Weniger Kontrollen, weniger Papierkrieg

Ein neuer Aktionsplan des Bundes will die Vielzahl an Kontrollen auf Landwirtschaftsbetrieben besser koordinieren und reduzieren. Ziel ist: Nur noch eine Kontrolle pro Betrieb und Jahr. Dafür ziehen öffentlich-rechtliche wie private Organisationen erstmals an einem Strang.
Zuletzt aktualisiert am 4. September 2025
von Renate Hodel
5 Minuten Lesedauer
Agrarpolitik Aktionsplan Kontrollen Landwirtschaft Bundesrat Guy Parmelin Und Alle Unterzeichnenden Rho
Bundesrat Guy Parmelin und 17 Organisationen und Bundesämter haben heute den Aktionsplan «Kontrollen auf Landwirtschaftsbetrieben» gemeinsam unterschrieben. (rho)

Landwirtinnen und Landwirte in der Schweiz kennen es nur zu gut: Kaum ist eine Kontrolle abgeschlossen, steht die nächste vor der Tür. Tierschutz, Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit, Direktzahlungen, Vorgaben von Labels – jede dieser Anforderungen bringt eigene Kontrollen mit sich. Die Folge: hoher Zeitaufwand, viel Bürokratie, Stress. Nun will der Bund diesen Kontrolldschungel lichten.

Am 4. September 2025 wurde in Bern ein Aktionsplan unterzeichnet, der genau das zum Ziel hat: Pro Betrieb und Jahr soll künftig höchstens eine Grund- oder Standardkontrolle durchgeführt werden. Dies betrifft sowohl staatliche wie auch private Kontrollen – etwa durch Bio Suisse, IP-Suisse oder SwissGAP. Insgesamt rund 17 Organisationen und Bundesämter haben sich mit ihrer Unterschrift dazu bekannt, das System zu vereinfachen.

«Ich erwarte von allen, die diesen Aktionsplan unterschreiben, dass sie sich persönlich dafür einsetzen, dass die Massnahmen auch wirklich umgesetzt werden – sonst bringt das Ganze nichts.»
Guy Parmelin
Bundesrat und Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung

«Ein erster wichtiger Schritt»

Für Christian Hofer, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft, ist der Aktionsplan «ein erster wichtiger Schritt zur administrativen Entlastung der Landwirtschaftsbetriebe». Bisher würden viele Betriebe mehrfach im Jahr kontrolliert – und das teils zu denselben Themen, aber von verschiedenen Stellen. «Es gibt keine abgestimmten Kontrollfrequenzen, keine standardisierten Kontrollpunkte und kaum Koordination zwischen den Akteuren», sagte Christian Hofer am Hintergrundgespräch am Vortag der Unterzeichnung. Das Resultat: unnötige Belastung.

Der neue Plan will diese Schwächen systematisch angehen. Er umfasst rund 60 Massnahmen in vier Bereichen: Kontrollintervalle, Koordination und Kombination, Kontrollpunkte und Checklisten, Datenaustausch und Digitalisierung.

  • Bundesrat Guy Parmelin unterschreibt als letzter den Aktionsplan «Kontrollen auf Landwirtschaftsbetrieben». (rho)
    Bild herunterladen
  • Bundesrat Guy Parmelin und die mitunterzeichnenden 17 Organisationen und Bundesämter stellen sich danach den Fragen der Medien. (rho)
    Bild herunterladen

Was ändert sich konkret für die Landwirtschaft?

Für die Betriebe bedeutet der neue Aktionsplan: weniger Kontrollen, mehr Planungssicherheit – und digitale Entlastung:

  • Nur eine Standardkontrolle pro Jahr soll künftig genügen – ausser es gibt Auffälligkeiten oder gesetzliche Gründe für zusätzliche risikobasierte Kontrollen.
  • Organisationen wie IP-Suisse und Bio Suisse wollen ihre jährlichen Kontrollen künftig risikobasiert gestalten. Gut geführte Betriebe könnten so länger zwischen den Kontrollen haben. «Das ist ein Paradigmenwechsel», sagte Bernard Belk, Vizedirektor des Bundesamts für Landwirtschaft.
  • Auch Verwaltungskontrollen statt physischer Betriebskontrollen sollen vermehrt eingesetzt werden – vor allem dort, wo die Datenlage dies zulässt.
  • Mit einer neuen Webplattform sollen alle Kontrollpunkte pro Betrieb künftig transparent abrufbar sein.
  • Der Datenaustausch zwischen verschiedenen Stellen soll vereinfacht werden – über die Plattform agridata.ch. Voraussetzung: Die Landwirtinnen und Landwirte geben ihre Zustimmung zur Datenfreigabe.

