
Kürbis: Eine uralte Kulturpflanze im Hoch
Farbenprächtig, formenreich und vielfältig verwendbar – Kürbisse erleben besonders im Herbst eine Hochzeit. Der Anbau...
Der Verein Agriviva vermittelt zwischen Jugendlichen, die einen mehrwöchigen Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft absolvieren wollen, und Bauernfamilien, die einen Arbeitsplatz anbieten.
Seit 20 Jahren bietet Eveline Heusser aus Uster ZH einen Platz für Jugendliche, die einen solchen Einsatz absolvieren möchten. «Ich könnte ein Buch über all die Begegnungen schreiben, die ich schon hatte», meint die Winzermeisterin lachend bei meinem Besuch in Uster im September. Zu dieser Zeit macht die 19-jährige Andrina Zünd gerade einen fünfwöchigen Agriviva-Einsatz bei ihr.
Andrina Zünd hat diesen Sommer die Lehre als Detailhandelsfachfrau bei der Landi abgeschlossen. «Mir gefällt der Verkauf besonders wegen dem Kontakt mit Leuten», meint die aufgestellte Rheintalerin aus Rebstein. Besonders wichtig für sie sei Abwechslung – etwas, dass beim Agriviva-Einsatz nicht zu kurz kommt. Arbeiten am Rebberg oder im Garten sind wetterabhängig und nicht selten kommt es vor, dass sich das Programm kurzfristig ändert. Auch für heute wäre eigentlich ein Ausflug zum Rebberg geplant gewesen, es ist aber draussen doch nässer als gedacht.
Nach dem Lehrabschluss schaut sich Andrina Zünd nun verschiedene Sachen an, um zu entscheiden, wo sie weiter Fuss fassen will. Nach dem Agriviva-Einsatz hat sie bereits eine Arbeitsstelle in einem Sportgeschäft in Graubünden während der Wintersaison.
Vorerst sitzt Andrina Zünd aber am Küchentisch und wägt getrocknete Petersilie in kleinen Zellophantüten ab. Die Petersilie verkauft Eveline Heusser in ihrem «Wiilädeli» direkt nebenan. Am Vormittag hat Andrina Zünd bereits Jacken gewaschen und zum Trocknen aufgehängt.
Waschen, kochen, Brombeeren am Rebberg zurückschneiden, Hagebutten sammeln, putzen, jäten, Tomatensugo einmachen: Diese und viele weitere Tätigkeiten führt Andrina Zünd während ihres Agriviva-Einsatzes aus. Ein Arbeitstag dauert ungefähr von sieben Uhr morgens bis sechs Uhr abends mit einer Stunde Mittagspause. Sie arbeitet von Montag bis Freitag und packt meist auch samstags mit an. An ihren freien Tagen schwingt sie sich aufs Gravelbike und erkundet die Region.
Das Ziel von Agriviva ist es, einen realistischen Einblick in landwirtschaftliche Betriebe zu gewähren. Hierbei ist wichtig zu erkennen, dass jeder Betrieb anders ist und Flexibilität und Anpassungsfähigkeit deshalb grossgeschrieben werden. «Gerade in unserem kleinen, aber sehr vielfältigen Land ist es wichtig, möglichst früh Verständnis für die Mitbürgerinnen und Mitbürger und ihre jeweiligen Anliegen zu entwickeln», sagte Eveline Widmer-Schlumpf in einer Ansprache 2010. Die damalige Bundesrätin betonte den beidseitigen Gewinn eines Austausches zwischen Stadt und Land.
Seit 2009 besteht Agriviva in der heutigen Form. Die Geschichte des Vereins geht aber bis in die 1930er-Jahre zurück, als die Schweizer Landwirtschaft freiwillige Arbeitseinsätze, später Landdienst genannt, für arbeitslose Jugendliche anbot.
