«Warum Schokolade und Uhren aus der Schweiz mitnehmen, wenn es Murmeltier-Salbe gibt?»

Seit mehr als 30 Jahren produziert Puralpina erfolgreich Kräutersalben mit Murmeltieröl. Das Berner Oberländer Familienunternehmen zeigt, wie vielfältig Schweizer Naturkosmetik sein kann.
Zuletzt aktualisiert am 1. Oktober 2025
von Elin Wittwer
6 Minuten Lesedauer
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Silvan Schmid präsentiert die Murmeli-Kräutersalbe im Shop in Frutigen. (ewi)

«Diese Firma ist wegen diesen Tierfellen entstanden», sagt Andreas Schmid und zeigt auf Felle, die an der Wand hängen. 1989 habe er angefangen zu jagen und wollte jedes geschossene Tier mitsamt deren Fett verwerten. «Und das ist mir gelungen», meint der Gründer von Puralpina mit sichtlichem Stolz.

Seit 1992 produziert Puralpina Schweizer Naturprodukte aus lokalen Rohstoffen in Frutigen. Das Sortiment reicht von Wursthobel über Handbalsam mit Edelweiss bis natürlichem Deostick – das Herzstück und der Anfang des Familienunternehmens bildet aber die Murmeli-Kräutersalbe.

Auf Fellmäriten in der ganzen Schweiz verkaufte Andreas Schmid seine Felle, mit dabei auch Murmeltieröl, das sein Schwiegervater wegen Gelenkproblemen stets verwendete. Das Öl fand besonders Anklang bei der Kundschaft. Nach Experimentieren mit Geruch und Konsistenz wurde das Öl zu einer Kräutersalbe weiterentwickelt. Es folgten erste Partner, die die Murmeltier-Salbe in ihr Sortiment aufnahmen.

2016 folgte die Eröffnung des ersten Shops mit hauseigener Manufaktur in Frutigen. «Einen Shop wollten wir anfangs eigentlich nie, wir wollten am Freitagnachmittag ja in die Badi», meint Silvan Schmid mit einem Augenzwinkern. Silvan und Reto Schmid, die beiden Söhne von Andreas Schmid, führen die Puralpina AG heute in zweiter Generation.

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Die Murmeli-Kräutersalbe bildet das Herzstück des Familienunternehmens. (ewi)

Bedeutung der Murmeltier-Salbe

«Das Murmeli ist ein Schweizer Lieblingstier. Das löst Emotionen aus», meint Silvan Schmid. Murmeltiere werden im Alpenraum zur Bestandsregulierung zum Abschuss freigegeben. Wie viele geschossen werden dürfen, ist kantonal geregelt. Die grössten Populationen befinden sich in den Kantonen Graubünden und Tessin, schweizweit wurden 2024 laut Bundesamt für Umwelt knapp 4600 Murmeltiere erlegt.

Seit Jahrhunderten findet Murmeltieröl in der Volksmedizin Verwendung. «Anfangs war uns gar nicht bewusst, was für ein traditionsreiches Naturheilmittel wir da machen», erzählt Silvan Schmid. Doch viele Leute würden das bewährte Naturheilmittel noch kennen – und: «Es hat Ecken und Kanten», wie es Silvan Schmid beschreibt. Denn bei Salben mit Wildtierfett kommen automatisch Fragen auf. Ist das legal? Will ich das anwenden? Ist das nicht «gruusig»?

Die Geschichte rund um die Murmeltier-Salbe kommt der Firma zugute, geht aber auch mit viel Überzeugungsarbeit einher. Dennoch schafft Puralpina es, neue Kundinnen und Kunden trotz anfänglichen Bedenken für die Murmeli-Kräutersalben zu begeistern. Dies gelingt durch das Herstellen eines Qualitätsprodukts, bei der die Verwertung des Murmeltieröls, einem Nebenprodukt der Jagd, die Grundlage bildet.

Ein Murmeltier enthält ungefähr 1,5 Kilogramm Fett, was rund 700 Milliliter Murmeltieröl ergibt. Murmeltieröl enthält von Natur aus kortisonverwandte Substanzen und Omega-Fettsäuren. Murmeltieröl ist flüssiger als Wildtierfett, weil Murmeltiere auch bei tieferen Körpertemperaturen während des Winterschlafs auf ihre Fettreserven zugreifen müssen. Um eine geeignete Konsistenz zu erhalten, mischt Puralpina für ihre Salben dem Murmeltieröl andere Wildtierfette – Hirsch-, Dachs- und Gämsenfett – bei.

