Süsskartoffeln vom Biohof Zaugg – ein «Future Food» aus Iffwil

Süsskartoffeln sind hitzetolerant und gedeihen auch auf kargen Böden. Etwa die Hälfte der süssen Wurzeln im Handel stammen aus Schweizer Anbau – unter anderem vom Biohof Zaugg.
Zuletzt aktualisiert am 11. November 2025
von Elin Wittwer
5 Minuten Lesedauer
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Ungefähr 90 verschiedene Gemüsesorten, Heidelbeeren, Fruchtaufstriche, Eingemachtes, Rohmilchprodukte, Holzofenbrot aus eigenem Getreide und vieles mehr bietet der Biohof Zaugg an seinen Märitständen an. Und eben auch: Süsskartoffeln.

Seit einigen Jahren wächst die süsse Wurzel auf dem Biohof Zaugg in Iffwil BE. Der Betriebsleiter Philipp Zaugg ist einer, der gerne ausprobiert und startete so mit dem Versuch des Süsskartoffelanbaus.

Süsskartoffel als «Future Food»

Süsskartoffeln kommen ursprünglich aus Zentral- und Südamerika und werden dort schon seit mehreren Jahrtausenden kultiviert. Die Süsskartoffel (Ipomoea batatas) gehört zur Familie der Windengewächse, die Kartoffel hingegen zählt zur Familie der Nachtschattengewächse. Somit sind Süsskartoffel und Kartoffel nur entfernt miteinander verwandt. Auch sonst ist die Süsskartoffel mit keiner anderen in der Schweiz angebauten Art verwandt, weshalb sie sich optimal in die Fruchtfolge integrieren lässt.

Auf der Webseite der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF wird die Süsskartoffel als «Future Food» aufgeführt. Süsskartoffeln sind hitzetoleranter als Kartoffeln, kommen besser mit kargen Böden zurecht und können demnach besser mit den Herausforderungen der Klimaerwärmung umgehen.

Süsskartoffeln haben einen hohen Gehalt an Betacarotin, die Knolle ist reich an Kalium, Vitaminen B6 und C, Kupfer und Mangan und ist fettarm. Ihre Süsse erhalten sie durch ihren hohen Zuckergehalt, der 4,2 Gramm pro 100 Gramm beträgt. Zum Vergleich: Eine rohe Kartoffel weist einen Zuckergehalt von 0,7 % auf.

Seit mehr als zehn Jahren bauen einzelne Betriebe auch in der Schweiz Süsskartoffeln an, wobei sich Fläche seit 2017 verdreifacht hat. 2014 lancierte Agroscope, das Kompetenzzentrum des Bundes für die Forschung in der Land- und Ernährungswirtschaft, ein Forschungsprogramm zum Anbau der Süsskartoffeln und dessen Herausforderungen.

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Besonders geeignet für biologischen Anbau

«Wir haben die Wirksamkeit verschiedener Techniken zur Akklimatisierung der Süsskartoffel in der Schweiz analysiert, hauptsächlich durch verschiedene Mulcharten und Schutzfolien», erklärt Agroscope-Projektleiter Brice Dupuis. «Das Ziel ist immer, die Pflanzen vor den niedrigen Temperaturen im Frühjahr während der Pflanzung zu schützen.» Als am wirksamsten habe sich eine biologisch abbaubare Plastikmulchdecke erwiesen. Zudem seien zwischen fünf untersuchten Sorten deutliche Unterschiede hinsichtlich des Ernteertrags festgestellt worden.

«In der Schweiz kommen nur wenige Krankheiten und Schädlinge vor – lediglich Fäulnis verursachende Bakterien –, sodass sich diese Kultur besonders für den biologischen Anbau eignet», führt Brice Dupuis weiter aus.

«Das grösste Problem bleibt die Konkurrenz durch importierte Süsskartoffeln, die manchmal für nur 2,50 Franken pro Kilogramm verkauft werden, was den Markt für Schweizer Süsskartoffeln einschränkt.» Süsskartoffeln im grossen Stil anzubauen, werde aber auch durch die schwierige Mechanisierung der Pflanzung, Ernte und Lagerung vor Herausforderungen gestellt. «Gemüsegärtnerinnen und -gärtner sind hingegen besser dafür ausgerüstet», meint Brice Dupuis.

