
Keine neuen Imkerstände auf den Grundstücken der Stadt Zürich

- Vielfalt im Siedlungsraum stärken
- Auf Landwirtschaftsbetrieben darf die Imkerei bleiben
- Dachverband findet Studie wissenschaftlich unhaltbar
- Konstruktive Wege finden, ist das Ziel
- Fehlende Nistplätze und zu wenigen Blüten sind das grössere Problem
- Mit Bienenhaltung die Welt retten ist ein Trugschluss
- Lehr- und Leihbienenstand in der Stadt Bern
Seit dem 1. September will die Stadt Zürich keine neuen Honigbienenstände mehr auf Grundstücken in ihrem Eigentum zulassen. In ausgewiesenen Wildbienenvorranggebieten sollen Imker ihre bestehenden Stände bei Vertragsbeendigung entfernen. So kommuniziert es die Stadt Zürich auf ihrer Website. Wir haben bei Grün Stadt Zürich nach den Gründen gefragt.
Vielfalt im Siedlungsraum stärken
In der Stadt Zürich waren im Juni 2024 gemäss Tanja Huber, stellvertretende Leiterin Kommunikation von Grün Stadt Zürich, rund 200 Honigbienenstände registriert.
«Der Hintergrund für die neue Empfehlung ist der nationale Aktionsplan Strategie Biodiversität Schweiz, Phase 2», so Huber. Der Aktionsplan will die Vielfalt im Siedlungsraum fördern und dem Insektensterben entgegenwirken. Hauptgrund für sind die Biodiversitätsziele der Stadt Zürich.
Zürich setze darum auf Massnahmen, die vor allem neuen Lebensraum für Insekten schaffen – etwa mit einheimischen Blütenpflanzen, die vielen Arten Nahrung liefern.
«Das Problem: Das Angebot an Blüten wächst nicht im gleichen Tempo wie die Zahl der Honigbienenstöcke.» Forschende der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL haben deshalb darauf hingewiesen, dass es zunehmend zu Nahrungskonkurrenz kommt.
Auf Landwirtschaftsbetrieben darf die Imkerei bleiben
Daher hat die Stadt Zürich beschlossen, die Honigbienenhaltung nicht aktiv zu fördern, um die kleineren und bedrohten Wildbienenbestände nicht weiter zu schwächen.
Verbote gebe es aber nicht: «Auf privaten Grundstücken bleibt Imkerei weiterhin möglich. Auch auf den landwirtschaftlichen Pachtbetrieben der Stadt darf sie bleiben, weil sie dort Teil der Tradition und eine Einkommensquelle ist», führt Tanja Huber aus.
Anders sei es in der Stadt, wo die Imkerei oft ein Hobby ist und erst in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat.
Dachverband findet Studie wissenschaftlich unhaltbar
«Wie jede Grundeigentümerin auch, hat die Stadt Zürich das Recht, Bienenhaltung zuzulassen oder auch nicht», sagt Mathias Götti, Präsident von apisuisse, des Dachverbandes der Schweizer Imkerinnen und Imker, auf Anfrage dazu. «Wenn eine Stadt wie Zürich das macht, hat das aber natürlich eine Botschaft. Uns liegt viel an einem konstruktiven Dialog.» «Harte» Massnahmen könnten diesen behindern und zudem sei es für einschneidende Regelungen zentral, dass diese auf belastbaren Fakten beruhten. Er bezeichnet die oben erwähnte Studie der WSL als wissenschaftlich unhaltbar. Diese sei aber in der Öffentlichkeit aufgenommen worden.
«Fakt ist, dass das Grundproblem aller bestäubenden Insekten, aber insbesondere der Wildbienen, die fehlenden Nistgelegenheiten und das knappe Nahrungsangebot ist. An ganz bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten können wir nicht gänzlich ausschliessen, dass es Nahrungskonkurrenz gibt», so Götti.

Konstruktive Wege finden, ist das Ziel
Aber aktuell fehle das Wissen dazu, an welchen konkreten Orten und zu welchen Zeiten dies genau sei. Um diesbezüglich mehr Erkenntnisse zu gewinnen und insbesondere auch um konstruktive Wege zu finden, ist apisuisse mit verschiedensten Akteuren und Forschungseinrichtungen in Kontakt.
Fehlende Nistplätze und zu wenigen Blüten sind das grössere Problem
Sabine Huber bestätigt, dass Wildbienen nicht nur die Honigbienen als Problem hätten. Viel wichtiger sind, wie auch Mathias Götti sagt, fehlende Nistplätze und zu wenige Blüten. Dies zeige auch die 2023 erneuerte Rote Liste der Bienen des Bundesamts für Umwelt.
Wildbienen vor zusätzlichem Druck schützen
«Doch wenn in einer Gegend sehr viele Honigbienen unterwegs sind, wird die Nahrung knapp, und die Wildbienen verlieren fast immer. Honigbienen sind schneller, flexibler und können weiter fliegen», argumentiert Sabine Huber. «Die Wildbienen dagegen leben gefährlich: Sie sind spezialisiert, bleiben nah am Nest und sind daher viel verletzlicher. Gerade weil viele ihrer Arten schon abnehmen, ist es entscheidend, sie vor zusätzlichem Druck zu schützen.»
Mit Bienenhaltung die Welt retten ist ein Trugschluss
Mathias Götti spricht trotzdem über den Imkerboom, welchen es in Schweizer Städten gab: «Dass wir jetzt diese Diskussionen haben, hat durchaus damit zu tun, dass viele Leute meinten, mit Bienenhalten würden sie die Welt retten.»
Besser den eigenen Garten umgestalten
Wer etwas Sinnvolles für die Bienen machen will, sollte hingegen besser den eigenen Garten anders gestalten. «Und wer keinen eigenen Garten hat, kann sich am Blühflächenprogramm von BienenSchweiz mit einer Spende beteiligen», ergänzt Götti.
Wie viele Bienenvölker und Imker oder Imkerinnen es in den Schweizer Städten genau gibt, darüber gibt es keine Zahlen. «Entsprechend unverständlich ist es, wenn ohne sinnvolle Daten prophylaktisch Verbote erlassen werden», sagt Götti. Imkerinnen und Imker seien Botschafter oder Botschafterinnen für Bienen und setzten sich für mehr Lebensräume ein. «Es wäre viel zielführender, gemeinsame Stossrichtungen zu suchen an Stelle eines Grabens zu schüren.»

Lehr- und Leihbienenstand in der Stadt Bern
Einen anderen Ansatz gibt es in Bern. Die Imkerinnen und Imker der Stadt Bern und Umgebung bieten Lehr- und Leihbienenstände an.
Wegen des Insektensterbens und des gestiegenen Umweltbewusstseins in der Bevölkerung liege die Bienenhaltung in einer Stadt wie Bern ganz besonders im Trend, ist auf der dazugehörigen Website zu lesen.
In Bern sei die Bienendichte mit über 12 Völkern pro Quadratkilometer sehr hoch. Die Futterkonkurrenz unter den Honigbienen – aber gleichermassen zwischen Honig- und Wildbienen – sei kritisch und die Seuchengefahr gross. «Deshalb ist der Lehr und Leihbienenstand in der Stadt sehr sinnvoll», schreiben die Initianten der Idee. Aktuell gibt es im Kanton Bern zehn Lehrbienenstände.
Die Ziele sind: Nachhaltig Imkern lernen, Biodiversität fördern und Infrastruktur gemeinsam nutzen.
«Wir finden das ein tolles proaktives Beispiel», sagt Mathias Götti dazu.

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