Pro Jahr verarbeitet Puralpina rund sechs bis acht Tonnen Wildtierfett. Einen Markt für diesen Rohstoff gibt es nicht, das Netzwerk bestehend aus 300 bis 400 Lieferantinnen und Lieferanten hat der Gründer Andreas Schmid über die letzten Jahrzehnte aufgebaut. Jägerinnen und Metzger habe man anfangs motovieren müssen, diese Fette überhaupt zu liefern, schildert Silvan Schmid. Besonders das Einschmelzen des Fettes ist ein Prozess, der viel Übung verlangt und einen Mehraufwand generiert.

Ein Stück Schweiz

«Ich verstehe nicht, warum Touristinnen und Touristen Schokolade und Uhren aus der Schweiz mitnehmen, wenn es doch Murmeltier-Salbe gibt. Die hat einfach etwas mehr mit unserer Geschichte zu tun», ist Silvan Schmid überzeugt.

Berge, Schweiz, Tourismus: das bieten auch die beiden Filialstandorte Zermatt und Luzern, welche 2019 und 2022 folgten. Zudem beliefert Puralpina Drogerien und Apotheken in der ganzen Schweiz.

Das Thema der Verwertung, des Upcyclings, gewann in den letzten Jahrzehnten wieder an breiter gesellschaftlicher Bedeutung. Dies stehe auch heute bei Käuferinnen und Käufer der Murmeli-Kräutersalbe häufig im Vordergrund und so sei die Salbe auch bei Kundinnen und Kunden, die sich vegetarisch ernährten, beliebt.

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Rohstoffbeschaffung ist eine Herausforderung

Die Grundlage für Puralpina-Produkte bilden Schweizer Rohstoffe: In den Deocrèmen und Deosticks finden sich viele einheimische Rohstoffe, wie beispielsweise Bio-Sonnenblumenöl und Bienenwachs. «Wir haben uns gesagt, dass wir bei neuen Produkten – bei der Lippenpflege, den Deos – noch konsequenter auf die Schweiz setzen», erklärt Silvan Schmid. Auch Schweizer Hanf- und Rapsöl werden in der Manufaktur verarbeitet. Gänzlich verzichtet wird auf Sheabutter, Kokosfett oder Aloe Vera.

Die Beschaffung der Rohstoffe sei aber nicht immer einfach: Es brauche genügend lokale Produzentinnen und Produzenten, die entsprechende Mengen liefern könnten, welche den Qualitätskriterien entsprechen und auch eine Entwicklung zulassen würden. Auch die Menge an geliefertem Wildtierfett für die Herstellung der Murmeli-Kräutersalbe sei nicht jedes Jahr die gleiche.

Das Wachstum fordere die Firma zudem immer wieder aufs Neue, meint Silvan Schmid. Das bringe räumliche Schwierigkeiten mit sich, weshalb ein Umbau ab diesem Oktober geplant sei, insbesondere um mehr Platz für die Manufaktur zu schaffen.

«Wir wachsen, weil wir uns bewegen und auch die neuen Naturkosmetik-Produkte gut ankommen. Das Wachstum fordert uns, aber das sind natürlich schöne Probleme», meint Silvan Schmid. Wichtig sei es, das Team mitzunehmen und zu motivieren. Dieses umfasst mittlerweile 45 Leute in Voll- und Teilzeitstellen.

Schritt für Schritt

«Wir stellen in der Schweiz Naturkosmetik mit möglichst vielen einheimischen Rohstoffen her. Das ist eine Herausforderung, da es doch einige Rohstoffe und Verpackungsmaterial aus Schweizer Herkunft gar nicht gibt», erklärt Silvan Schmid. Daher seien auch sie zu Kompromissen gezwungen. Die Aludosen für die Murmeli-Kräutersalbe werden beispielsweise in Paris und London hergestellt. Das Lanolin, das bei der Wäsche von Schafwolle gewonnene Wollfett, bezieht Puralpina aus Belgien, weil es in der Schweiz nicht mehr produziert wird.

Dennoch sei die Firma stets daran, alle Schritte der Produktion zu reflektieren, und wenn möglich zu verbessern. Umso mehr freut es Silvan Schmid, dass die Umsetzung der Kartonverpackung des Deosticks geklappt hat. «Das sind so kleine Fragen, die sich immer stellen: Wie kannst du etwas besser machen?», meint Silvan Schmid.

Ein Blick in die Manufaktur

  • Ein Teil des Wildtierfetts wird direkt in der Manufaktur in Frutigen eingeschmolzen. (ewi)
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  • Der Glühweintopf erinnert an vergangene Zeiten: Vor dem Bau der Manufaktur wurde mit diesem die Murmeli-Kräutersalbe abgefüllt. (ewi)
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