«Wolle sollte kein Abfallprodukt sein»

Im Frühjahr und im Herbst sammeln in der Schweiz verschiedene Sammelstellen Wolle von Schafhaltern ein. Zu ihnen gehört auch die Swisswool. Seit 15 Jahren setzt sich die Firma dafür ein, dass die Wolle nicht weggeworfen wird. Sie kreiert nachhaltige und kreative Produkte daraus.
Zuletzt aktualisiert am 27. November 2025
von Jasmine Baumann
5 Minuten Lesedauer
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Rebekka Schrade, Mitarbeiterin von Swisswool, sortiert grüne Wolle aus. (Bilder jba)

Grosse, lange Wollhaufen liegen in der Bündner Arena in Cazis GR. Zwei Linien weisse Wolle und eine Linie braune und gemischte Wolle. Mit den unterschiedlichsten Fahrzeugen stehen Bauern und Bäuerinnen aus der Region in der Schlange, um ihre Wolle an die Wollannahme von Swisswool zu bringen.

88 Franken Erlös decken den Scheraufwand nicht

Auch Petra Lanicca aus Sarn ist mit Auto und Anhänger nach Cazis gekommen. Sie bringt die Wolle ihrer 30 Schafe an die Wollannahme. «Ich bringe die Wolle gerne. Es wäre zu schade, sie wegzuwerfen», sagt die Landwirtin. Von der Herbstschur ihrer 30 Schafe hat es anderthalb Bigbags Wolle gegeben. Für das Scheren engagiert Petra Lanicca jeweils einen Schafscherer. Innert zwei Stunden hat er die 30 Schafe geschoren. Sieben Franken pro Schaf kostet das.

Zuerst muss die Wolle auf die Waage. Im Waaghäuschen schreiben zwei Frauen emsig das Gewicht auf. 85 kg weisse Wolle und 50 kg gemischte Wolle hat Petra Lanicca gebracht. Sie erhält dafür insgesamt 88 Franken (80 Rappen pro Kilo weisse Wolle und 40 Rappen für die gemischte). Damit ist also nicht einmal der Scheraufwand bezahlt.

Wolle wird zu rundballen gepresst und luftdicht umwickelt

Nach dem Wägen bringt ein Teleskoplader den Bigbag zum entsprechenden Haufen. Braun und gemischt oder weiss. Zwei Mitarbeiter der Sammelstelle leeren den Sack von Hand aus.

Ein weiterer Mitarbeiter bringt die Wolle mit einer Heugabel in die Schlangenform. Mehrere Leute sammeln direkt Wollstücke mit Markierfarbe dran heraus. Die Farbe vom Markieren der Schafe, geht beim Waschen fast nicht heraus.

Als die Wollschlange ihre maximale Länge erreicht hat, fährt ein Traktor mit einer Rundballenpresse in die Halle und presst die Wolle zu Rundballen. Diese werden wie Siloballen, mit Silofolie luftdicht gewickelt. Eine Balle wiegt etwa 330 kg. «Da Wolle ein tierisches Nebenprodukt ist, fällt sie in dieselbe Kategorie wie Schlachtabfälle», erklärt Friedrich Baur. Für diese Nebenprodukte gelten strenge Richtlinien, auch im Transport.

Heute haben 41 Bauern ihre Wolle an die Sammelstelle von Swisswool gebracht. Der Ertrag sind 18 Ballen, also etwa 5’400 kg Wolle. Swisswool sammelt normalerweise an 7 Annahmestellen jeweils im Frühjahr und Herbst Wolle von Schweizer Schafen ein.

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«Lager sind voll»

Vor über 15 Jahren wurde in der Schweiz die bis dahin vom Bund subventionierte Inlandwollzentrale geschlossen. Daraufhin brach der Wollmarkt zusammen. Viele Schafbauern konnten ihre Wolle nicht mehr abgeben und haben sie weggeworfen. Der Präsident des Schweizer Schafzuchtverbandes suchte damals einen Abnehmer für die anfallende Wolle – und fand ihn in Friedrich Baur, der daraufhin die Marke Swisswool ins Leben rief.

Letzten Frühling hat Swisswool die Wollannahmen abgesagt. «Seit der Gründung vor 15 Jahren haben wir immer alle Wolle angenommen», sagt Friedrich Baur. «Unsere Lager sind voll. Und wir können nur so viel Wolle annehmen, wie wir Produkte verkaufen können», begründet Friedrich Baur. Baur führt in Bayern Wollverarbeitenden Betrieb, der seit über 100 Jahren Wolle verarbeitet.

Die grössten Sammelstellen in der Schweiz sind Fisolan in Enggistein, Fiwo in Amriswil, Swisswool in Buchs SG und Spycher Handwerk in Huttwil. Neben ihnen gibt es noch viele kleinere Wollverarbeiter. «Mit jährlich 200 bis 250 Tonnen ist Swisswool einer der grössten Abnehmer des Landes», schreibt Swisswool in einer Medienmitteilung.

Aus der Wolle wird Kleidung gemacht, Garn, Wohntextilien, Isoliermaterial, Füllmaterial und Dünger und vieles mehr.

