
Rare Schweizer Essiggurken: Von Hand geerntet, innert einem Tag im Glas
Beat Dietrich baut auf seinem Hof im bernischen Gals nicht nur Getreide, Kartoffeln und Karotten an, sondern auch ein...
Der Blick aus dem Folienhaus geht direkt runter ins Unterengadin. Die Tomatenstauden in einem der fünf Folienhäuser tragen reichlich Früchte an diesem heissen Tag im August. In den anderen Tunneln wachsen Bohnen, Lauch, Zucchetti, Federkohl, Fenchel, Gurken, Auberginen, Mönchsbart oder sogar Melonen. Und das mitten in den Bergen auf einer Höhe von 1’400 Meter über Meer.
Vor drei Jahren verschlug es Samuel Hauenstein mit seiner Partnerin Aita Puorger ins Bündnerland, wo sie den Biohof Bain Chavalatsch oberhalb von Scuol pachten konnten. Der Betrieb mit seinen rund 30 Hektaren Fläche ist zwar primär auf Mutterkuh- und Schafhaltung ausgerichtet. Doch für die beiden war schnell klar, dass sie einen zusätzlichen Betriebszweig mit Gemüse aufbauen wollten.
Das kommt bei Samuel Hauenstein nicht ganz von ungefähr: «Schon meine Eltern bauten im Val Lumnezia auf ähnlicher Höhe Gemüse für den Wochenmarkt in Chur an», sagt er. Von daher wusste er, wie der Gemüseanbau im Berggebiet funktioniert. Das Klima im Engadin sei allerdings schon noch etwas rauer, findet er. Trotzdem klappt es offenbar mit dem Anbau ganz gut: «Wir füllen von Mai bis Weihnachten wöchentlich zwischen 100 und 120 Gemüsetaschen im Abo ab und beliefern mehrere Restaurants in der Region.»
In wenigen Gehminuten Distanz liegt die Parzelle mit dem Freilandgemüse. Die Region war einst bekannt für ihren Getreideanbau auf den terrassierten Flächen in den steilen Berghängen. Auf einer solchen wachsen nun auch Salate, Popcornmais, Blattstielmangold, Bohnen oder auch Karotten. Das Lagergemüse wächst hingegen vornehmlich im Tal, wo der Betrieb eine weitere Parzelle bewirtschaftet. «Das Lagergemüse füllt uns die Taschen in den letzten Wochen bis Weihnachten», erklärt Samuel Hauenstein.
Anfang März setzt er in den Folienhäusern die ersten Kohlrabi, Broccoli oder Fenchelsetzlinge unter ein Doppelvlies, drei Wochen später kommt Salat dazu. Dies ist nötig, weil im Unterengadin Minustemperaturen im April normal sind. Heizen im Tunnel komme für ihn als Biogärtner nicht infrage. Heikel seien Fröste im Mai, wenn die ersten Sommerkulturen im Boden seien. Bei Spätfrösten musste er deshalb auch schon ein Vlies auf die Tunnels legen. Spezielle Lösungen für den speziellen Berggemüseanbau sind hier gefragt. Doch von ganz extremen Frostereignissen seien sie bisher glücklicherweise verschont geblieben.
Was macht den Berggemüseanbau sonst noch speziell? Die ganze Anbausaison sei halt verkürzt, antwortet Samuel Hauenstein. Obwohl praktisch alle Kulturen möglich seien, stelle sich manchmal die Frage der Wirtschaftlichkeit. Beispielsweise bei den Tomaten: «Lohnt es sich, wenn du nach einem zähen Sommer wie im letzten Jahr nur knapp zwei Monate ernten kannst?» In diesem Jahr waren die Temperaturen allerdings deutlich idealer: «Vor allem die Coeur de Boeuf kommen gut.»
Samuel Hauenstein setzt hauptsächlich auf moderne Hybridsorten. Nur zwei von zehn seien Pro Specie-Rara-Sorten. Wenn im Frühling noch Schnee über der Freilandfläche liegt, streut er etwas Asche, damit dieser mit den Sonnenstrahlen auf den Südhang schneller schmilzt. Diesen Trick hat er bei seinen Eltern abgeschaut. Zudem helfe der Schnee, die Schädlinge und das Unkraut im Zaum zu halten.
