Schweizer Nassreis: Erfolgreiche Nischenkultur oder zu viele Hürden?

Nutzung bestehender Flächen, Förderung der regionalen Wertschöpfung und der Biodiversität: Der Nassreisanbau in der Schweiz ist erfolgreich und bietet viele Vorteile, kämpft aber gleichzeitig mit Herausforderungen. Ist die anfängliche Euphorie vorbei?
Zuletzt aktualisiert am 8. Oktober 2025
von Elin Wittwer
7 Minuten Lesedauer
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Auf 14 Landwirtschaftsbetrieben in der Schweiz wird Reis angebaut, 2024 wurden schätzungsweise rund 240 Tonnen Reis geerntet. Während im Tessin Trockenreis angepflanzt wird, bauen die 13 Betriebe nördlich der Alpen Nassreis an. Der Anbau von Nassreis wird von Agroscope, dem landwirtschaftlichen Forschungsinstitut des Bundes, unterstützt.

Forschung und Betriebe schauen nun auf sechs Jahre Erfahrung im Schweizer Nassreisanbau zurück. Dieser weist viele gewinnbringende Aspekte auf, wird aber auch vor einige nicht zu unterschätzende Herausforderungen gestellt.

Ein Betrieb teilt auf Anfrage mit, aus verschiedenen Gründen mit dem Reisanbau dieses Jahr zu pausieren und zu prüfen, ob sich der Anbau weiterhin lohne. Auch die IG Nassreis ist im Begriff sich aufzulösen, wie sie auf Anfrage verlauten liess. Grund dafür sei mangelnder Bedarf und Nutzen sowie fehlendes Engagement seitens Mitglieder.

«Optimierungspotenzial bei Anbautechnik, Sortenwahl und Düngepraxis»

«Das Projekt entstand aus der Suche nach nachhaltigen Alternativen für landwirtschaftliche Flächen in den zunehmend vernässten Gebieten des Schweizer Mittellandes. Alternde Drainagesysteme führen dazu, dass Böden vernässen. Um diese Flächen weiterhin landwirtschaftlich nutzen zu können, wurde seit 2017 der Nassreisanbau als neue Kultur in der Schweiz erprobt», erklärt Yvonne Fabian, Leiterin des Projekts «Ökologischer Nassreis-Anbau» von Agroscope.

Der Schweizer Nassreisanbau zeigt sich in mehreren Hinsichten gewinnbringend: Die Nutzung der vernässten Flächen und die daraus entstehende Biodiversitätsförderung, der pestizidfreie Anbau und die Stärkung der regionalen Wertschöpfung nennt Yvonne Fabian als grösste Vorteile des Reisanbaus.

Trotz der positiven Erfahrungen im Schweizer Anbau meint Yvonne Fabian: «Schweizer Nassreis bleibt aber aufgrund kleiner Flächen und höherer Preise eine Nische». Ein Marktpotenzial sei aber dennoch vorhanden und es bestehe ein wachsendes Interesse an lokal produziertem Reis. Der Absatzmarkt setze sich bisher aus Direktvermarktung, Hofläden und regionaler Gastronomie zusammen.

Als Hindernisse im Anbau nennt die Agroscope-Projektleiterin den hohen Arbeits- und Investitionsaufwand wie beispielsweise die manuelle Unkrautbeseitigung oder das Bewässerungssystem. Die begrenzten Erfahrungen im Anbau in nördlicheren Klimazonen führten auch zu Ertragsunsicherheiten, ergänzt Yvonne Fabian.

«Optimierungspotenzial liegt vor allem in der Anbautechnik, der Sortenwahl und der Düngepraxis», erklärt Yvonne Fabian. Eine Optimierung der Fruchtfolge zur Unkrautunterdrückung und der Suche nach weiteren kälteresistenten Sorten seien im Fokus der weiteren Forschung. Zudem werden Untersuchungen der Treibhausgasemissionen in gefluteten mineralischen und organischen Böden sowie Untersuchungen zu Biodiversitätsförderung und Unkrautunterdrückung entlang der Feldränder durchgeführt, führt Yvonne Fabian aus.

