«Bauern ist für uns mehr Berufung als Beruf»

Barbara und Marco Galli übernahmen 2023 einen Hof im Berner Seeland. Seither haben die beiden ihre Betriebszweige ausgebaut und wurden Eltern einer Tochter. Mit viel Engagement und ganz auf ihre Weise lebt die junge Familie ihren Traum von der Landwirtschaft.
Zuletzt aktualisiert am 30. Juni 2025
von Melina Griffin
6 Minuten Lesedauer
Betriebsleitung Gallihof Weidebetrieb 02 Zvg Gallihof
Der stärkste Betriebszweig des Gallihofs im Berner Seeland ist die Mutterkuhhaltung. (Gallihof)

Im ländlichen Weiler Ammerzwil im Berner Seeland, bei Lyss zwischen Biel und Bern, liegt der Betrieb von Barbara und Marco Galli. Das junge Paar, das sich im Vorstudienpraktikum vor dem Agronomiestudium an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL in Zollikofen kennengelernt hatte, pachtet den Biobetrieb seit 2023. Stärkster Betriebszweig ist die Mutterkuhhaltung der 15 genetisch hornlosen Simmentaler Kühen und die Direktvermarktung von Fleischmischpaketen der Rinder. Zum vielfältigen Betrieb gehören aber auch Freilanderdbeeren, Herbsthimbeeren, Getreide- und Sojaanbau, ausserdem wenig Obst und etwas Wald.

Klare Arbeitsteilung

Marco Galli arbeitet 60 Prozent auswärts in einem landwirtschaftlichen Planungsbüro als Bau- und Projektleiter. Auf dem Hof ist er zuständig für den Ackerbau und maschinelle Arbeiten. Währenddessen führt Barbara Gallo den 16,5-Hektaren-Betrieb und ist verantwortlich für Direktvermarktung und Tiere. Gallis beobachten, dass Barbara als Frau von einigen Personen nicht als Betriebsleiterin akzeptiert werden kann. «Wenn wir beide anwesend sind, wurden auch schon alle Betriebsfragen an Marco gestellt», nennen sie ein Beispiel. Die weiteren Arbeitsbereiche wie Futterbau, Beerenanbau oder Waldarbeiten packen sie gemeinsam an. Seit September 2024 teilen die beiden nicht nur ihren Hof, sondern auch das Elternsein.

«Das regelmässige Mithelfen hat uns enorm weitergebracht.»
Barbara und Marco Galli
Betriebsleiterpaar

Schnell fündig geworden

Beide sind auf Milchwirtschaftsbetrieben aufgewachsen, die jedoch innerhalb der Familie an Geschwister weitergegeben wurden. So machten sie sich über das Vermittlungsportal der Kleinbauernvereinigung auf die Suche nach einem ausserfamiliären Hof und hatten innerhalb eines Jahres den Kontakt zu der jetzigen Verpächterfamilie. «Wir sahen das Vermittlungsportal als eine der Möglichkeiten, ausserfamiliär an einen Landwirtschaftsbetrieb zu kommen und liessen uns überraschen, was auf uns zukommt – wir rechneten nicht damit, so schnell fündig zu werden», so Gallis. Schon im Jahr vor der Übernahme packten sie bei einigen zentralen Arbeiten mit an und lernten dabei, wie ihre Verpächter den Betrieb führten. Dabei war es hilfreich, dass sie in der Nähe des Betriebes gewohnt haben. Die beiden sind sich rückblickend sicher: «Das regelmässige Mithelfen hat uns enorm weitergebracht, da wir vorher beispielsweise keine Erfahrung mit Erdbeeren hatten.»

Erstes Jahr war herausfordernd

Die beiden sind dankbar, von einer sehr gut organisierten Hofübergabe bezüglich den Büroangelegenheiten profitiert zu haben. «Unsere Verpächter haben sich bereits lange vor unserem Kontakt auf eine Betriebsübergabe vorbereitet», erzählen Gallis. Eine der Hauptbedingungen bei der Pachtübernahme war, dass die Verpächter nicht auf dem Betrieb wohnen blieben. Auch das hat gepasst und so wurde die Übergabe dann von einem unabhängigen Berater angeleitet.