2024 haben 905 Jugendliche einen Agriviva-Einsatz in der Schweiz absolviert, pro Einsatz wurden durchschnittlich 15 Arbeitstage geleistet und die meisten waren dabei 16 Jahre alt. Für ihren Einsatz erhalten sie Kost und Logis sowie je nach Betrieb bis zu 20 Franken pro Tag. Jugendliche und Bauernfamilien bezahlen eine Vermittlungsgebühr. Auch über die Landesgrenzen hinaus wird das Agriviva-Angebot genutzt: 130 Jugendliche kamen letztes Jahr für einen Einsatz aus dem Ausland in die Schweiz.
Es ist Mittagszeit und für die Kürbissuppe braucht es noch Crème Fraîche und Ingwer, was Andrina Zünd schnell im Volg nebenan holen will. «Braucht es sonst noch was?», fragt sie, nachdem sie ein Portemonnaie aus der Küchenschublade genommen hat und bereits im Gang die Schuhe anzieht. Eveline Heusser schaut in den Kühlschrank. «Eier», ruft sie ihr nach.
«Ich habe noch ein Brot genommen», meint Andrina Zünd, als sie kurze Zeit später wieder in der Küche steht. Es seien längst nicht alle so selbstständig wie Andrina Zünd, berichtet Eveline Heusser. «Und selten hatte ich jemand so fleissiges bei mir. Ich bin wirklich ein Glückspilz», sagt Eveline Heusser mit sichtlicher Freude.
Auf der Webseite von Agriviva ist Andrina Zünd ist auf den Betrieb von Eveline Heusser gestossen und fand die Winzermeisterin direkt sympathisch. «Ich trinke gerne Wein und mich hat interessiert, wie die Arbeit auf dem Rebberg aussieht und was es alles braucht, bis ein Wein in der Flasche ist». Momentan zieht Andrina Zünd auch eine Zweitlehre als Winzerin in Betracht.
«Der Rebberg war das Hobby meines Vaters und nun mein Beruf», erzählt Eveline Heusser. Seit 2002 betreut sie den Rebberg in Uster und baut dort die Traubensorten Riesling x Sylvaner, Cabernet Dors, Sauvignac und Divico an. Bei der Versicherung Schweizer Hagel schätzt sie Hagelschäden bei Reben und bildet seit diesem Jahr andere darin aus. Zudem ist sie Expertin bei den praktischen Lehrabschlussprüfungen der Winzerinnen und Winzer.
Was bietet ein Agriviva-Einsatz den Jugendlichen und Gastfamilien?
Leonie Gerig, Marketing und Kommunikation: Für Jugendliche bedeutet ein Agriviva-Einsatz eine einzigartige Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen, praktische Erfahrungen zu sammeln und neue Perspektiven zu gewinnen. Für die Gastfamilien ist es eine Bereicherung, die Unterstützung im Alltag zu erhalten und gleichzeitig junge Menschen für die Landwirtschaft zu begeistern. Beide Seiten profitieren von einem kulturellen Austausch, der oft über den Einsatz hinaus anhält.
Welche Jugendlichen melden sich für Agriviva-Einsätze?
Das Angebot wird von jungen Menschen aus der Schweiz und dem EU/EFTA Raum genutzt. Sie möchten Neues lernen, praktisch mitanpacken und den Alltag abseits von Schule und Stadt erleben. Viele absolvieren ihren Einsatz im Rahmen eines von der Schule vorgeschriebenen Sozialpraktikums.
Wo liegt die Stärke des Vereins?
Die Stärke liegt darin, Brücken zwischen Stadt und Land zu bauen und den Austausch zwischen verschiedenen Lebenswelten und Traditionen zu fördern. Das Bedürfnis junger Menschen nach Digital Detox und aktiver Zeit in der Natur steigt zunehmend. Zudem suchen Bauernfamilien aktiv den Kontakt mit der nicht-bäuerlichen Gesellschaft, um ihnen die Bedeutung der einheimischen Landwirtschaft für eine verantwortungsvolle Lebensmittelproduktion und die Lebensqualität der Schweiz näherzubringen. Genau diese Bedürfnisse kann Agriviva abdecken. Der Verein verfügt über langjährige Erfahrung im Vermitteln und Begleiten von Einsätzen und der Zusammenarbeit mit Jugendlichen und Bauernfamilien.
