Wie aus Zuckerrüben Schweizer Zucker entsteht
Rund 230’000 Tonnen Zucker stammen jährlich aus Schweizer Zuckerrüben – und landen später in Schokolade, Joghurts, Ge...
«Oh Papa, du riechst fein nach Lebkuchen!»: Die Kinder von Eric Buchs erkannten den mild-würzigen Duft, gemischt mit einer süsslichen Honignote sofort, als er anfangs November aus seiner Bäckerei nach Hause kam. Seither ist seine Backstube mit diesem unverwechselbaren Duft nach «St. Nikolaus» erfüllt.
Der junge Familienvater führt mit seiner Frau Laurence die Bäckerei Buchs im freiburgischen Jaun in vierter Generation. Unterstützt werden sie in der Backstube von Vater Michel und drei Angestellten, beim Verpacken der Lebkuchen auch von Mutter Iris und zwei Verkäuferinnen. Bis vor Weihnachten werden sie zwei bis drei Tonnen ungefüllte Lebkuchen und Schnittlebkuchen, gefüllt mit einer Mandel- oder Haselnussmischung backen. «Danach sind es vorwiegend noch Kundenaufträge – spätestens im Februar oder März ist jedoch Schluss, wir wollen unseren Lebkuchen als saisonale Spezialität bewahren», begründet Eric Buchs die befristete Herstellung.
Damit unterscheiden sich die Lebkuchen der Familie Buchs von anderen aus der grossen Familie der Lebkuchen, die ganzjährig erhältlich sind. Dazu gehören das Basler Leckerli, der Luzerner Lebkuchen oder die St. Galler und Appenzeller Biber und Biberli. Ihnen allen gemeinsam sind die aromagebenden Gewürze wie Zimt, Anis, Sternanis, Nelken, Koriander und Ingwer sowie meist auch Honig.
Diesen Zutaten werden auch heilende Kräfte zugeschrieben. Ob daraus auch die Bezeichnung «Lebkuchen» entstand? Viel Gesichertes weiss man nicht über das Wort, das bereits im 13. Jahrhundert auftauchte. Der Name könnte auch aus der klösterlichen Bezeichnung des lateinischen Wortes «libum», Opferkuchen, stammen. Eine dritte Deutung geht davon aus, dass die Vorsilbe «Leb» mit «Laib» zusammenhängt, das für geformte Gebäcke üblich war. Wahrscheinlich wurden Lebkuchen zuerst in Klöstern gebacken. Im Mittelalter hatten nur sehr wenige Leute Zugang zu orientalischen Gewürzen und zum Luxusgut Zucker. Die heutige Lebkuchenvielfalt entwickelte sich wohl ab dem 17. Jahrhundert zuerst in den Städten, wie Rezepte belegen.
Die Bäckerei Buchs stellt ihre Lebkuchen nach dem fast 100-jährigen Rezept des Urgrossvaters von Eric her. Der Bäcker gibt gerne Einblick in die Herstellung, das genaue Rezept jedoch bleibt sein Geheimnis. «Die Lebkuchenherstellung ist nicht schwierig, aber ein hochwertiges Endprodukt hängt jedoch von vielen Details ab», erklärt er und ergänzt: «Vorab vom Rezept, das funktioniert – das Vermächtnis unserer Vorfahren möchten wir in der Familie bewahren.»
Die Bäckereifachschule Richemont in Luzern führt in ihrem aktuellen Rezept Weizen- und Dinkelmehl, Gewürze, Invertzucker, Glucose und Honig auf. Dazu Potasche und Triebsalz als Lockerungsmittel. Das Lebkuchenbuch aus den 1940er-Jahren, das Michel Buchs besitzt, empfiehlt eine Mischung aus Weizen- und Roggenmehl. Letzteres trage zu einem würzigeren Aroma bei und halte das Gebäck länger feucht.
Eric Buchs stellt den Teig ein bis zwei Wochen vor dem Backen her. «Dadurch kann der Teig reifen, wird feiner und durch die leichte Fermentation erhält er eine abgerundete Aromatik», begründet der Fachmann einen wichtigen Schritt. Tatsächlich hat der frisch geknetete Teig eine unregelmässige Oberfläche und Struktur. Am Backtag wird er noch feinporiger durch ein erneutes Aufschaffen mit der Maschine.