Trotzdem erlebten sie das erste Jahr als Herausforderung. «Wir mussten uns zuerst einmal an die körperliche Arbeit gewöhnen – zusätzlich brauchte es jeweils mehr Überlegungen, bis wir alle Abläufe auf dem Hof einmal durchgespielt hatten», sagen Gallis und fügen an: «Ausserdem haben wir auch noch geheiratet, weshalb auch viel Zeit für die Festplanung benötigt wurde.» Dafür waren sie im zweiten und jetzt im dritten Jahr viel mehr eingespielt, sie profitierten von mehr Erfahrung und Routine. «Dazu haben wir doch einige Anpassungen gemacht, wo wir aus unserer Sicht arbeitswirtschaftlicher sein können», sagen Gallis.

Blick in die Zukunft

Eine grössere Investition hatten sie bereits in der ersten Woche nach der Übernahme getätigt und einen Heukran einbauen lassen. So ist das tägliche Futter rüsten im Winter leichter und schneller erledigt. Dazugekommen sind ausserdem die Herbsthimbeeren. «Wir durften im Inventar das Gerüst und viele Einrichtung für die Himbeeren übernehmen, da unsere Verpächter vor einigen Jahren mal Himbeeren hatten und wieder aufgaben», sagt Barbara Galli. Auch ihren Kundenstamm für die Rindfleisch-Mischpakete konnte das junge Paar von ihren Verpächtern übernehmen. «Dreiviertel können wir direktvermarkten, der Rest geht in den Handel via Viehgut oder Fidelio», so Gallis.

«Die Verpächter können oder wollen nicht mehr viel investieren und als Pächter können und wollen wir noch nicht viel investieren, solange wir keine Sicherheit zum Kauf haben.»
Barbara und Marco Galli
Betriebsleiterpaar

Flexibel bleiben

Den Hof führen und ein Baby vollzeitig betreuen, das sei nicht ganz einfach zu vereinbaren, meint Barbara Galli. «Wenn wir draussen sind, haben wir unsere Tochter in der Trage oder im Kinderwagen bei uns», sagt sie. Die Kleine sei ab und zu dabei, wenn sie Kühe von der Weide holen oder beim Füttern im Tenn. Beim Morgenstall schlafe sie meistens im Haus im Stubenwagen und werde per Babyphone überwacht. «Herausfordernd ist, dass alles viel spontaner geschehen muss und das Baby oft den Takt vorgibt mit ihren Bedürfnissen von Essen oder Schlaf», sagt Barbara Galli. Geplantes sei manchmal schwierig umzusetzen.

Vor- und Nachteile des Pachtens

Die junge Familie geniesst ihr turbulentes Leben auf dem Bauernhof. «Bauern ist für uns mehr Berufung als Beruf», sagt Barbara Galli. Trotzdem freut sie sich, dass sie durch die Pacht anstelle eines Kaufes nun ein paar Jahre ausprobieren können, ob das mit dem Bauernhof wirklich etwas für ihre Familie sei. «Wir mussten nicht viel Kapital bringen, respektive nur für den Inventarkauf», führen Gallis aus. Nachteilig empfinden sie, dass die Entwicklung der Betriebsstrukturen gebremst wird: «Die Verpächter können oder wollen nicht mehr viel investieren und als Pächter können und wollen wir noch nicht viel investieren, solange wir keine Sicherheit zum Kauf haben», sagen Gallis.

Trotzdem haben Gallis Zukunftspläne für ihren Hof: «Wir möchten noch mehr verschiedene Ackerkulturen ausprobieren, bei den Kühen verschiedene Kreuzungen erproben und weiter die Betriebsabläufe optimieren.» Sie können sich gut vorstellen, das auswärtige Arbeiten weiter zu reduzieren oder ganz aufzugeben – vorausgesetzt, der Betrieb würde das zulassen. Für sie auch denkbar wäre, dass Barbara statt Marco arbeiten würde. Die beiden beweisen täglich, dass der Einstieg in die Landwirtschaft auch ohne elterlichen Hof gelingen kann. Mit Mut und Flexibilität gestalten sie ihren Hoftraum Schritt für Schritt.