«Unkrautmanagement ist mit viel Präzision und Handarbeit verbunden»

Seit 2019 bauen die Brüder Léandre und Maxime Guillod in Zusammenarbeit mit Agroscope Nassreis an. Ihre Felder liegen am Vully und in Kappelen, den Reis vermarkten sie als «Riz du Vully» respektive «Aare Riis».

Léandre Guillod ist überzeugt vom Nassreisanbau: «Es vereint eine wirtschaftlich interessante Nischenkultur und die Biodiversitätsförderung auf der gleichen Fläche, was einzigartig ist».

Jedoch sei insbesondere die Kälte bei gewissen Stadien sehr kritisch, beispielsweise bei der Pflanzung Ende Mai und der Blüte im August. Anpassung des Standorts oder der Pflanztechnik sowie der Anbau verschiedener Sorten könne hier Abhilfe schaffen. «Unkrautmanagement – bei der Hühnerhirse oder Wasserpflanzen – ist eine grosse technische Herausforderung und mit viel Präzision und Handarbeit verbunden, da wir pestizidfrei arbeiten», ergänzt Léandre Guillod.

«Nach der Pflanzung waren die Temperaturen nicht so hoch und die Setzlinge haben mehr Zeit gebraucht, um sich in der Schlammschicht zu verankern. Mit einigen windigen Tagen haben wir je nach Feld ungefähr 20 Prozent der Setzlinge verloren, da sie weggeschwommen sind. Im Juli hatten wir zwei kühle Wochen, was die Blüte verzögert hat. Unsere späteren Sorten haben dann erste Mitte August angefangen zu blühen – genau, als die Temperaturen wieder gesunken sind», berichtet Léandre Guillod vom diesjährigen Anbau. In diesen Sorten seien viele leere Körner, die nicht befruchten wurden, weshalb er momentan ungefähr 60 Prozent einer optimalen Ernte erwarte. Solche Ernteausfälle seien aber auch bei anderen Kulturen nichts Ungewöhnliches und passierten alle zwei bis drei Jahre.

Nichtsdestotrotz zieht Léandre Guillod in Bezug auf den bisherigen Reisanbau eine sehr positive Bilanz. «Es ist zwar eine grosse technische Herausforderung und wir haben viel Zeit, Energie und Geld in dieses Projekt investiert. Trotzdem sind wir froh, dieses Risiko genommen zu haben», meint er. Die Nachfrage sei da und die Kundschaft bereit, dafür zu zahlen.

Ein Nischenprodukt werde es wohl bleiben, schätzt Léandre Guillod. «Da wir alles selbst auf dem Betrieb machen, haben wir auch nicht vor, viel mehr Reis zu produzieren. Wir sind so zufrieden und haben vor allem sehr viel Freude an diesem neuen Betriebszweig», meint Léandre Guillod.

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«Reisfelder dienen als Ersatzlebensraum für Amphibien, Libellen und andere feuchteliebende Tierarten», erklärt Yvonne Fabian von Agroscope. Im Bild ein Nassreisfeld am Vully. (jin)

«Interesse für das Produkt ist gross und generiert Publicity»

Bei der Max Schwarz AG im aargauischen Villigen laufen bereits seit 2011 Versuche, Reis in der Region anzubauen. «2019 wurde der Reis erstmals in einem gefluteten Feld angebaut, womit der Anbau auch zum ersten Mal erfolgreich war, und eine ansprechende Ernte eingefahren werden konnte», erzählt Daniel Amgarten, verantwortlich für Qualitäts- und Projektmanagement.

«Mit dem Reis soll eine spannende Nischenkultur in die Fruchtfolge integriert werden und ein innovatives Produkt auf den Markt gebracht werden», führt Daniel Amgarten aus.

Die Bilanz des Nassreisanbaus sei aus seiner Sicht durchzogen: «Anbauerfolge wechseln sich mit Ausfällen durch kühles Wetter oder zu hohem Unkrautdruck ab. Aus finanzieller Sicht sind wir noch nicht auf der Erfolgsspur, aber das Interesse für das Produkt ist gross und generiert Publicity.»