Wie entwickelt sich die Nachfrage nach Agriviva-Einsätzen?
Mehr als 900 Jugendliche absolvierten 2024 einen Einsatz, wobei die Nachfrage in den Sommermonaten von Juni bis August grösser ist als die verfügbaren Plätze. Bei den Jugendlichen aus der Deutschschweiz sind besonders Einsatzplätze in der Romandie beliebt. Agriviva ist stets auf der Suche nach neuen Gastfamilien: Je mehr Einsatzplätze angeboten werden können, desto attraktiver ist Agriviva für die Jugendlichen.
Wo stellen sich Herausforderungen?
Die Herausforderung zeigt sich im sichtbar bleiben in einer sich immer schneller drehenden Welt. Jugendliche für Einsätze zu begeistern, wird zunehmend anspruchsvoller. Auf der anderen Seite muss ein ausreichendes Angebot an Bauernfamilien sichergestellt sein. Viele Bäuerinnen und Bauern arbeiten zusätzlich ausser Haus, was das Anbieten von Einsätzen erschwert.
Wie hat sich der Verein seit der Gründung entwickelt?
Während der Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre bot die Landwirtschaft Arbeitseinsätze für arbeitslose Jugendliche an. 1933 wurde die «Schweizerische Zentralstelle für freiwilligen Arbeitsdienst» gegründet. Während dem Zweiten Weltkrieg war der Einsatz obligatorisch: Die Jugendlichen mussten als Landdienstpflichtige mithelfen und wurden vor allem zur Bepflanzung der Äcker eingesetzt.
Nach dem Krieg wurde das Obligatorium wieder aufgehoben und am 21. November 1946 wurde der Landdienst im Bundeshaus in Bern ins Leben gerufen. Seither finden die Einsätze auf freiwilliger Basis statt.
1998 wurden dem Namen «Landdienst» die Slogans «Power beim Bauer», «Horizon Ferme» und «Energia in Fattoria» hinzugefügt, um das Angebot in allen Sprachregionen bekannter zu machen. Weil der Wortteil «Dienst» oft falsche Assoziationen hervorrief, entschied sich der Verein 2009, künftig unter dem Namen Agriviva aufzutreten.
Heute umfasst Agriviva 14 regionale Vermittlungsstellen. Per Ende 2025 lanciert Agriviva mit aufgefrischtem Logo und einer neuen Webseite mit integriertem Vermittlungsportal einen neuen Auftritt. Mit den technisch zeitgemässen Instrumenten gepaart mit verstärkter Präsenz auf den sozialen Medien wird Agriviva Jugendliche, Eltern, Schulen und Bauernfamilien bedürfnisgerechter erreichen können.
«Die Wümmet hat mir besonders gefallen», meint Andrina Zünd. An drei Tagen fand die Weinlese statt, die dieses Jahr etwas früher als erwartet begann. «Mir gefällt auch das Kochen, weil man grosse Mengen vorbereitet und ich Dinge koche, die ich vorher noch nie gemacht habe.» Andrina Zünd ist engagiert, eigenständig und zuvorkommend und kennt das Mitanpacken von zuhause, ihre Mutter ist ebenfalls selbständig.
«Für einen Agriviva-Einsatz muss man offen sein und auch einfach mal machen. Ausserdem sollte man kommunizieren, wenn etwas nicht passt», meint die 19-jährige und fügt an: «Es sind keine Ferien auf dem Bauernhof, das muss man sich bewusst sein. ‹Es isch scho schaffe›.»
Die Nachfrage sei über die Jahre etwas gesunken, meint Eveline Heusser, vielleicht hätten sich die Prioritäten der Jugendlichen etwas verschoben. «Vielleicht auch, weil meine Töchter mittlerweile erwachsen sind – viele Jugendliche melden sich für Einsätze, bei denen man auch auf Kinder aufpasst.»
