
Den Boden füttern – regenerative Bodenbearbeitung mit Feingefühl
In der regenerativen Landwirtschaft wird der Boden gefüttert – mit Pflanzenresten, Mikroben und viel Geduld. Gerhard ...
Sven Studer kniet zwischen zwei Feldern mit Körnermais und Gründüngung. Zuvor hatte er einen Streifen freigelegt, um mir zu zeigen, warum Gründüngung eines der wichtigsten Werkzeuge der regenerativen Landwirtschaft gehört.
Die Gründüngung erntet er nicht. Er walzt sie nieder, zerkleinert sie, arbeitet sie oberflächlich in den Boden ein und «steuert» sie mit einem Präparat aus Mikroorganismen gegen Fäule. Damit macht Sven Studer den Boden für die folgenden Kartoffeln, Getreide oder Gemüse nährstoffreicher, lockerer und widerstandsfähiger. «Gründüngung ist keine Vergeudung, sondern die Basis – sie gibt dem Boden seine Vitalität zurück», erklärt Sven Studer.
Im Gespräch mit Sven Studer suche ich Antworten zu Gründüngung: Was bedeutet Gründüngung – und weshalb ist sie so besonders?
Die Idee der Gründüngung ist leicht zu verstehen: Es sind Pflanzen, die gesät werden, ohne dass man sie später erntet. Sie wachsen nicht für den Supermarkt, sondern für den Boden. Die gemähte und zerkleinerte Gründüngung bringt Nährstoffe in den Boden, sodass sich Humus aufbauen kann. Dieser dunkle, krümelige Stoff ist die Grundlage für fruchtbaren Ackerboden.
Die Wirkung der Gründüngung reicht aber weit über Dünger hinaus. Eine geschlossene Pflanzendecke schützt den Boden vor Abschwemmung durch Regen und Austrocknung durch Sonne. Gleichzeitig bietet sie Nahrung und Schutz für Regenwürmer, Insekten und unzählige Mikroorganismen.
Jede Pflanze in einer Gründüngungsmischung hat ihre besondere Funktion:
In der regenerativen Landwirtschaft ist das entscheidend. Die Böden sollen aktiv wieder aufgebaut werden. Gründüngung ist dabei einer der wichtigsten Hebel: Sie macht sichtbar, dass Landwirtschaft nicht nur ernten, sondern auch reparieren kann – leise, unauffällig, aber wirksam.
Blenden wir ein Jahrhundert zurück, in eine Landschaft ohne Traktoren, ohne Kunstdünger, ohne Pflanzenschutzmittel. Auf den Feldern arbeiten Pferde und Ochsen, Männer schwingen Sensen, Frauen binden Garben. Der Alltag der Bauern um 1900 war mühsam – und doch funktionierte er in geschlossenen Kreisläufen.
Im Frühling werden Mist und Gülle der Kühe aus dem Stall auf das Feld gebracht, nichts geht verloren. Im Sommer fressen die Kühe die Begrünungen. Was hinten rauskommt – Mist und Gülle – düngt den Acker. Klee und Gräser werden nicht nur als Viehfutter ausgesät. Ihre Wurzeln durchziehen und lockern den Boden. Das Feld ist zugleich Futterquelle, Nährstoffspeicher und Produktionsfläche.
Die Bauern damals wussten nichts von Stickstofffixierung durch Knöllchenbakterien oder Kohlenstoffspeicherung. Doch praktisch hatten sie das Prinzip verstanden: Wer den Boden füttert, kann auch in Zukunft ernten.
Es war eine Landwirtschaft, die sich stark am Rhythmus der Natur orientierte. Langsam, sparsam und auf Dauer angelegt. «Vor 125 Jahren war es einfach Bauernlogik», sagt Sven Studer, «heute nennen wir es regenerative Landwirtschaft.»
Die Wissenschaft bestätigt, was mir Sven Studer auf dem Feld mit Körnermais und Gründüngung zeigt: Gründüngung macht den Boden fruchtbarer, stabiler und lebendiger. Studien in der Schweiz, in Deutschland und Österreich zeigen das übereinstimmend.
Langzeitversuche des Forschungsinstitutes für biologischen Landbau FiBL und der Universität Hohenheim zeigen: Gründüngung ist kein Allheilmittel, aber ein fester Baustein nachhaltiger Systeme.