Der hohe Aufwand im Anbau und der Verarbeitung von kleinen Mengen führe, verglichen mit ausländischem Reis, zu höheren Preisen. «Reis ist nicht wie viele andere landwirtschaftliche Produkte durch Importzölle geschützt. Aus meiner Sicht ist die Zielgruppe für Schweizer Reis dadurch stark eingeschränkt. Um grosse Mengen auf dem Markt absetzen zu können, müssten die Produktionskosten deutlich gesenkt werden können, was ich als wenig realistisch erachte.»

Anbautechnik, Unkrautbekämpfung und gutes Wassermanagement sind laut Daniel Amgarten zentrale Faktoren für einen erfolgreichen Nassreisanbau. «Es hat sich bei uns gezeigt, dass ein Anbau über mehrere Jahre auf dem gleichen Feld Schwierigkeiten mit sich bringt und sich gewisse hartnäckige Unkrautarten zunehmend etablieren. Deshalb haben wir im letzten Jahr ein zweites Feld angelegt und auf dem ursprünglichen Feld den Anbau pausiert.»

Dank des geringen Unkrautdrucks dieses Jahres rechnet die Max Schwarz AG mit einer guten Ernte. Daniel Amgarten schätzt den Ertrag auf 4 bis 5 Tonnen pro Hektare unverarbeitetem Rohreis. Zum Vergleich: der durchschnittliche Ertrag von Weizen lag über die letzten 10 Jahre bei rund 5 Tonnen pro Hektare, beim Dinkel bei knapp 4 Tonnen pro Hektare.

«Voraussetzungen für grossflächigen Anbau sind nicht gegeben»

Beim Nassreisanbau ist auch der Landwirtschaftsbetrieb der Justizvollzugsanstalt (JVA) Witzwil im Berner Seeland dabei. Angefragt von der BFH-HAFL als einer der Pilotbetriebe starteten sie 2019 mit dem Nassreisanbau.

Die Möglichkeit des Anbaus auf dauervernässten Böden sowie der klare ökologische Mehrwert sieht Johannes Knöpfle, stellvertretender Leiter Landwirtschaft der JVA Witzwil, als grösste Vorteile des Nassreisanbaus. Auch der Fakt, dass es ein Nischenprodukt ist, sieht er als gewinnbringend. Zudem funktioniere die Selbstvermarktung sehr gut.

«Ein Hindernis ist die Setzlingsanzucht. Diese benötigt viel Platz oder man lässt es extern machen, was teuer ist. Des Weiteren ist die Unkrautproblematik nicht zu unterschätzen. Ein letzter Punkt ist die Wasserversorgung, die geregelt sein muss», meint Johannes Knöpfle.

Den Erwartungen von Johannes Knöpfle entsprechend konnten dieses Jahr in Witzwil 4,7 Tonnen Rohreis pro Hektare geerntet werden.

Johannes Knöpfle sieht Schweizer Nassreis auch zukünftig als Nischenprodukt: «Weil ganz einfach die Voraussetzungen für den grossflächigen Anbau nicht gegeben sind, wie beispielsweise die richtigen Böden, die Wasserversorgung oder die Technik.»

Produzierende und Forschung bleiben positiv

Obwohl der Nassreisanbau einige Herausforderungen mit sich bringt, zeigen sich viele Produzierende motiviert, die Nischenkultur weiter anzubauen. Auch die Forschung zeigt sich zufrieden: Das sich Nassreis in der Schweiz erfolgreich anbauen und vermarkten lässt, ist laut Yvonne Fabian eine der grössten Erkenntnisse der bisherigen Forschungen. «Die Anbauflächen haben seit Projektstart langsam, aber stetig zugenommen. Reisfelder bieten ökologische Vorteile und unsere Untersuchungen zeigen, dass sich mit angepasstem Management auch gute Erträge erzielen lassen.»