Nach dem Mittagessen und einer kleinen Pause im Zimmer ziehen sich Eveline Heusser und Andrina Zünd Schuhe und Jacken an. Der Plan: Äpfel im Garten pflücken, um sie später zu verarbeiten.
Bei einem kurzen Rundgang zeigt sich die Vielfalt von Eveline Heussers Garten: Kürbis, Tomaten, Heidelbeeren, Himbeeren, Gurken, Peperoni, Zwiebeln, Rüebli, Bohnen, Pfirsich, Nektarine und vieles mehr wächst hinter dem Haus. Sogar Kiwis und Safran sind zu finden.
Hinter dem Gewächshaus blüht Kapuzinerkresse. «Wollen wir diese Blüten auch mal in den Trocknungsofen legen?», fragt Andrina Zünd. «Klar, können wir probieren», entgegnet Eveline Heusser erfreut. Der Trocknungsofen läuft bereits seit dem Morgen und ist mit Zwiebeln gefüllt. «Ausprobieren schadet nie», meint Eveline Heusser.
Angekommen unter dem Obstbaum pflückt Eveline Heusser einen Apfel der Sorte Idared, schneidet ihn auf und lässt uns probieren: Er ist reif und schmeckt lecker. Trotzdem sagt sie: «Planänderung: In einer Stunde sind die Äste und Blätter trockener – Andrina, du könntest zuerst Petersilie und Schnittlauch schneiden und dann machen wir die Äpfel später.»
Eveline Heusser stellt nicht den Anspruch, dass die Jugendlichen die Tätigkeiten möglichst schnell ausführen. «Viel wichtiger finde ich, dass sie sich wohlfühlen, sauber arbeiten und die Hygienevorschriften beachten. Am Rebberg ist besonders wichtig, dass sie vorsichtig mit den Trauben umgehen.»
«Ich bringe den Jugendlichen gerne neue Sachen bei. Umgekehrt kann ich von ihnen etwas lernen, beispielsweise hat mir vor drei Jahren eine Jugendliche das ‹Pilzle› gezeigt», erzählt die Winzermeisterin. Sie und Andrina Zünd haben sich dieses Jahr auch zusammen auf die Suche nach frischen Pilzen gemacht.
Andrina Zünd verbringt nun die letzten Tage ihres Einsatzes bei Eveline Heusser. «Ich habe sehr viel über den Rebberg und die Weinproduktion gelernt», meint sie rückblickend. «Innerhalb kurzer Zeit durfte ich viele neue Erfahrungen machen. Ich bin mit verschiedensten neuen Leuten ins Gespräch gekommen, was mir sehr gefallen hat», meint Andrina Zünd lächelnd.
Agriviva vermittelt Einsätze für Jugendliche über das ganze Jahr, nach individuellen Bedürfnissen oder ihm Rahmen eines Schulpraktikums.
Farbenprächtig, formenreich und vielfältig verwendbar – Kürbisse erleben besonders im Herbst eine Hochzeit. Der Anbau...
Die Nachfrage nach pflanzlichen Proteinen wächst, doch tiefe Importpreise erschweren die inländische Produktion. Denn...
Das Kohlgemüse ist wegen seiner speziellen Blütenbildung ein echter Hingucker auf dem Teller. Schweizer Romanesco hat...
Wir bieten zum Thema Marketing und Kommunikation verschiedene Kurse an. Direkt auf einem Hof oder online, je nachdem ...
12. Januar 2026, 8.30 bis 11.30 Uhr, online.
12. Januar 2026, 8.30 bis 11.30 Uhr, online.
2025 beleuchteten wir in unserer Sommerserie verschiedene regionale Spezialitäten und die Menschen, welche die Produk...
In unserer Sommerserie 2023 ging es um Obst und Beeren, welche man entweder nicht so leicht im Ladenregal findet oder...