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Zum Waschen nach Belgien und wieder zurück

Nach dem Wollankauf muss die Wolle gewaschen werden. Da es keine grosse Wollwäscherei mehr gibt in der Schweiz, bringt Swisswool die Wolle in eine Wäscherei in Belgien. «Alle Schweizer Wolle wasche ich in Belgien innert zwei Wochen», sagt Friedrich Baur.

In der Wollwäscherei ist die grösste Herausforderung, den Fettanteil runterzubringen. Sonst riecht die Wolle zu stark. Daran sind viele gescheitert, weiss Friedrich Baur. Aus dem Wollfett, genauer gesagt, dem Lanolin, werden unter anderem Kosmetikprodukte hergestellt.

Nach dem Waschen bleiben von der Schweisswolle (Wolle mit Fett), nur 60-70% saubere Wolle übrig. Das Waschen kostet 3 Franken pro Kilo.

Die Schafwolle, die Swisswool in der Schweiz sammelt, kommt frisch gewaschen in die bayerische Wollmanufaktur Baur Vliesstoffe, welche die Wolle zu Vlies verarbeitet. Seit vielen Jahren beliefert Unternehmen ausschliesslich Schweizer Matratzenhersteller mit Wollvliesen. Vor der Gründung von Swisswool stammte die Wolle dafür aus Südamerika und Neuseeland.

Schafe lösen Akustikprobleme

Schafwolle kann nicht nur die Temperatur dämmen, sondern auch den Schall. In seiner neusten Kreation produziert Swisswool Akustikpaneele mit dem Namen «Woopies». Dabei wird die Wolle zu unterschiedlich dichten und dicken Vliesen und Filzen verarbeitet, die dann in mehreren Lagen zu Paneelen gepresst werden.

«Woopies sind die Krone der Schöpfung unserer Wollprodukte», sagt Friedrich Baur. Bei anderen Produkten ist die Wolle meist unter einer Membrane versteckt. Nicht so bei den Woopies. «Ich wollte ein Produkt, an dem man die Wolle sieht. Die Wolle muss endlich begreifbar, fühlbar und sichtbar werden.»

2023 Schafe Kaisereggpass 8 Dca

900 Tonnen Schafwolle fallen jährlich an in der Schweiz

In der Schweiz leben 360'000 Schafe. Diese produzieren ständig nachwachsende Wolle. Sie werden daher zwei Mal im Jahr geschoren. Pro Jahr ergibt es 3 bis 6 Kilogramm Wolle pro Schaf. So fallen insgesamt 900 Tonnen Rohwolle an. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) unterstützt Organisationen die Wolle sammeln und verarbeiten sowie innovative Schafwollprojekte, die einen Produktionskreislauf ausschliesslich in der Schweiz haben. Insgesamt kann das BLW 600'000 Franken pro Jahr für die Verwertung von inländischer Schafwolle ausrichten. Der Beitrag beträgt maximal 2.- Franken pro Kilogramm sortierte, gewaschene und zur Verarbeitung zu Fertigprodukten abgegebene Wolle.

Im Jahr 2023 wurden insgesamt 561 000 Franken Verwertungsbeiträge für Schweizer Schafwolle ausgerichtet. Bei einem Beitrag von 2.- Franken pro Kilogramm entspricht dies rund 280’000 Kilogramm sortierter, gewaschener und verarbeiteter Schafwolle.

 

Grösster Teil geht an Verarbeiter im Ausland

«Von den 900 Tonnen Rohwolle werden mit Sicherheit mindestens drei Viertel verwertet und höchstens 20% entsorgt», sagt Sara Derighetti vom Bundesamt für Landwirtschaft BLW. Rund ein Drittel der anfallenden Rohwolle werde also nicht mit Beiträgen verwertet. Dabei handle es sich um Wolle, welche die Bedingungen nicht erfüllt, weil sie im Ausland endverarbeitet werde. «Der grösste Teil der Wolle geht direkt an Verarbeiter im Ausland (und kommt teilweise in verarbeiteter Form wieder in die Schweiz zurück). Gewisse Mengen gehen auch in den internationalen Wollhandel.»

Eine Statistik zur Wollverarbeitung in der Schweiz gibt es nicht.

«Swisswool finanziert den gesamten Betrieb eigenständig – von der Sammlung bis zur Verarbeitung und Vermarktung», sagt Friedrich Baur. Hierfür gebe es keine pauschalen Subventionen. «Projektbezogene Fördermittel wurden ausschliesslich für die Entwicklung der neuen Teppichkollektion bewilligt, da diese vollumfänglich in der Schweiz gefertigt wird.»

  • Bauern und Bäuerinnen aus der Region bringen Wolle, meist in Bigbags. Zuerst muss sie auf die Waage. (Bilder jba)
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  • Eine gepresste Wollballe wiegt 330 kg. Sie wird anschliessend luftdicht umwickelt.
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  • Die fertig umwickelten Ballen werden beschriftet. So werden die Ballen in die Wäscherei nach Belgien transportiert.
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  • Swisswool stellt verschiedene Produkte aus der gewaschenen Wolle her, unter anderem auch Designer-Teppiche und Vliess für Orhovox-Jacken.
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