Biogemüse in grossem Stil an der Nordsee

In Norddeutschland liegt eines der grössten zusammenhängenden Biogemüse-Anbaugebiete Europas. Als Taktgeber wirkt der Biogemüsebetrieb «Westhof Bio». Er zeigt, wie moderner Biolandbau funktioniert.
Zuletzt aktualisiert am 14. Juli 2025
von David Eppenberger
5 Minuten Lesedauer
Biogasanlage Aus Entfernung

Der Westhof liegt da, wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen. Rund um den Bio-Gemüsebaubetrieb in Dithmarschen in Schleswig-Holstein: nur Ackerland in der flachen Landschaft. Wäre da nicht das futuristisch anmutende grosse, fensterlose Gebäude aus Blech und Stahl gegenüber. Aber dazu später.

Die Nordsee ist nicht weit entfernt. Das erklärt die fruchtbaren Marschböden. «Sie sind ideal für den Anbau von Gemüse», so Rainer Carstens. Doch als er 1978 den Betrieb als 20-Jähriger mit den damals noch 60 Hektaren Ackerfläche von seinen Eltern übernahm, baute er wie alle in der Region zuerst einmal konventionell Getreide und Zuckerrüben an. Ein paar einschneidende persönliche Erlebnisse bewogen ihn dazu, den Betrieb 1989 komplett auf den Anbau von Biogemüse umzustellen.

30'000 Tonnen Frischgemüse

Der Einstieg erfolgte mit Gemüse für die Industrie, mit dem Bio-Babynahrungshersteller Hipp als Hauptabnehmer. Etwas später startete Carstens mit dem Anbau von Frischgemüse, für das er aber zuerst einen Absatzkanal schaffen musste. Im Jahr 2000 schloss er sich mit seinem Nachbarn Heinrich Dörschner zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammen.

Es war ein Schlüsselmoment in der Betriebsgeschichte. Damit konnte Carstens auf einen Schlag nicht nur mehr Gemüse anbauen. Es ergab sich daraus auch eine äusserst fruchtbare Arbeitsteilung: «Mein Nachbar übernahm von da an die Landwirtschaft und ich kümmerte mich vor allem um die Vermarktung.» Und das tat er sehr erfolgreich, wie sich heute zeigt. Pro Jahr verkauft er rund 30'000 Tonnen Bio-Frischgemüse und aktuell rund 8000 Tonnen Tiefkühlgemüse an alle grossen Detailhändler in Deutschland.

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Region wird zum Biogemüse-Hotspot

Die Westhof Bio mit seiner boomenden Handelsabteilung wirkte wie ein Magnet auf umliegende Betriebe: Immer mehr stellten auf Bio um und machten die Region zum Biogemüse-Hotspot. Sie sind mit Westhof Bio zu einer Vermarktungsgesellschaft verbunden.

Mittlerweile vermarktet das Unternehmen so Biogemüse von rund 4000 Hektaren Anbaufläche – das sind mehr als in der gesamten Schweiz. «Westhof Bio» bewirtschaftet selbst rund 1200 Hektaren im Freiland sowie 10 Hektaren im Gewächshaus. 120 Menschen arbeiten fix auf dem Betrieb, während der Saison kommen 150 Saisonarbeitende dazu.

Der Umsatz aller angeschlossenen Teilbereiche - inklusive Handelsgesellschaft - beläuft sich auf rund 90 Millionen pro Jahr. Die Hauptprodukte im Freiland sind Karotten, Erbsen, Blumenkohl, Brokkoli, Randen, Zuckermais, Spinat und Grünkohl. Dazu kommen Tomaten, Paprika und Gurken aus den Gewächshäusern.

Trotz diesen Dimensionen ist Rainer Carstens ein Überzeugungstäter geblieben, was «Bio» anbelangt. Grundpfeiler der ursprünglichen Bio-Philosophie sind bei ihm unantastbar. Dazu gehören der Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel oder möglichst geschlossene Nährstoff-Kreisläufe. Dafür greift er aber nicht in die Mottenkiste, sondern setzt auf moderne, noch eher ungewohnte Methoden und Technologien.

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Das Waschwasser aus der Gemüsereinigung wird gesammelt und als Bewässerungswasser verwendet. (epp)

Nur noch regenerative Energien

Auf rund einem Drittel der Fläche stehen auf dem Westhof Klee und Blühwiesen in der Fruchtfolge. Er gönnt dem sonst intensiv mit Gemüse bewirtschafteten Boden damit die nötige Ruhe, um sich zu erholen. Die Blumenwiesen tragen zur Artenvielfalt bei, das Klee bindet den natürlichen Stickstoff aus der Luft im Boden. Davon profitieren die Folgekulturen. «Beim Stickstoff sind wir mittlerweile autark», sagt Carstens stolz.