Das multidisziplinäre Forschungsprogramm musste mangels Finanzierung nach vier Jahren eingestellt werden. Sollte die Forschung weitergeführt werden, sieht Brice Dupuis das Thema Unkrautbekämpfung besonders für den biologischen Anbau als relevant: «Die Kultur der Süsskartoffel bedeckt zwar gut den Boden, braucht aber Zeit, um sich zu etablieren, und ist daher gegenüber Unkraut wenig konkurrenzfähig.»

Viel Handarbeit

Auf dem Biohof Zaugg wurden Ende April dieses Jahres Dämme geformt und Anfang Mai eine dicke Schicht Mulch aus Gründüngung auf dem Acker verteilt. Mitte Mai wurden 6074 Setzlinge der Sorte Indo Sweet und 960 Setzlinge der Sorte Sugar Root Chestnut von Hand in Mulch gepflanzt.

Nach ungefähr 24 Wochen sind die Süsskartoffeln Ende Oktober bereit zur Ernte. Wie das Pflanzen und Jäten bedeutet auch die Ernte viel Handarbeit: Mit einem Schüttelgraber werden die Süsskartoffeln an die Oberfläche gebracht und danach von Hand eingesammelt. Die einzelnen Süsskartoffeln sind sehr unterschiedlich in Grösse und Form, weshalb sich herkömmliche Erntemaschinen wie beispielsweise Kartoffelroder nicht eignen. Hochgerechnet erntete der Biohof Zaugg in den letzten Jahren 30 bis 60 Tonnen Süsskartoffeln pro Hektare, der Ertrag schwankt ja nach Wetterverhältnissen von Jahr zu Jahr.

Der Biohof Zaugg machte bis jetzt sehr gute Erfahrungen im Anbau von Süsskartoffeln. Beim Anbau ohne Pflanzenschutzmittel gab es dieses Jahr nur in einer Ecke des Feldes eine Invasion von Schnecken, wobei ganze Süsskartoffeln voll mit Schnecken und deren Eiern gewesen seien.

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Mit dem Schüttelgraber werden die Süsskartoffeln an die Oberfläche gebracht. Dann müssen die Wurzeln von Hand eingesammelt werden. (zVg)

Biohof Zaugg, Iffwil BE

Der Bio Suisse und Demeter zertifizierte Betrieb bewirtschaftet rund zehn Hektaren Fläche in Iffwil und weitere Flächen in Pacht in Uettligen und Diemerswil. Auf dem ebenfalls zum Biohof gehörenden Betrieb Wegmatte in Diemerswil sind rund 25 Milchkühe zuhause. So stellt der Biohof Zaugg verschiedenste Rohmilchprodukte aus eigener Milch her.

Der Biohof beschäftigt 40 Personen in Voll- und Teilzeitstellen. Betriebsleiter und zuständig für Freiland-Gemüsebau, Ackerbau und das Lohnunternehmen ist Philipp Zaugg, seine Eltern bauten den Betrieb vor rund 40 Jahren auf. Philipp Zauggs Partnerin Martina Schlup ist verantwortlich für Tierhaltung, Futterbau und Ackerbau in Diemerswil.

Der Biohof Zaugg arbeitet mit verschiedenen Handelspartnern wie Bio Partner Schweiz, Horai und Gebana zusammen. Zudem betreut der Biohof Zaugg jede Woche fünf Märitstände, liefert an diverse Restaurants und Läden in der Region Bern und ist Teil des regionalen vertragslandwirtschaftlichen Vereins Soliterre. Für Soliterre werden ganzjährig rund 220 Taschen pro Woche befüllt und ausgeliefert.

Warm-feuchtes Klima

Entscheidend beim Süsskartoffelanbau ist die Lagerung: Süsskartoffeln sind Windengewächse und beim Entfernen der Blätter während der Ernte entstehen kleine Narben. Deswegen werden die geernteten Süsskartoffeln während einer Woche in einem lichtlosen Raum bei 30 Grad Celsius gelagert, wobei die Luftfeuchtigkeit über 90 Prozent beträgt. Jeden Morgen werden sie zusätzlich mit Wasser bespritzt.

