Genfer Hightech-Salat
In Perly im Kanton Genf wächst der Salat in der Luft. Auf seinem ultravernetzten Betrieb experimentiert Jeremy Blondi...
Mit Blick auf die reale Entwicklung der vergangenen Jahre haben sich Aquakulturen, als Oberbegriff für alle Wassernutztierhaltungen, auf Landwirtschaftsbetrieben zumindest bisher nicht als Zukunftsbranche erwiesen. Erfolgsmodelle bewähren sich eher ausserhalb der Landwirtschaftszonen unter Voraussetzungen der klassischen Gewerbe- und Industrieareale. Diese Standortbestimmung ist kaum ein Zufall, denn gefragt ist ein spezifisches Knowhow, das nur ansatzweise mit der klassischen landwirtschaftlichen Berufsausbildung abgedeckt ist. Selbst die klassischen Forellen- oder Karpfenteiche sind auf Schweizer Höfen eher die Ausnahme. Die traditionelle Schweizer Nische mit Blick auf den Gesamtmarkt bildet die professionelle Seefischerei, oft seit Generationen in der Hand von Familienbetrieben. Ein Ausbaupotential ist hier mit Blick auf die vielfältigen Zielkonflikte und die beschränkte Nachfrage sowie aus Umwelt- und Tierwohlsicht kaum realistisch.
Wer sich über diese beschränkten Nischenmärkte hinaus mit der Aquakultur positionieren will, sollte zuerst eines tun: Sich sehr intensiv mit der Materie befassen. Einer, der dies aus unabhängiger Warte seit vielen Jahren tut, ist Billo Heinzpeter Studer. Er gründete 2000 den Verein «fair-fish», wirkte jahrelang als Geschäftsleiter und später bis zu seinem Rücktritt 2023 als Präsident. Als Gründer der Plattform «think.fish» engagiert er sich weiter zu den Themenfelder Fischwohl, Umweltschutz in Gewässern und fairer Handel.
Ein Grundproblem der Aquakultur in der Schweiz wie in allen Ländern, die den westlichen Markt bedienen, sei die Konzentration auf Raubfische, so Billo Heinzpeter Studer. Diese benötigten alle Fisch im Futter und die artgerechte Haltung sei letztlich kaum möglich. Für einheimische Fischarten sehe die Situation kaum besser aus: «Forellen, Lachse, Egli oder Zander sind von ihrer Biologie her nicht geeignet für die Zucht», ergänzt er. Nach heutigem Wissensstand gibt es nach Einschätzung von Billo Heinzpeter Studer nur zwei Fischarten mit einem hohen Potential dafür, sich auch in Gefangenschaft wohlzufühlen: Tilapia, eine Gattung afrikanischer Buntbarsche, und Afrikanischer Wels – allerdings nur unter verbesserten Haltungsbedingungen.
Billo Heinzpeter Studer betont, dass seine grundsätzlich kritische Haltung kein spezifisches Statement gegen den Aquakulturstandort Schweiz zu verstehen sei: «Dass es den Schweizer Zuchtfischen nicht wirklich wohl sein kann, liegt nicht an mangelndem Engagement der Schweizer Fischzüchter für das Tierwohl – viele sind im europäischen Vergleich sogar vorbildlich, beispielsweise beim Betäuben vor dem Schlachten», erläutert er.
Es liegt an der Wahl der Fischarten mit Blick auf den Markt. Man möchte die Nachfrage bedienen und eine Vielfalt der Arten anbieten, was aus Tierschutzgründen nur bedingt möglich sei. «Innovative Fischzüchter könnten gleichzeitig innovativ auf dem Markt auftreten, indem sie ihr Sortiment mit dem Angebot aus einer wirklich rücksichtsvollen Fischerei ergänzen», empfiehlt Billo Heinzpeter Studer, «die Vielfalt an Fischen und anderen Wassertieren stammt sowieso aus den Meeren und Süssgewässern.» Und hier seien durchaus Fortschritte in Sicht: Ein laufendes Forschungsprojekt untersuche derzeit beispielsweise, welche Fangmethoden das geringstmögliche Tierleid verursache und präsentiere seine Resultate laufend auf der «fair-fish»-Datenbank.
Die von Hochschulen und Branchenakteuren lancierte Koordinationsstelle Aquakultur nimmt die Analysen und Empfehlungen von Billo Heinzpeter Studer zumindest teilweise auf. Das Ziel ist es, den Aquakultursektor in der Schweiz durch die Förderung der Koordination unter den Branchenakteuren zu entwickeln sowie Informations- und Kommunikationsbrücken zu öffnen, um bei rechtlichen, technischen, umweltbezogenen und wirtschaftlichen Herausforderungen zu unterstützen.
Mit einem gezielten Wissenstransfer innerhalb der Wertschöpfungskette sollen Effizienz und Nachhaltigkeit und damit die Aquakulturpraktiken optimiert werden. Jean-Baptiste Luce, Co-Direktor der Koordinationsstelle Aquakultur Schweiz konkretisiert die Ziele: «Wir sind der Meinung, dass es ebenso wichtig ist, die Nachhaltigkeit von Aquakulturpraktiken ebenso wie das Wohlergehen der Tiere zu berücksichtigen.» Ein signifikanter Einfluss könne jedoch nur durch Veränderungen erreicht werden, welche die grossflächige Produktion betreffen. Die Förderung der Aufzucht von Arten ohne Berücksichtigung der Marktnachfrage sei jedoch nicht empfehlenswert. Dabei sei es effektiver, bewährte Verfahren für Arten mit etablierten Märkten zu fördern, indem Nachhaltigkeit, Tierschutz und Markterwägungen für einen ausgewogenen Ansatz in der Aquakultur kombiniert werden.
