«Ehrliches» Bottom-up-System führt ins erste klimaneutrale Basiscamp
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Insekten gelten als nachhaltige und eiweissreiche Alternative zu Fleisch. Dennoch landen sie in der Schweiz bisher selten auf dem Teller. Eine neue Studie unter der Leitung der HAFL, der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften der Berner Fachhochschule, zeigt, warum: Nicht Fakten zu Nährwert oder Klimaeffekten entscheiden über das Interesse an Insektenprodukten, sondern vor allem Geschmack, Emotionen – und sogar unbewusste Assoziationen.
Publiziert wurde die Arbeit im Open-Access-Journal «Future Foods». Finanziert wurde sie unter anderem vom Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen eines vietnamesisch-schweizerischen Forschungsprogramms.
«Egal, wie gut die Menschen über Insekten als gesunde, nährstoffreiche und nachhaltige Nahrungsmittel Bescheid wissen, dies allein weckt kaum Interesse», wird Thomas Brunner, Dozent für Konsumentenverhalten an der HAFL, in einer Mitteilung zitiert. Entscheidend seien Erfahrungen: Wer ein Produkt mit Insekten probiert und es als schmackhaft empfindet, zeigt deutlich mehr Bereitschaft, solche Produkte künftig zu essen.
Damit rückt die Studie eine oft unterschätzte Komponente ins Zentrum: Gefühle beim Essen. Ob ein Produkt «Sicherheit» und «Freude» auslöst oder eher «Sorge» und «Ekel», beeinflusst die Offenheit spürbar. Auch die unbewusste Grundhaltung spielt mit – also spontane, automatisch abrufbare Verknüpfungen, die wir selbst nicht immer benennen können.
An der Untersuchung nahmen 188 Studierende und Mitarbeitende einer Schweizer Hochschule teil – mit einem Durchschnittsalter von rund 25 Jahren. Im Zentrum stand eine Degustation: probiert wurde ein Proteinriegel, bei dem die Insekten nicht sichtbar waren – ein wichtiger Punkt, weil «vertraute» Produktformen die Akzeptanz erhöhen. Der Riegel enthielt 14,2 Prozent Grillenmehl sowie unter anderem Dattelpaste, Mandeln und Rosinen. Vor der Verkostung erhielten die Teilnehmenden – zufällig zugeteilt – entweder Informationen zu Nährwert, Nachhaltigkeit oder Geschmack, oder gar keine Informationen.
Zusätzlich erfasste das Forschungsteam unbewusste Einstellungen mit einem «Single Category Implicit Association Test» (SC-IAT): Die Teilnehmenden mussten Wörter – wie beispielsweise «Insektenburger» oder «Insektenmehl» möglichst schnell positiven oder negativen Begriffen zuordnen. Aus den Reaktionszeiten lässt sich ableiten, ob Insektenessen eher automatisch «gut» oder «schlecht» assoziiert wird.
Die Forscherinnen und Forscher nutzten eine Regressionsanalyse mit 13 möglichen Einflussgrössen. Das Gesamtmodell erklärte rund 45 Prozent der Unterschiede im Interesse an Insektenprodukten. In der finalen, «bereinigten» Version blieben fünf Faktoren als signifikante Treiber übrig: Am stärksten wirkte, ob jemand generell «grüne Konsumwerte» hat – also beim Einkaufen Umweltaspekte priorisiert. Danach folgten die Emotionen beim Probieren und das «Liking» – also wie gut der Riegel schmeckte, beziehungsweise ob man ihn wieder kaufen und essen würde. Bremsend wirkte Essensneophobie, die Angst vor Neuem beim Essen. Und ebenfalls relevant, waren die unbewussten Assoziationen.
Auffällig ist, was nicht half: Die kurzen Infoplakate – egal ob sie Nährwerte, Nachhaltigkeit oder Geschmack betonten – beeinflussten das Interesse nicht messbar. Selbst «Nährwertfakten» wie beispielsweise hoher Proteinanteil, Vitamine und Mineralstoffe oder «Umweltfakten» wie weniger Land, Wasser, Futter, weniger Treibhausgase, vertikale Produktion und Nutzung von Nebenströmen, reichten in dieser Situation nicht aus, um mehr Akzeptanz auszulösen.
Die Botschaft an Hersteller und Handel ist klar: Insektenprodukte müssen zuerst als Genussprodukt funktionieren. Oder wie es die Forschenden in der Medienmitteilung zuspitzen: «Sustainability alone doesn’t sell – taste and feelings do.» Das beste Argument überzeugt laut den Forschenden also nicht, wenn der erste Bissen nicht schmeckt.
Das beginnt bei der Produktform: Riegel, Snacks oder Pattys – also verarbeitete Produkte, bei denen die Insekten nicht sichtbar sind – senken die Einstiegshürde. Genauso wichtig sind Probiermomente, die positive Emotionen auslösen und Wiederholung ermöglichen. Denn eine einmalige Kostprobe reicht oft nicht, um tiefer sitzende Neophobie oder negative automatische Assoziationen dauerhaft zu drehen. Genau hier sehen die Autorinnen und Autoren den Hebel: Wiederholte, gute Erfahrungen könnten über die Zeit Hemmungen abbauen und die «Bauchreaktion» gegenüber Insektenessen verbessern.
Die Studie fokussierte auf eine spezifische Gruppe: überwiegend junge, gut ausgebildete Erwachsene. Das macht die Resultate besonders interessant für Trend- und Zukunftsfragen, schränkt aber die Übertragbarkeit auf die Gesamtbevölkerung ein. Zudem wurde nur ein Produkttyp, ein Proteinriegel mit Grillenmehl, getestet – andere Insektenarten oder Produktformen könnten anders wirken.
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