
Klima schonen durch Kraftfuttereinsparung und Humusaufbau
Der Hof Cresta ist Projektbetrieb der «Klimaneutralen Landwirtschaft Graubünden». Auf seinem Bio-Hof in Salouf hält A...
Die Sonne blendet, stahlblauer Himmel liegt über dem Feld im «Hackler-Land» (Land der ehrlichen Arbeit), wie Oberösterreich scherzhaft genannt wird.
Auf den Feldern blühen blau bis violett die Beluga-Linsen, der Öllein, die Sommerwicke und die Phacelia. Gelb bis orange blühen das Ramtillkraut, die Sonnenblume und der Saflor. Rosarot blüht der Perserklee, der passend zur Farbe mild-süsslich duftet.
Es sind Zwischenfrüchte, die der «g’standene Oberösterreicher» Gerhard Weisshäupl nicht erntet. Als natürlicher Energiespeicher haben sie aber das Sonnenlicht der letzten Wochen in Zucker und Biomasse umgewandelt.
Und jetzt beginnt die Arbeit von Weisshäupl. Auf seinem Hof in Haibach ob der Donau steigt er in den rot-weissen Steyr-Traktor – der nur eine halbe Stunde flussabwärts gebaut wurde – und rollt langsam los.
Hinter dem Traktor eine Flachfräse, die mit horizontal abgewinkelten Winkelmessern wie ein Hobel nur den Oberboden (die oberste Schicht) durchschneidet, höchstens zwei Finger breit.
So schneidet die Flachfräse die Pflanzenreste ab, zerkleinert diese und mischt sie mit einem feinen Schleier Erde. Kein Pflügen, kein Lärm, nur ein gleichmässiges Schnarren.
Hinter dem Traktor zieht sich ein dunkler Streifen über das Feld: fein zerkleinerte Biomasse, vermischt mit Erde und Fermenten – einem mikrobiellen Sud, der dabei hilft, die Pflanzenreste gezielt zu zersetzen und in Humus umzuwandeln. Der Duft? Wald-Humus. Frisches Leben.
Regenwürmer winden sich kurz ans Licht, kriechen dann schnell wieder zurück. In wenigen Tagen wird von der Zwischenfrucht nichts mehr zu sehen sein. Nur ein lockerer, krümeliger Oberboden. Der perfekte Start für Weizen, Dinkel, Roggen, Ackerbohne, Soja, Mais, Sonnenblumen, Öllein oder Sorghum als nächste Kultur.
Weisshäupl verteilt die Zwischenfrüchte als Flächenrotte auf dem Feld. Statt als organisches Material auf dem Komposthaufen zu verrotten, werden die Zwischenfrüchte in der regenerativen Landwirtschaft direkt im (oder besser auf dem) Boden verarbeitet.
«Ich füttere das Bodenleben», sagt Weisshäupl, «nicht die Pflanze. Die kommt danach.»
Gerhard Weisshäupl gilt als einer der konsequentesten Praktiker der regenerativen Landwirtschaft im deutschsprachigen Raum. Keine synthetischen Pflanzenschutzmittel, kein Kunstdünger. Dafür:
Für diese konsequente regenerative Landwirtschaft braucht es eine Bodenbearbeitung mit Feingefühl.
Ein paar Tage später und 500 Kilometer westlich in Schaffhausen an der schweizerisch-deutschen Grenze, kniet Gerhard Weisshäupl mitten in einem Feld. In der einen Hand einen Spaten, in der anderen der zweckentfremdete Schneebesen aus seinem Auto.
Wie ein Archäologe arbeitet er sich Schicht für Schicht durch die Erde – ruhig und konzentriert. Erst der Krümel, dann das Gefüge. Er streicht über feine Wurzelreste, bürstet vorsichtig ein Pilzgeflecht frei, riecht an einem Stück Erde, das aussieht wie ein Schokoladekuchen.
Dazwischen träufelt Weisshäupl verdünnte Salzsäure auf eine Bodenprobe, um den Kalkgehalt im Boden zu bestimmen. Je stärker die Bläschen, desto mehr verfügbaren Kalk enthält die Erde. Kalk ist wie ein Bodyguard für den Boden – er schützt vor Säure, bremst aber auch die Dynamik:
Für die meisten Menschen ist ein Feld einfach ein Stück Land, auf dem etwas wächst. Kartoffeln, Weizen, Sonnenblumen. Doch in der regenerativen Landwirtschaft gibt es einen feinen, aber bedeutsamen Unterschied zwischen Feld und Acker.