Bei diesem Nachreifeprozess, auch Curing genannt, vernarben kleine Wunden in der Schale der Süsskartoffeln, was die Lagerfähigkeit verbessert und verhindert, dass sich an diesen Stellen Fäulnis bildet. Zudem macht dieser Nachreifeprozess das Wurzelgemüse aromatischer.

Sobald sie vernarbt sind, kommen die Süsskartoffeln in Paloxen und werden an einem trockenen, kühlen Ort um 20 Grad Celsius gelagert. Der Strom für alle Kühllager wird durch die Solarpanels auf den Dächern des Betriebs produziert. Durch die gute Lagerung konnte der Betrieb noch bis im März Süsskartoffeln der letztjährigen Ernte verkaufen.

Schweizer Süsskartoffeln allein könnten Nachfrage nicht abdecken

Auch im Grosshandel sind Schweizer Süsskartoffeln angekommen. «Süsskartoffeln aus der Schweiz sind ein wichtiger und stabiler Sortimentsbestandteil bei Coop», bestätigt Mediensprecher Thomas Ditzler. Seit rund 12 Jahren führt Coop Schweizer Süsskartoffeln im Sortiment: «Je nach Erntemenge führen wir Schweizer Süsskartoffeln annähernd ganzjährig». Da die Schweizer Produktion die Nachfrage bei frischen Süsskartoffeln etwa zur Hälfte decken kann, sind auch importierte Süsskartoffeln im Laden zu finden.

«Generell stellen wir bei unseren Kundinnen und Kunden in den vergangenen Jahren ein starkes Wachstum in der Nachfrage nach Süsskartoffeln fest», führt Thomas Ditzler weiter aus. So werde davon ausgegangen, dass die Nachfrage nach Schweizer Süsskartoffeln bestehen bleibe.

Seit einigen Jahren bietet auch die Migros Schweizer Süsskartoffeln an. «Der genaue Zeitpunkt, ab dem die Süsskartoffeln verfügbar sind, kann je nach Region und Ernte variieren», berichtet Tristan Cerf, Mediensprecher der Migros. «Wenn Süsskartoffeln in der Schweiz Saison haben und die nationale Produktion ausreichend Ware liefert, bezieht die Migros ihre Produkte aus der Schweiz», erläutert er. Wie Coop setzt auch Migros teilweise auf importierte Süsskartoffeln, um die Nachfrage zu decken.

In den letzten Jahren sei die Nachfrage nach Süsskartoffeln kontinuierlich gestiegen. «Schweizer Süsskartoffeln sind besonders gefragt, da viele Kundinnen und Kunden regionale Produkte bevorzugen», meint Tristan Cerf. «Generell schätzen wir, dass die Nachfrage nach Süsskartoffeln weiter steigen wird und dass Potenzial für Schweizer Süsskartoffeln vorhanden ist.»

«Dialog fehlt oftmals, obwohl das wichtig wäre»

Bevor die Süsskartoffeln des Biohof Zaugg in den Handel gelangen oder in einer Gemüsetasche landen, werden sie etwas gerüstet. «Das Abrüsten von ‹unschönen› Stellen steigert die Toleranz der Kundschaft», erklärt Sarah vom Biohof Zaugg und zeigt eine Süsskartoffel mit einem grob vernarbten Kopf.

Auf dem Märit lasse sich erklären, warum genau diese Süsskartoffel so aussieht, die Qualität des Gemüses dadurch aber nicht beeinflusst werde. Im Laden findet diese Art der Kommunikation aber nicht statt: «Der Dialog fehlt oftmals, obwohl das so wichtig wäre», meint Sarah. Das vermittle ein völlig falsches Bild: «Die Endkonsumentinnen und -konsumenten wissen oftmals gar nicht, dass der Handel bestimmt, wie ein Lauch oder ein Rüebli auszusehen hat oder wie gross ein Sellerie sein muss.»

Mit dem breiten Vertriebsnetz des Biohofs lassen sich diese verschiedenen Anforderungen besser ausgleichen. «Beim Bio-Lebensmittel-Abo Soliterre spielt die Grösse beispielsweise keine Rolle», erklärt Sarah. «Auch auf dem Märit ist eine ganz andere Kundschaft anzutreffen: Dort finden Kinder die krummen und mehrbeinigen Rüebli toll.»