Der Schnitt geht in die Biogasanlage, bei der mehrere Blockheizkraftwerke aus Gas Wärme und Strom für das Gewächshaus produzieren. Bevor die Gärreste auf den Acker zurückkommen und den Kreislauf schliessen, werden sie mit speziellen Mikroorganismen behandelt. Die Bodenorganismen könnten deshalb die Gärreste viel besser verwerten, so Carstens. Denn seit ein paar Jahren arbeitet der Betrieb nach den Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft. Bei dieser stehen lebendige, fruchtbare Böden im Zentrum. «Wir düngen nicht mehr die Pflanze, sondern den Boden», erklärt er.

Solarmodule auf den Dächern ergänzen den erneuerbaren Strommix zusammen mit Strom aus einem Windrad. Auch das gehört zu den Grundsätzen des Betriebs: «Wir wollen künftig auf dem Betrieb nur noch mit regenerativen Energien arbeiten», so Carstens.

Eigenen Laserroboter entwickelt

Unkraut zählt zu den grossen Herausforderungen des biologischen Landbaus und bindet viele teure Arbeitsstunden. Robotik und Künstliche Intelligenz sollen hier Abhilfe schaffen. Seit über zehn Jahren arbeitet der Westhof mit Technologiepartnern an der Entwicklung eines Jätroboters.

Kameras erkennen das Unkraut, senden die Bilder an eine inzwischen patentierte Software, welche dafür sorgt, dass ein Laserstrahl auf die identifizierte Pflanze abgegeben wird. «Pro Sekunde vernichtet er acht Unkräuter pro Reihe», sagt Carstens. Abhängig vom Unkrautbefall behandle er die acht Reihen in einer Stunde in einer Strecke von bis zu 600 Metern. Nun werde das Ganze in diesem Jahr noch einmal ausgiebig getestet. «Wenn er wirklich gut funktioniert, gehen wir in die Produktion», so Carstens. Das Gerät will er auch an die anderen Biogemüsebau-Betriebe verkaufen.

Frosterei Drohne
Die grösste und modernste Frosterei für Biogemüse Europas steht gleich beim Westhof. (Quelle: landpixel)

Modernste Gemüse-Frosterei Deutschlands

Auf modernste, umweltfreundliche Technologie setzt Carsten auch bei seiner jüngsten Errungenschaft. Auf dem Gelände des ursprünglichen Familienbetriebs steht seit letztem Jahr die grösste reine Bio-Gemüse-Frosterei Europas. Neben viel verbautem Stahl und Blech ist die Fabrik vollgepackt mit neuster Technologie für eine möglichst energie- und kosteneffiziente Produktion.

Frisch geerntet werden Gemüse wie Erbsen, Bohnen, Brokkoli, oder Karotten gewaschen, geschnitten, blanchiert, eingefroren und nach Bedarf ausgeliefert. Durch die vollautomatisierte Anlage laufen viele Meter an Fliess- und Rollbändern, Roboterarme greifen nach den Kisten mit dem tiefgefroren Gemüse, Verpackungsmaschinen füllen die Kartons in verschiedenen Grössen ab. Carstens schmunzelt: «Nur der Computer weiss, wo die Ware eingelagert ist.» 

10 Tonnen Gemüse pro Tag schafft die Anlage, fünf Mal mehr als vorher. Bis 2028 sollen dort jährlich 25'000 Tonnen Tiefkühlgemüse produziert werden. Die Energie aus regenerativen Quellen wird dabei sehr effizient verwendet. Dabei kommen intelligente Speichersysteme zum Zug, welche Solar- oder Windstrom jederzeit verfügbar machen. Beispielsweise mit einem Hochtemperaturspeicher auf Stahlbasis zur Erzeugung von Prozessdampf.

Die Frosterei wirkt erneut magnetisch auf die Branche. So stelle er fest, dass einige Gemüse-Frostereien ihre bisherigen Bio-Verarbeitungslinien aus Kostengründen aufgeben würden, sagt Carstens. Ein Teil dieser Mengen lande nun dafür in Dithmarschen. Die Frosterei ist ein Generationenprojekt, welches «Westhof Bio» in Zukunft weiteres Wachstum bescheren soll. Verwaltet von den zwei Töchtern und den zwei Söhnen, welche die Leitung des Betriebs bereits übernommen haben. Auch in Sachen Hofnachfolge ist Carsten seinen Prinzipien der Nachhaltigkeit also treu geblieben.