Jean-Baptiste Luce räumt aber auch die grossen Zielkonflikte für die Praxis ein: «Die Beziehung zwischen Fischarten und Wohlergehen umfasst möglicherweise nicht die gesamte Komplexität der Situation», erklärt er. «Und ohne ausreichendes Wissen können für jede Art schlechte Aufzuchtbedingungen auftreten – gute Haltebedingungen für fleischfressende Fische in der Aquakultur können mit dem richtigen Wissen und der richtigen Erfahrung in Bezug auf die Bedürfnisse der Arten erreicht werden», ergänzt er weiter.
Trotz aller Hindernisse vereint der Schweizerische Aquakulturverband mittlerweile über 40 Unternehmen aus der Aquakulturwelt, die mittlerweile immerhin 2’000 Tonnen gezüchtete Fische und Krustentiere repräsentieren.
Als eines der erfolgreichsten unabhängigen Unternehmen hat die Swiss Lachs AG die Pionierphase durchstanden. Das Unternehmen spezialisiert sich auf die Produktion hochwertiger Fische und setzt dabei innovative Zuchtverfahren ein, um sowohl das Fischwohl als auch minimale Auswirkungen auf die Umwelt zu gewährleisten. Das Ergebnis ist ein frischer, gesunder Lachs, welcher weder Umwelt noch Ökosysteme belastet. Ronald Herculeijns, Director Sales & Marketing bei der Swiss Lachs AG, präzisiert: «Lachs ist der beliebteste und meistkonsumierte Fisch der Schweiz – darum haben wir uns damals für diese Fischspezies entschieden und züchten nun Lachse, die frei sind von Hormonen, Antibiotika und anderen schädlichen Chemikalien.» Die Technologie der geschlossenen Kreislaufanlagen sei zudem besonders ressourcenschonend. Sie reduziert den Bedarf an Frischwasser auf zwei bis fünf Prozent. Swiss Lachs AG zieht die Lachse nach den höchsten Qualitätsstandards auf und fokussiert sich dabei konsequent auf Nachhaltigkeit auf allen Ebenen.
Seit der Lancierung 2018 wurde das Potential der Lachsveredelung genutzt und zusätzlich eine Filetierungs- und Räucherkapazitäten in Lostallo aufgebaut. Im Jahr 2023 wurden insgesamt rund 97’500 Fische gezüchtet und zu feinsten Lachsdelikatessen verarbeitet. Der Unternehmensaufbau blieb dabei nicht ohne Stromschnellen, betont Ronald Herculeijns: «Leider mussten wir seit der Lancierung vor sechs Jahren schon einige stürmische Zeiten durchleben – so reduzierten sich während des Coronavirus-Lockdowns die Bestellungen von Kunden aus dem Fischhandel dramatisch und da die Fischhändler die Gastronomie mit Swiss Lachs beliefern, fielen während vieler Monate diese Bestellungen komplett weg.» Mehrbestellungen aus dem Detailhandel kompensierten den Ausfall in der Pandemiezeit nur teilweise, erfreulicherweise verdreifachten sich aber die Bestellungen im Onlineshop. «Unser Marketingfokus und verkaufsstrategische Priorität liegt im Direktverkauf an Endkonsumenten, da dort die besten Margen erzielt werden», sagt Ronald Herculeijns.
Seither folgten als Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine neue Herausforderungen, namentlich mit dramatisch steigenden Kosten für Energie, Salz, Sauerstoff und Fischfutter. «Unsere Energiekosten bei gleichem Energieverbrauch haben sich fast verdreifacht», präzisiert Roland Herculeijns. Letztes Jahr konnte aber eine Photovoltaikanlage auf dem Dach installiert werden, womit nun 10 Prozent des Energiebedarfs gedeckt werden können.
Aktuell verursachten die starken Unwetter im Juni 2024 enorme Schäden und viel Leid – auch in Lostallo. «Zum Glück wurden unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Lachsfarm und Fische verschont», erklärt Roland Herculeijns und führt weiter aus: «Vier Mitarbeitende waren aber 36 Stunden ununterbrochen damit beschäftigt, die Notstromgeneratoren und das System in Betrieb zu halten.» Dank der effektiven Notfallmassnahmen und der Unterstützung der lokalen Behörden sei es der Swiss Lachs AG aber gelungen, die Auswirkungen auf den Betrieb in Grenzen zu halten.
Swissness und Aquakultur sind im Gegensatz zu anderen Produktkategorien keine naturgegebene logische Kombination – ob als Zusatzbetriebszweig für die Nutztierhaltung oder im gewerblich-industriellen Rahmen. Staatliche Fördermittel und Programme müssen sich angesichts der preis- und marktdominierenden Importprodukte auf ein beschränktes Marktpotential ausrichten.
«Best Practice» in Bezug auf Tierwohlanforderungen und gesamtbetrieblicher Nachhaltigkeit, namentlich bezüglich Wasser- und Energieverbrauch, stellen auch aus ökonomischer Sicht die wichtigste Voraussetzung für den Markterfolg dar. Besonders wichtig sind diese Erkenntnisse mit Blick auf allfällige Direktzahlungsfördersysteme. Von Anfang an sollten sich diese an konsequenter «Best Practice» orientieren. Ansonsten bestehen wenig Chancen zur gezielten Nischenförderung, sondern vielmehr ein grosses Risiko.
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