In der ersten Aprilwoche kommen die ersten Setzlinge ins Freiland. Diese stammen von einem Bio-Jungpflanzenbetrieb in Tägerwilen sowie inzwischen auch von einer regionalen Gärtnerei in Ftan. Die Kulturen pflegt er mehrheitlich in Handarbeit mithilfe von Kleingeräten. Auf den relativ wenigen Reihen mit vielen verschiedenen Gemüsesorten lohnt sich der Einsatz von grossen Maschinen nicht. Auch geerntet wird von Hand. Während der Saison arbeiten zusätzlich zu ihm und seiner Partnerin zwei Leute aus der Region fix auf den Gemüseparzellen sowie ein bis zwei Aushilfskräfte.
Der Schädlings- und Krankheitsdruck sei in dieser Höhe eher geringer als im Unterland, findet Samuel Hauenstein. Als ehemaliger Berater und Forscher am Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL weiss er, wovon er spricht: «Weisse Fliegen bei Kohl beispielsweise gibt es hier oben bei uns bisher nicht.» Erdflöhe seien kaum ein Problem, weil es keine Raps- oder Gemüseflächen in der Region gebe. Die Karotten litten allerdings teilweise an Befall mit violettem Wurzeltöter.
Nach dem Umbruch der Fläche im ersten Jahr gab es Probleme mit Drahtwürmern, was sich nun aber auch beruhigt habe. Die Gegend gilt als sehr trocken mit jährlichen Niederschlägen von um die 500 Milliliter, was sich eher positiv auf den Pilzbefall auswirkt.
Bewässerungswasser ist genug da. Traditionellerweise bewässern die Landwirte im Sommer mit dem Wasser aus den Bergen sogar ihre Wiesen. Die Böden am Berg sind leicht und phosphorarm, der im Tal dafür deutlich tiefgründiger. Samuel Hauenstein düngt die Kulturen mit Mist, Kompost und üblichem Biohandelsdünger. Zudem setzt er auf Gründüngungen, wie beispielsweise Buchweizen.
Der Biogmüseanbau am Berg auf Bain Chavalatsch ist Teil des Projektes «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden». Damit fördert der Kanton mit fachlicher und finanzieller Unterstützung den Wandel zu einer klimaneutraleren Landwirtschaft, und wählte den Betrieb in Scuol als Pilotbetrieb aus. «Mit unserem Projekt wollen wir aufzeigen, dass es möglich ist, auch im Berggebiet vermehrt pflanzliche statt tierische Nahrungsmittel zu produzieren und so Methanemissionen zu reduzieren», erklärt Samuel Hauenstein.
Das regionale Interesse an seinem Berggemüse ist gross. Die Nachfrage übersteige sogar das Angebot und bei den Abos werde eine Warteliste geführt. Und das alles ohne grosse Marketingmassnahmen, wie er betont. Der mit dem Gemüse erzielte Umsatz sei etwa gleich hoch wie die Direktzahlungen, die er für die 33 Hektaren Landwirtschaftsfläche erhält: «Das zeigt, dass der Anbau von Gemüse im Berggebiet funktioniert».
Die Gemüsetaschen liefert er im ganzen Engadin aus. Einen Teil übernimmt die Post, der andere läuft über die Anlieferung an Abholdepots. Ausbauen wollen sie die Gemüseproduktion vorerst aber nicht, obwohl auch die Restaurants in der Region sehr interessiert seien. Er müsste sonst mehr im Büro sitzen und Leute koordinieren. Er möchte aber lieber selbst in den Kulturen arbeiten: «Und das klappt mit der aktuellen Grösse gut!»
Beat Dietrich baut auf seinem Hof im bernischen Gals nicht nur Getreide, Kartoffeln und Karotten an, sondern auch ein...
Sommerserie – Teil 1: 50 Prozent der Weinsorten auf dem Weingut FiBL sind pilzwiderstandsfähig. Sie sind nicht nur ök...
Artikelserie «Hochwasser und Landwirtschaft» – Teil 3: Um die Bedrohung von Hochwassern zu entschärfen, sind langjähr...
Das Projekt «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden» verfolgt das Ziel, die Treibhausgasemissionen der Bündner Landw...
Agrarpolitik auf dem Prüfstand: Ist eine klimaneutrale Landwirtschaft möglich oder utopisch? Dieser Frage geht die 14...