Punkte für das Klima: IP-Suisse und Bio Suisse mit neuem Werkzeug

IP-Suisse und Bio Suisse stellen gemeinsam mit Agroscope ein neues massnahmenbasiertes Klimasystem vor, das den Klimaschutz in der Landwirtschaft auf Produktebene erfassbar macht. Das Modell verspricht Transparenz und soll ausserdem Antworten auf eine wachsende gesellschaftliche Erwartung liefern: den Nachweis, was die Landwirtschaft tatsächlich fürs Klima leistet.
Zuletzt aktualisiert am 24. Oktober 2025
von Renate Hodel
4 Minuten Lesedauer
20251023 Klimaschutz Bio Suisse IP Suisse Rolf Bernhard Jasmin Hufschmid Nicole Ramsebner Christophe Eggenschwiler Maria Bystricky 01 Ewi
Rolf Bernhard und Nicole Hufschmid von Bio Suisse, Nicole Ramsebner und Christophe Eggenschwiler von IP-Suisse sowie Maria Bystricky von Agroscope stellten das Klimasystem-Tool vor. (ewi)

Klimaschutz ist in der Schweizer Landwirtschaft längst kein Randthema mehr. Doch wer wissen will, wie viel ein Betrieb tatsächlich zum Klimaschutz beiträgt, stösst schnell an methodische Grenzen. Genau hier soll das neue System von IP-Suisse, Bio Suisse und Agroscope ansetzen.

Klimaschutz sichtbar machen

Bereits seit über zehn Jahren arbeitet IP-Suisse mit Agroscope an der Weiterentwicklung ihres Klimapunktesystems. 2023 ist dann Bio Suisse dazugestossen. Das Ziel: ein System, das die Klimawirkung der landwirtschaftlichen Produktion präzise berechnet – ohne dass die Landwirtinnen und Landwirte dazu umfangreiche Daten erfassen müssen.

Im Zentrum steht der methodische Bericht «Klimaschutzleistung von Landwirtschaftsbetrieben auf Produktebene». Er liefert das wissenschaftliche Fundament für die künftige Berechnung der Klimaleistungen.

Dafür entwickelte Agroscope je einen Modellbetrieb, der die gesamte IP-Suisse-Produktion beziehungsweise den Schweizer Biolandbau, widerspiegelt – inklusive Tierhaltung, Acker- und Futterbau. Mit Hilfe der Ökobilanz-Methodik SALCA (Swiss Agricultural Life Cycle Assessment) wurde ermittelt, wie viele Treibhausgase und weitere Umweltwirkungen diese Produktion verursacht und wie stark sie sich durch Klimamassnahmen reduzieren lassen.

«Wir wollten herausfinden, wie man die Klimaschutzleistung auf Produktebene sichtbar machen kann», erklärte Maria Bystricky von der Forschungsgruppe Ökobilanzen bei Agroscope. «Dazu haben wir das bestehende Punktesystem wissenschaftlich erweitert, neu berechnet und die Wirkung jeder Massnahme bis hin zum Produkt – etwa ein Kilo Weizen oder Milch – quantifiziert», erläutert sie weiter.

Die Berechnung umfasst den gesamten Lebenszyklus der Produktion: vom Düngemittel bis zur Milchkanne. So wird nicht nur das sichtbar, was direkt auf dem Hof passiert, sondern auch, was in vorgelagerten Stufen entsteht – etwa durch Futtermittel, Maschinen oder Energie.

Wissenschaft trifft Praxistauglichkeit

Für die Betriebe selbst soll der Aufwand gering bleiben – 30 bis 60 Minuten pro Jahr zum Ausfüllen des Fragebogens. Das Tool greift dann auf vorhandene Daten zurück wie etwa Agrarumweltmonitoring, Labelrichtlinien und statistische Erhebungen. Damit soll das System besonders praxistauglich und für eine grosse Anzahl Betriebe skalierbar sein, damit die rund 10’000 IP-Suisse- und 7’500 Bio-Suisse-Betriebe dies künftig nutzen können.

Für Rolf Bernhard, Co-Geschäftsführer von Bio Suisse, steht das neue System für mehr Transparenz: «Wir wissen schon lange, dass der Biolandbau einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leistet – jetzt können wir das auch genauer zeigen.» Gleichzeitig betont er, dass es nicht nur um Emissionen gehe: «Klimaschutz ist wichtig, aber Klimaresilienz ebenso.» Es gehe darum, wie die Betriebe langfristig mit den Herausforderungen umgehen können.

Rolf Bernhard sieht im massnahmenbasierten Ansatz eine Chance, die Vielfalt der Leistungen sichtbar zu machen: «Mit wenig Aufwand lässt sich zeigen, was auf den Höfen passiert – das ist motivierend und schafft Austausch unter Berufskolleginnen und Berufskollegen.»

 

Bewährt und weiterentwickelt

Für IP-Suisse-Geschäftsführer Christophe Eggenschwiler ist das System die logische Fortsetzung eines Wegs, der bei IP-Suisse 2008 mit dem Biodiversitätspunktesystem begann: «Jetzt gehen wir mit dem Klimasystem den nächsten Schritt.»

Die ersten Resultate aus dem Bericht zeigen: IP-Suisse konnte die Treibhausgasemissionen um 9 Prozent bei pflanzlichen und um 6 Prozent bei tierischen Produkten senken.

Langfristig sollen die Betriebe für ihren Aufwand und die Klimaleistungen finanziell entschädigt werden – durch Marktpartner, die mit den Daten ihre eigenen Science-Based-Targets (SBTi) überprüfen. «Damit entsteht ein echter Anreizmechanismus», sagt Nicole Ramsebner, Nachhaltigkeitsverantwortliche bei IP-Suisse und ergänzt: «Landwirtinnen und Landwirte können zeigen, was sie fürs Klima leisten.»

Sowohl IP-Suisse als auch Bio Suisse wollen das System weiterentwickeln – und möglichst allen Betrieben zugänglich machen, unabhängig vom Label. «Von der Landwirtschaft werden heute unzählige nicht marktfähige Leistungen erwartet: Biodiversität, Tierwohl, Landschaftspflege – und eben Klimaschutz», sagt Rolf Bernhard, Co-Geschäftsführer von Bio Suisse und ergänzt: «Dieses System zeigt, dass solche Leistungen quantifizierbar sind und damit auch eine Grundlage für faire Entschädigungen bilden können.»