Doch auch das ist klar: «Wenn die Landwirtinnen und Landwirte ihre Daten nicht freigeben wollen, müssen sie mit mehrfachem Kontrollaufwand rechnen», erklärte Christian Hofer.

«Wir wollen verhindern, dass das hier einfach ein Papier bleibt ohne Folgen – deshalb wird es ein Monitoring geben, und ich erwarte konkrete Resultate.»
Guy Parmelin
Bundesrat und Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung

Auch die Organisationen sind gefordert

Neu ist nicht nur das Ziel, sondern auch der Weg dorthin: «Es ist wirklich das erste Mal gelungen, dass man auch die privaten Organisationen mit an den Tisch nahm», betonte Christian Hofer. «Und dass auch sie sich hier verpflichten, eine Reduktion ihres Kontrollwesens und eine Vereinfachung verbindlich zuzusagen», ergänzt er.

Das betrifft unter anderem:

  • IP-Suisse, die Tierhaltungskontrollen künftig risikobasiert durchführen möchte
  • Bio Suisse, die prüft, wo künftig auch Bürokontrollen statt Betriebskontrollen möglich wären
  • SwissGAP, die Checklisten vereinfacht und Redundanzen abbaut
  • Mutterkuh Schweiz, die das Kontrollintervall auf vier Jahre ausdehnen will
«Das ist nur der Anfang – die Politik wird in der Agrarpolitik 2030+ weitere Vereinfachungen bringen müssen.»
Guy Parmelin
Bundesrat und Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung

Vertrauen erhalten – trotz Reduktion

Auch wenn es künftig weniger Kontrollen geben soll, betont der Bund: Die Glaubwürdigkeit des Systems bleibt zentral. «Es geht hier nicht um eine solche Verdünnung, dass man dem Kontrollwesen nicht mehr glaubt», sagte Christian Hofer. Vielmehr soll das System effizienter, digitaler und fairer werden.

Die vielen Kontrollen in der Schweizer Landwirtschaft dienen auch dem Verbraucherschutz – sie stellen sicher, dass gesetzliche Vorgaben und Labelversprechen eingehalten werden. Die Vereinfachung des Kontrollsystems soll diesen Schutz nicht schwächen, sondern effizienter gestalten.

«Es gibt viel Doppelspurigkeit, und es geht ja primär darum, diese aus dem Weg zu räumen», so Christian Hofer. Der Detailhandel, der ebenfalls am runden Tisch vertreten war, habe deutlich gemacht: Die Glaubwürdigkeit gegenüber den Konsumentinnen und Konsumenten bleibe auch mit diesem neuen System gewährleistet.

Mit dem Aktionsplan ist ein bedeutender Schritt getan. Doch die Umsetzung wird Zeit brauchen. Manche Betriebe werden die Entlastung rascher spüren, bei anderen dauert es länger. «Aber sobald der Austausch der Daten funktioniert und auf bereits erfolgte Kontrollen zurückgegriffen werden kann, wird sich die Wirkung entfalten», so Christian Hofer.

Drei Etappen bis zur Vereinfachung

Der Aktionsplan ist Teil eines grösseren Entlastungsprojekts, das in drei Etappen umgesetzt wird:

  1. 2025 und 2026: Umsetzung des Aktionsplans mit den rund 60 Massnahmen
  2. Ab 2027: Ein Verordnungspaket soll zusätzliche Vereinfachungen bei den Direktzahlungen bringen
  3. Ab 2030: Im Rahmen der neuen Agrarpolitik 30+ wird eine tiefere Vereinfachung der agrarpolitischen Instrumente angestrebt