Sie reduziert den Einsatz von Mineraldünger, stabilisiert Erträge und erhöht die Widerstandskraft gegen Trockenheit und Starkregen. Wie stark diese Effekte sind, hängt jedoch vom Standort, der Gründüngungsmischung und dem Klima ab.
Mit dem Ring-Infiltrationstest demonstriert Sven Studer eindrücklich den Unterschied zwischen einem humusreichen, regenerativ und mit Gründüngung bewirtschafteten Boden und einem verdichteten Boden.
Auf beiden Flächen – Gründüngung und im Maisfeld – drückt er einen Metallring einige Zentimeter tief in den Boden. Dann füllt er beide Ringe mit der gleichen Menge Wasser. Beim humusreichen Boden versickert das Wasser in sieben Minuten. Im verdichteten Boden steht das Wasser nach einer Viertelstunde immer noch bis zum Rand im Ring.
Die Gründüngung hat nicht «nur» Stickstoff eingelagert und Humus aufgebaut. Sie hat den Boden gelockert und durchlässig gemacht. Im nächsten Jahr profitiert die Folgekultur – ob Kartoffeln, Weizen oder Mais – von einem Boden, der stabiler, feuchter und nährstoffreicher ist.
«Viele Felder liegen nach der Ernte einfach brach», erklärt Sven Studer, während wir zu einem Feld mit einer sehr artenreichen Gründüngung gehen. «Mit der regenerativen Landwirtschaft lassen wir die Fläche nicht stillstehen, wir lassen sie arbeiten», erläutert er weiter.
Er bückt sich, zieht ein junges Kleepflänzchen der Gründungsmischung aus der Erde und zeigt die feinen Knöllchen an den Wurzeln. «Hier passiert die eigentliche Magie – Bakterien, die Stickstoff aus der Luft binden», so Sven Studer. «Kein Dünger der Welt kann das so gut», ergänzt er.
In der regenerativen Landwirtschaft ist Gründüngung kein Lückenfüller, sondern eine Kultur mit eigenem Wert im Jahresrhythmus:
Mitten im Feld mit der Gründüngung sticht Sven Studer mit dem Spaten ein Stück Bodenprofil heraus. Oben ist der Erdklumpen dunkelbraun und krümelig, darunter heller und fester. «Je dunkler die Schicht, desto mehr Humus – und desto mehr Kohlenstoff CO₂ steckt hier drin», erklärt er.
Ackerboden ist einer der grössten Kohlenstoffspeicher überhaupt. Die Gründüngungspflanzen nehmen CO₂ aus der Luft auf und speichern es in ihren Wurzeln und Blättern. Wird die Gründüngung gemäht und zerkleinert, werden die wertvollen Nährstoffe «lebend verbaut» respektive von der Mikrobiologie umgesetzt und daraus entstehen Humus und Nährstoffe für die Pflanzen.
Mehr Humus bedeutet weniger CO₂ in der Atmosphäre und mehr Fruchtbarkeit im Boden. Sven Studer bricht einen Brocken dunkler Erde vom Bodenprofil ab und sagt: «Der Humus wirkt wie ein Schwamm – er speichert Wasser für Trockenperioden und bindet Nährstoffe, die sonst ins Grundwasser ausgewaschen würden.»
«Gründüngung ist gut für den Boden», sagt Sven Studer, «aber sie kostet Zeit, Fläche und Geld.» Gutes Saatgut für Gründüngungsmischungen ist zwar nicht teuer, das Anbauen und Pflegen ist aber ein grosser Aufwand.
Kritiker warnen deshalb vor einer Verklärung der regenerativen Landwirtschaft. Sven Studer widerspricht nicht: «Es stimmt, regenerative Landwirtschaft ist nicht für jeden Hof problemlos machbar, aber wenn wir nur auf kurzfristige Erträge schauen, verlieren wir das Wichtigste – den Boden selbst.»
Sven Studer kippt den Erdklumpen wieder in das Loch, das er mit dem Spaten gestochen hat. «Für die Landwirtschaft der Zukunft wird die regenerative Landwirtschaft mit ihrer Gründüngung so selbstverständlich sein wie vor 1900 – nur mit dem Unterschied, dass wir heute wissen, warum.»
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