
Thomas Wegmüller imkert seit 17 Jahren. Heute bereut er acht Bienenvölker als Hobbyimker, welche in Wichtrach stehen.

Imkern ist nichts für Jufler
Nach dem Entdeckeln stellt der Imker die Honigwabe in die Schleuder. Dort stehen bereits viele andere Waben. Dann lässt er die Schleuder an – zuerst langsam und dann etwas schneller.
Mit Hilfe der schnellen Drehbewegung wird der Honig aus den Waben geschleudert. Und schon bald fliesst unten an der Schleuder beim Dosierhahn der dickflüssige Honig ganz langsam heraus.
«Warum machst du das eigentlich?», frage ich den Imker. «Ich habe dieses Hobby für mich bewusst ausgewählt, weil es ruhig und langsam ist – es entschleunigt mich», sagt Thomas Wegmüller. «Imkern ist nichts für Jufler», meint er schmunzelnd.
Aus gesundheitlichen Gründen ist Wegmüller frühpensioniert worden und hat sich eine sinnvolle und ruhige Tätigkeit gesucht.
Aktuell präsidiert er den Verband der Bernischen Bienenzüchtervereine. In der Imkerküche, in welcher wir uns befinden, hängen verschiedene Infoposter an den Wänden und Broschüren und Fachbücher stehen im Gestell. Dies, weil der Besitzer der Imkerküche hier Imkergrundkurse durchführt.

Bienen lecken Honigtau von Läusen
Der Honig fliesst nach dem Schleudern durch zwei Siebe. Dies, damit keine Wachsreste im Honig verbleiben. Der Honig ist dickflüssig, auch weil die Temperatur gerade etwas kühler ist. Seine dunkle Farbe sagt aus, dass es Waldhonig ist.
Waldhonig produzieren die Bienen im Sommer. Dabei schlecken sie von verschiedenen Läusen ihre Ausscheidungen, auch Honigtau genannt, auf. Hast du schon einmal ein klebriges Buchenblatt abgeleckt? Ganz schön süss, nicht wahr? Das lieben die Bienen ebenfalls.

Qualitätshonig ist geprüft
Nach dem Schleudern und Filtern misst der Imker auch noch den Wassergehalt im Honig mit einem Refraktometer. Gemäss Lebensmittelgesetz darf der Honig höchstens 20 Prozent Wasser enthalten. Qualitätshonig darf sogar nur 18,5 Prozent haben. Der soeben geschleuderte Honig hat sogar nur 14,8 Prozent Wasser. «Der ist ja besonders süss», sagt Thomas Wegmüller mit einem gewissen Stolz.
Anschliessend füllt der Imker den Honig direkt in Gläser ab. Nach dem Verschliessen wird der Deckel mit dem Qualitätssiegel versehen. Dieses goldene Siegel von Apisuisse, dem Dachverband der schweizerischen Bienenzüchtervereine, bürgt für saubere, rückstandsfreie Qualität und schonende Verarbeitung. Dafür werden die Betriebe regelmässig kontrolliert.

Bienen erhalten Zuckerwasser
Nun ist die Flugsaison für die Honigbienen zu Ende und sie werden für den Winter vorbereitet. Der Imker gibt den Bienen eine Zuckerlösung mit Zusätzen, damit sie den Winter gut überstehen. «Würden sie Honig erhalten, könnte es sein, dass sie die Ruhr bekommen – eine Art Durchfall», erklärt Thomas Wegmüller. Den Zuckersirup brauchen die Bienen zum Aufheizen ihres Volkes. Damit bringen sie die Bruttraube im Bienenkasten auf eine konstante Temperatur von 34 bis 35°C im Winter.

Das Summen der Bienen hat sich gelohnt
Wenn die Gläser mit goldenem Honig gefüllt im Regal stehen, ist für Thomas Wegmüller klar: Das Summen seiner Bienen hat sich gelohnt – und bald geniessen die Menschen in der Region die süsse Arbeit seines Volkes auf dem Frühstücksbrot.

Mehr über Bienen lernen
Bienen einmal live erleben und beobachten, den Weg des Honigs kennenlernen oder im Unterricht mehr über das Leben der Bienen erfahren?
Auf der Unterrichtsplattform Agriscuola.ch ist alles gesammelt und verlinkt: von der Exkursion bis zu Broschüren und Arbeitsblättern.