Herdenschutzhunde: Unmut über Tests des Bundes wächst

Der Bund hat die Eignungsprüfung für Herdenschutzhunde zentralisiert, um das Vorgehen zu vereinheitlichen. Diese Reform stösst in den Kantonen Wallis und Waadt auf Ablehnung: Der eidgenössische Test sei ungeeignet für die aktuellen Gegebenheiten vor Ort und Hunde und Herden würden potenziell gefährlichen Situationen ausgesetzt.
Zuletzt aktualisiert am 17. Dezember 2025
von Pascale Bieri / AGIR
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Herdenschutz Herdenschutzhund Bei Schafherde 02 Copyright AGRIDEA
Herdenschutzhunde werden in Alpgebieten zum Schutz von Nutztieren eingesetzt. (Agridea)

Mit der zunehmenden Präsenz des Wolfes in den Alpen und im Jura sind Herdenschutzhunde zu einer unverzichtbaren Hilfe geworden, um Nutztiere vor Angriffen zu schützen. Sie ergänzen andere Massnahmen wie Zäune, menschliche Überwachung oder Nachtpferche, die zum Schutz der Nutztiere eingesetzt werden.

Die Aufgabe der Herdenschutzhunde ist klar: Sie leben inmitten der Schafe oder Ziegen, bewachen die Umgebung und schrecken Raubtiere ab. Die Hunde müssen aber auch ausreichend gesellschaftstauglich sein, um problemlos mit den immer zahlreicher werdenden Wanderinnen und Wanderern in den Alpgebieten zusammenleben zu können.

Um dieses Gleichgewicht zu gewährleisten, müssen Herdenschutzhunde einen Eignungstest absolvieren, der ihr Verhalten, ihre Treue gegenüber der Herde und ihr Umgang mit Menschen überprüft. Damit Subventionen zur Beteiligung an den Unterhaltskosten für die Hunde und Entschädigung bei Angriffen auf Nutztiere gewährt werden, muss der Herdenschutzhund den Test bestehen.

Seit der eidgenössischen Reform der Jagdverordnung (JSV), die Anfang 2025 in Kraft getreten ist, sorgt die Organisation dieser Tests jedoch für Unmut bei den Tierhalterinnen und -haltern und einigen Kantonen in der Romandie.

Präsenz des Wolfes verändert Lage

Jahrelang war der Bereich der Herdenschutzhunde ausschliesslich vom Verein Agridea abhängig, der vom Bund mit der Ausbildung der Hunde und der Überprüfung ihrer Eignung beauftragt war. Damals waren nur zwei Rassen anerkannt: der Pyrenäenberghund und der Maremmen-Abruzzen-Schäferhund.

Dieses zentralisierte System funktionierte relativ reibungslos, solange die Präsenz des Wolfes begrenzt blieb. Mit seiner raschen Ausbreitung überstieg die Nachfrage nach Hunden jedoch die Ausbildungs- und Bewertungskapazitäten von Agridea. Die Wartelisten wurden länger, und viele Züchterinnen und Züchter konnten ihre Hunde nicht mehr offiziell registrieren lassen.

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Eigene kantonale Zulassungstests

Angesichts dieser Situation ergriff der Kanton Wallis 2023 in Zusammenarbeit mit Arcadia – der Schweizerischen Vereinigung zur Erhaltung der Weidewirtschaft – die Initiative, einen ergänzenden kantonalen Zulassungstest zu schaffen. Das Ziel: mehr Hunde ausbilden und anerkennen, darunter auch solche anderer Rassen, die zum Schutz geeignet sind.

«Das Angebot an Hunden aus dem eidgenössischen System entsprach nicht der Nachfrage», erklärt Christine Cavalera, Herdenschutzbeauftragte der Walliser Dienststelle für Landwirtschaft. «Die Landwirtinnen und Landwirte und der Kanton haben daher proaktiv ein kantonales System vorgeschlagen.»

«Vor der neuen Revision der JSV durften Hunde, die nicht aus offiziellen Zuchtlinien stammten, die Prüfung nicht ablegen», fügt Malika Pannatier, Herdenschutzbeauftragte des Kantons Waadt, an. «Für uns war es wichtig, Halterinnen und Halter anderer Rassen nicht auszuschliessen.»

Die von Arcadia entwickelten Tests, die zuerst vom Kanton Wallis angeboten und dann vom Kanton Waadt übernommen wurden, haben somit neuen Hunderassen die Tür geöffnet. Zudem wurden Kurse angeboten, die Züchterinnen und Züchtern ein besseres Verständnis für das Verhalten und die Integration der Hunde in die Herden vermitteln und gleichzeitig an ihrer Gesellschaftstauglichkeit gegenüber Menschen arbeiten.

Der kantonale Test, der eidgenössisch nicht anerkannt ist, öffnete darüber hinaus den Zugang zu Unterstützung für die Haltung von Herdenschutzhunden und zu Entschädigungen im Falle von Raubtierangriffen auf Herden. Diese wurden zu Teilen vom Bund und zu Teilen von den betroffenen Kantonen getragen.