Ein Acker ist das, was man im Schulbuch sieht: ein systematisch bearbeitetes Stück Boden, regelmässig gepflügt, gesät, geerntet. Ein Objekt, das genutzt wird, um Ertrag zu bringen.
Ein Feld dagegen ist ein Organismus. Es lebt. Es atmet. Es reagiert. Ein Feld ist ein Beziehungsraum zwischen Pflanze, Mikrobe, Regenwurm und Wurzelhaar. Zwischen Wasser und Luft, Sonne und Schatten.
Im jungen Raps-Feld nebenan prüft Gerhard Weisshäupl mit dem Refraktometer den Brix-Wert des Pflanzensaftes aus zerquetschten Raps-Blättern. Der Brix-Wert (1 Grad Brix ≈ 1 Gramm Saccharose in 100 Gramm Lösung) gibt an, wie viel Zucker, aber auch Mineralien, Aminosäuren und sekundäre Pflanzenstoffe im Pflanzensaft enthalten sind.
Und so «liest» Gerhard Weisshäupl die Felder. Er erkennt Pflege, erkennt Verdichtung. Erkennt, ob ein Boden lebt – oder nur funktioniert. Erst wenn der Acker wieder lebt, ist er für ihn ein Feld.
Deshalb beginnt für Gerhard Weisshäupl jede Bodenbearbeitung mit der Frage: Was braucht dieser hochsensible Lebensraum – dieses fragile Netzwerk aus Poren, Aggregaten und Millionen von Mikroorganismen.
Deshalb beginnt für ihn bodenschonende Bearbeitung nicht auf dem Traktor sitzend, sondern mit Spaten und Bürste im Feld kniend. «Wenn du wissen willst, wie du bearbeiten sollst, musst du erst ‘lesen’, was der Boden dir sagt», erklärt Weisshäupl.
Erst wenn er Struktur, Feuchte, Verdichtungen und Biologie verstanden hat, wählt Weisshäupl die Geräte aus, die er am Traktor montiert. Nicht, dass Weisshäupl etwas gegen Maschinen hätte. Im Gegenteil: Er konstruiert mit der Marke «Vortex Energie» sogar eigene Ackerfräsen.
Auf dem Feld in Schaffhausen stehen sechs Fräsen, Grubber und Minimal-Bodenbearbeitungsgeräte verschiedener Marken bereit. Gerhard Weisshäupl zeigt 16 Landwirten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Vorteile und Nachteile jedes einzelnen Geräts. Es sind die Teilnehmer vom «Bodenkurs für regenerative Landwirtschaft».
Was alle Geräte auf diesem Feld gemeinsam haben, ist die flache Schnitttiefe. Maximal zwei bis fünf Zentimeter, einzelne zum Lockern des Bodens auch 15 bis 20 Zentimeter. Und sie sind leicht. Denn wer den Boden schont, braucht keine Kraft. Sondern Feingefühl.
Der 150-PS-starke John Deere, an dem die Fräsen montiert werden, ist eigentlich zu schwer. Auch ein Traktor mit unter 100 PS könnte die Fräsen ziehen. «Ich will die organische Masse schliesslich nicht tief vergraben», sagt Weisshäupl, «ich will sie an der Oberfläche mit der Erde mischen, damit die Flächenrotte in Gang kommt.»
Die Flächenrotte mischt auf dem ganzen Feld die Zwischenfrüchte mit dem Oberboden – womit der Wortteil «Fläche» erklärt ist.Für den Wortteil «Rotte» muss Weisshäupl einen Moment überlegen, bis ihm – ganz Österreicher – der passende Vergleich einfällt: «Die Rotte ist wie ein Szegediner Gulasch mit Sauerkraut», erklärt Weisshäupl, «alles klein geschnitten, gut durchmischt, mit Milchsäurebakterien vergoren – und dann langsam im eigenen Saft geschmort.»
Der Rotteprozess beginnt sofort. Mikroben zersetzen die Pflanzenreste, setzen Nährstoffe frei, fördern die Humusbildung. Der Boden wird wärmer, lockerer – und lebendiger. Nach wenigen Tagen kann die Hauptkultur gesät werden. In einen lebendigen, vorbereiteten Untergrund.
Für Gerhard Weisshäupl ist klar: «Nur in einem gesunden Boden wachsen gesunde Pflanzen für eine gesunde Ernährung und damit für gesunde Menschen.»
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