Michel Buchs bearbeitet ihn zudem portionenweise von Hand, bevor das Auswallen wieder maschinell geschieht. Er strahlt, während der Teig feiner und leicht glänzend wird: «Ich liebe es – das ist echtes Handwerk.» Ausserdem ist das Backen von Lebkuchen auch Teamarbeit. Die vom Vater ausgeschnittenen oder ausgestochenen Formen bestreicht Eric zügig und exakt mit Milch. «Nur so entsteht der flächendeckende, schöne Glanz», erklärt er. Schliesslich schiebt er die grossen Bleche der ungefüllten Lebkuchen bei 190 °C in den Backofen.
Nach rund 12 Minuten zeigt sich, dass das Gebäck gelungen ist: Die Oberfläche ist glatt, leicht gerundet und gleichmässig braun. Wäre der Teig zu flüssig oder hätte er zu viel Triebmittel, würde die Oberfläche einfallen, Blasen an der Oberfläche oder im Boden entstehen. Das Bepinseln mit aufgekochter, leicht angerösteter Kartoffelstärke macht Eric Buchs direkt nach dem Backen: «Der Anstrich gibt den abschliessenden Glanz.» Was einfach aussieht, verlangt Fingerspitzengefühl. Würde der Anstrich zu spät oder zu dick aufgetragen, würde die oberste Lebkuchenschicht beim Essen am Gaumen kleben.
Nach den ungefüllten Lebkuchen widmet sich Eric Buchs den gefüllten, die er entweder mit einer Schicht aus dunkler Haselnuss- oder heller Mandelmasse grosszügig füllt. Im Gegensatz zu den ungefüllten, dekoriert er sie vor dem Backen mit geschälten Mandeln, Haselnüssen und mit kandierten Kirschen oder Orangenschnitzen. Er backt sie nachmittags, wenn die Backofentemperatur auf 160 °C gesunken ist. Ausgekühlt werden sie dann in Quadrate oder Rechtecke geschnitten.
Die ungefüllten Lebkuchen werden von Hand dekoriert. Eine Arbeit für Nicole Rauber: «Ich mache das sehr gerne – die Grundlage ist immer ein Lebkuchen, doch die Dekoration ist so vielseitig und kreativ», strahlt die Frau, welche die Lehre bei Michel Buchs gemacht hat. Mit ruhiger Hand personalisiert sie Lebkuchen oder verleiht dem Bild vom Jauner Samichlaus einen Dekorahmen mit verschlungenen Verzierungen und Dreifachlinien. Die Zuckerglasur stellt sie portionenweise her, damit diese flüssig bleibt. Dass sie dafür frisches Eiweiss und kein Pulver verwendet, ist für die Bäckerei selbstverständlich.
Die Motive der Lebkuchen sind vielfältig. Michel Buchs hat dafür eine besondere Vorliebe: «Ich schneide ausgewählte Sujets mit der Schere aus.» Es gibt auch Lebkuchenmännchen mit Schokoladen- und Smartiesverzierungen oder Sterne mit Engelbild. Da richtet sich die Bäckerei auch nach Kundenwünschen. Doch auf etwas legt Michel Buchs wert: «Unsere Bilder vom Samichlaus zeigen immer den St. Nikolaus entsprechend dem historischen Vorbild des Bischofs von Myra.»
Die meisten Gebäcke verkaufen Buchs in ihrer Bäckerei, einen kleineren Teil über Käsereien in Jaun und Fribourg oder direkt an Kunden, die Lebkuchen für Firmengeschenke bei ihnen bestellen.
«Oochä», wie Nicole Rauber im Jauner Dialekt die Butter nennt, braucht es für die luftigen, weichen, nach Honig und Gewürzen duftenden Gebäcken keinen – aber dafür eine Zutat, die in keinem Rezeptbuch steht: Leidenschaft fürs Handwerk.
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