Kuh und Klima: Zwischen Klimaziel und Kreislaufdenken

Die Kuh gilt für die einen als Klimasünderin, für andere als unverzichtbare Partnerin natürlicher Kreisläufe. Bei einem Medienanlass von Bio Suisse und dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL in Frick wurde deutlich: Eine klimaverträgliche Zukunft der Tierhaltung hängt nicht allein an Methanwerten, sondern am Systemverständnis.
Zuletzt aktualisiert am 30. Oktober 2025
von Renate Hodel
4 Minuten Lesedauer
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Am Medienanlass «Kuh und Klima» in Frick referierten unter anderem Florian Leiber vom FiBL, Landwirt Simon Schönholzer und Jasmin Hufschmid von Bio Suisse. (rho)

«Das Thema ist so komplex wie widersprüchlich», sagte Florian Leiber vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL. Im Zentrum stehe ein Nachhaltigkeitsdilemma: Einerseits das Ziel von Netto Null, also die Reduktion der Treibhausgasemissionen – vor allem Methan –, und andererseits das Prinzip «Feed no Food», nach dem Tiere möglichst nur mit Futter ernährt werden sollen, das für Menschen nicht direkt essbar ist, um damit Lebensmittelkonkurrenz zwischen Mensch und Tier zu vermeiden.

Zwischen Netto Null und «Feed no Food»

Beide Ziele seien wissenschaftlich legitim, betonte Florian Leiber, doch sie stünden teilweise im Konflikt: «Wenn wir das Grasland erhalten wollen, das zwei Drittel der landwirtschaftlichen Fläche der Schweiz ausmacht, dann brauchen wir Wiederkäuer.» Ohne Kühe würde Dauergrünland verbuschen, wertvolle Böden gingen verloren. Gleichzeitig sei die Landwirtschaft gefordert, ihre Emissionen zu senken.

Florian Leiber plädiert deshalb für eine ganzheitliche Sicht: Wiederkäuer seien Teil eines biogenen Kohlenstoffkreislaufs, in dem kein fossiler Kohlenstoff freigesetzt werde. «Das Methan aus der Kuh stammt aus Pflanzen, die kurz zuvor CO₂ aus der Luft gebunden haben – es ist ein kleiner, geschlossener Kreislauf», erklärte er. Damit gehört das Methan der Kuh zum sogenannten kleinen Kohlenstoffkreislauf und unterscheidet sich grundlegend von fossilen Emissionen. «Das heisst nicht, dass Methan harmlos ist», so Florian Leiber, «aber es ist kein zusätzliches CO₂, das wir aus der Erde nach oben holen.» Die Fixierung auf das Methan greife deshalb zu kurz: «Wenn wir Kühe nur noch als Emissionsquelle betrachten, verlieren wir aus dem Blick, dass sie zur Ernährungssicherheit, zur Biodiversität und zum Erhalt des Graslands beitragen.»

Die Publikation «Kuh und Klima»

Bio Suisse und das FiBL haben das Faktenblatt «Kuh und Klima – Beiträge der Biolandwirtschaft zu einer nachhaltigeren Milch- und Fleischproduktion» veröffentlicht. Es bündelt wissenschaftliche Erkenntnisse und Praxisbeispiele zu den Klimaeffekten der Wiederkäuerhaltung im Biolandbau und soll eine faktenbasierte Diskussion fördern.

Forschung trifft auf Praxis

Wie sich diese Überlegungen auf einem Betrieb umsetzen lassen, zeigte Landwirt Simon Schönholzer aus Schönholzerswilen im Kanton Thurgau. Auf dem Lobähof wirtschaftet er mit seiner Frau biologisch-dynamisch – und von den 25 Hektaren sind rund 21 Hektaren auch Grünland. «Wir wollen den Betrieb und Boden der nächsten Generation in besserem Zustand übergeben, als wir ihn übernommen haben», sagte er.

Das Paar arbeitet konsequent nach dem Kreislaufprinzip: Der Hofdünger bleibt im Betrieb, Kraftfutter ist praktisch abgeschafft, stattdessen werden Nebenprodukte wie Zuckerrübenschnitzel genutzt. «Damit kann ich den Eiweissüberschuss im Futter ausgleichen und die Futtereffizienz verbessern», erklärte Simon Schönholzer. Rund 95 Prozent des Futters stammen vom eigenen Hof.

Auch bei der Düngung achtet der Landwirt auf Details: Der Mistanteil wurde erhöht, die Gülle wird mit Schleppschlauch ausgebracht, um Emissionen zu reduzieren. Mit dem KLIR-Modell zur Berechnung von Treibhausgasemissionen auf Milchviehbetrieben hat er seine Zahlen überprüft: Mit 874 Gramm Treibhausgas pro Liter Milch liegt er trotz tieferer Milchleistung nahe am Durchschnitt anderer Betriebe – bei deutlich höherer Tiergesundheit und Lebensdauer.

Entscheidend sei zuletzt aber auch, dass es auch wirtschaftlich funktioniere: «Es muss ökologisch, ökonomisch und sozial stimmen», so Simon Schönholzer.

Verantwortung für Ressourcen und Generationen

Sowohl Florian Leiber als auch Simon Schönholzer machten deutlich: Eine nachhaltige Viehhaltung bedeutet mehr als nur Emissionsreduktion. Sie umfasst die Erhaltung fruchtbarer Böden, artgerechte Tierhaltung und regionale Ernährungssicherheit.

So zeigt die Diskussion rund um Kuh und Klima, dass Nachhaltigkeit ein Abwägen zwischen Klimaziel und Kreislaufdenken ist. Weder reine Emissionsreduktion noch romantisierte Weidehaltung allein führen weiter. Entscheidend ist das Gleichgewicht – zwischen Methan und Humus, Produktivität und Tierwohl, wissenschaftlicher Analyse und bäuerlicher Erfahrung.

«Wir dürfen uns nicht von der graslandbasierten Produktion verabschieden, nur um ein eindimensionales Netto-Null-Ziel zu erfüllen», fasste Florian Leiber zusammen. Für Simon Schönholzer ist das nicht Theorie, sondern gelebte Praxis: «Wir wollen Kilokalorien für die menschliche Ernährung produzieren – aber so, dass das System im Gleichgewicht bleibt.»