Tierseuchen auf dem Vormarsch – die Schweiz zwischen Prävention und latenter Gefahr
Tierkrankheiten kennen keine Grenzen. Während rund um die Schweiz wiederholt hochansteckende Tierseuchen ausbrechen, ...
Der Dorfplatz in Mülchi im Kanton Bern ist abgeriegelt. Rund um einen Bauernhof sind gelbe und rote Absperrbänder gespannt. Personen in gelben Schutzanzügen mit Mundschutz oder Atemschutzmasken arbeiten im Stall oder auf dem Vorplatz. Sie kleben Fenster ab, rollen Schläuche aus.
Auf Platz sind auch Tierärzte des Amts für Veterinärwesen, ein Lastwagen mit einem Container von der GZM sowie die Kommandozentrale des Kantonalen Katastrophen Einsatzelement Bern (KKE).
Sie üben für den Fall eines Ausbruchs der Maul- und Klauenseuche (MKS) in der Schweiz. Diese Krankheit ist hochansteckend und kann in kürzester Zeit alle Klauentiere (Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine) eines Betriebes befallen und schwere wirtschaftliche Schäden verursachen. Menschen können daran nicht erkranken.
Zurzeit ist die Schweiz frei von MKS. Doch es gibt Ausbrüche in der Türkei, Israel, Algerien und Ägypten. In Ungarn und der Slowakei mussten diesen Frühling 10’000 Tiere getötet werden.
Weil der Ernstfall ein reales Szenario ist, ist es auch wichtig, dass die zuständigen Stellen und Personen in der Seuchenbekämpfung bereit sind und wissen, was sie zu tun haben.
Gemäss Art. 1 des Tierseuchengesetzes werden Tierseuchen in der Schweiz staatlich bekämpft oder überwacht. Die gesetzliche Einteilung umfasst vier Kategorien:
So gehört beispielsweise Bovine Virusdiarrhoe (BVD) zu den auszurottenden Tierseuchen und es läuft ein nationales Ausrottungsprogramm, mit dem Ziel, dass die Schweiz bis 2026 BVD-frei ist.
Derweil gehört die Moderhinke zu den zu bekämpfenden Tierseuchen und seit 2023 läuft entsprechend eine 5-jähriges nationales Bekämpfungsprogramm.
Auch die Blauzungenkrankheit gehört zu den zu bekämpfenden Tierseuchen – aktuell sind auch Fälle der Blauzungenkrankheit in der Schweiz bestätigt.
Eine umfassende Übersicht über alle Tierseuchen und ihre Einteilung ist beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) zu finden. Die Kategorie einer Seuche kann auch wechseln.
«Das Ziel ist es, den ersten auftretenden Fall zu erwischen und die Tiere zu töten, und somit die weitere Verbreitung der Krankheit im Keim zu ersticken», erklärt Reto Wyss, Kantonstierarzt des Kantons Bern, bei der entsprechenden Übung letzte Woche. Die getöteten Tiere werden anschliessend in der GZM Extraktionswerk AG zu Tiermehl verarbeitet und dieses dann verbrannt. Die Übung des KKE findet ohne Tiere statt.
Als erstes errichten die Einsatzkräfte eine grossräumige Schutzzone rund um den betroffenen Betrieb. Der Betrieb wird gesperrt: Es dürfen keine Tiere den Betrieb verlassen und auch Personen nur unter Einhaltung strenger Sicherheitsmassnahmen. Die innerste Zone ist die rote Zone, dazu gehören der Stall und auch der Mistplatz. Alle Materialien und Personen, die dort zum Einsatz kommen, müssen die Zivilschützer wieder reinigen und desinfizieren.
Als Desinfektionsmittel verwenden sie Ameisensäure, eine stark ätzende Chemikalie. Daher tragen Personen, die in der roten und in der anschliessenden gelben Zone arbeiten, Schutzanzüge sowie Mundschutz oder Atemschutzmasken.
Der Stall wird nun akribisch genau gereinigt. «Für den gesamten Stall würde die Reinigung bis zu einer Woche beanspruchen», erklärt Reto Wyss. Die Übung des KKE dauert vier Tage, weil hier nur eine Hälfte des Stalles gereinigt wird.
Verlässt jemand den gelben Bereich, muss er oder sie die Schutzausrüstung ausziehen und entsorgen. Dabei hilft ihm eine weitere Person. Er muss sich bis auf die Unterhosen ausziehen und danach duschen. Erst wenn er durch diese Schleuse durch ist, ist er aus der verseuchten Zone.
«Die Arbeit mit den Schutzanzügen und Masken ist sehr anstrengend», erklärt Manuel Adamek, Kommandant des KKE Bern. «Die Männer und Frauen dehydrieren dabei stark – deshalb müssen wir genau unter Kontrolle haben, wer wie lange in welcher Zone arbeitet», ergänzt er.
Für die Tötung der Tiere im Ernstfall würden die Einsatzkräfte einen Sichtschutz errichten. «Das ist kein schöner Anblick und sehr emotional, besonders für die Bauernfamilie», sagt Reto Wyss. Nachdem der Stall gereinigt ist, muss er für mindestens drei Monate leer bleiben.
Das KKE Bern und auch die anderen zuständigen Stellen führen jedes Jahr solche Übungen durch, unabhängig von der Bedrohungslage. «Die Ausbrüche in diesem Frühjahr in Deutschland, Ungarn und der Slowakei zeigen, dass ein gravierendes Seuchenereignis ein realistisches Szenario ist», sagt Reto Wyss.
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