Reform stösst auf Kritik

Ende 2024 fällt jedoch das Urteil: Im Rahmen der Revision der JSV kündigt der Bund an, dass er die von Arcadia durchgeführten kantonalen Prüfungen trotz wiederholter Anträge der Kantone weder kurz- noch mittelfristig anerkennen wird. Diese Entscheidung beendet die Übergangsphase endgültig.

Seit 2025 ist es wieder allein der Bund, der die Hunde zertifiziert, sofern diese die Einsatzbereitschaftsüberprüfung offizieller Herdenschutzhunde (EBÜ) bestehen. Dieser Test wird von Agridea im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU) durchgeführt, mit dem Ziel, die Kriterien zu vereinheitlichen und eine einheitliche Qualität in der Schweiz zu gewährleisten. In der Praxis stösst die Reform jedoch auf erhebliche Kritik.

«Der vorgeschlagene eidgenössische Test berücksichtigt die aktuellen Bedingungen vor Ort nicht», bedauert Christine Cavalera. «Die Hunde werden allein auf einer ihnen unbekannten Alp bewertet, während sie in der Realität immer zu zweit und unter menschlicher Aufsicht arbeiten.»

So sind im Wallis 43 Prozent der Hunde, die diesen Test im Frühjahr absolviert haben, durchgefallen. «Wie bereits erwähnt, berücksichtigt die EBÜ nicht die Realitäten vor Ort und bewertet die Hunde nicht in ihrer tatsächlichen Arbeitsumgebung. Ein Hund verhält sich unter den Anforderungen des BAFU nicht gleich, wie wenn er normalerweise zu zweit auf seiner Alpweide arbeitet.»

«Ausserdem kann die Treue zur Herde, die beim eidgenössischen Test über 24 Stunden auf einer unbekannten Alp bewertet wird, die Realität der Arbeit nicht getreu wiedergeben. Diese Hunde sind jedoch in ihrer gewohnten Arbeitsumgebung vollkommen zufriedenstellend», führt Christine Cavalera weiter aus.

Dasselbe stellt auch der Kanton Waadt fest. «Heute gibt es keine Alpweiden mehr, auf denen Hunde allein, ohne menschliche Begleitung und ohne Zaun sind», bestätigt Malika Pannatier. «Genau das ist jedoch das Szenario des Tests.» Darüber hinaus wird diese Prüfung als riskant eingestuft. «Die Abwesenheit von Wölfen ist nicht garantiert: Der Hund befindet sich isoliert mit einigen Schafen an einem unbekannten Ort. Das ist sowohl für ihn als auch für die Tiere, Hunde und Schafe gefährlich.»

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Der eidgenössische Test gilt nicht für Hunde, die mit Rindern arbeiten, wodurch mehrere Betriebe keine offizielle Anerkennung erhielten.

Konkrete Folgen für Tierhalter

Diese neue Vereinheitlichung hat unmittelbare Auswirkungen. Halterinnen und Halter von Herdenschutzhunden, die auf kantonaler Ebene getestet worden sind, erhalten keine finanzielle Unterstützung mehr vom Bund. «Damit die gerissenen Tiere entschädigt werden können und die Tierhalterinnen und Tierhalter Unterstützung des Bundes erhalten, müssen die Hunde den eidgenössischen Test bestehen», erklärt Christine Cavalera.

Der Kanton Wallis hat jedoch beschlossen, diese Kosten vorübergehend zu übernehmen: «Bis eine zufriedenstellende Lösung gefunden ist, erkennen wir die nach dem kantonalen Verfahren geprüften Hunde an und übernehmen die Subventionen, die von Bern nicht mehr gewährt werden.»

Wie geht es weiter?

Die beiden betroffenen Kantone haben dem Bund vorgeschlagen, seine Regelung anzupassen. «Der Kanton Wallis hat dem BAFU und Agridea konkrete Vorschläge und Unterstützung für deren Umsetzung gemacht», bestätigt Christine Cavalera. Dies unterstützt auch der Kanton Waadt: «Wir möchten, dass der Test unter realen Bedingungen und weniger einschränkend für die Landwirtinnen und Landwirte durchgeführt wird», meint Malika Pannatier.

Die beiden kantonalen Verantwortlichen erinnern auch an die Bedeutung dieser Hunde für die nationale Strategie: «Für den Kanton Wallis sind Herdenschutzhunde eine wertvolle Hilfe für Hirtinnen und Hirten, auch wenn es zu erheblichen Konflikten mit anderen Nutzenden der Alpgebiete kommen kann. Die Dienstelle für Landwirtschaft setzt sich gänzlich und proaktiv für die Lösung dieser Probleme ein», betont Christine Cavalera.

«Herdenschutzhunde sind eine Massnahme wie Zäune», fügt Malika Pannatier an, und erinnert daran: «Man darf jedoch nicht vergessen, dass es sich um Lebewesen handelt und nicht alle eine Affinität zu Hunden haben. Es handelt sich also nicht um eine Zauberwaffe, die jede und jeder einsetzen kann. Aber es ist von entscheidender Bedeutung, dass Landwirtinnen und Landwirte, die bereit sind, mit Herdenschutzhunden zu arbeiten, diese offiziell registrieren und mit ihnen arbeiten können.»