Ein Kompetenzzentrum fürs Melken und die Tiergesundheit

Mit dem Melkforum in Zollikofen geht das schweizweit umfassendste Kompetenzzentrum für Melktechnik für Schulung und Ausbildung bis 700 Personen sämtlicher Kompetenzstufen in Betrieb. Forschung spielt noch keine Rolle, soll aber noch hinzukommen.
Zuletzt aktualisiert am 3. November 2023
von Michael Flückiger
4 Minuten Lesedauer
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«Die Milchwirtschaft ist in Bewegung, Tierwohl und Milchqualität werden immer wichtiger. Gleichzeitig muss die Produktion effizient sein.» Der Berner Regierungsrat Christoph Ammann, Vorsteher der Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion WEU, ist überzeugt, «dass wir mit dem Melkforum die Zukunft der Milchproduktion prägen werden.»

Tatsächlich ist das Melkforum Rütti, das einzige seiner Art in der Schweiz. Es löst das bisherige von Agroscope betriebene Kompetenzzentrum im thurgauischen Tänikon-Ettenhausen ab. Rupert Bruckmaier, international anerkannte Melkexperte und Professor für Veterinär-Physiologie an der Universität Bern, ist erleichtert, dass die Melkkompetenz in der Schweiz mit dem neuen Melkforum Rütti bei Zollikofen erhalten bleibt.

Dabei stehe nicht nur das Tierwohl und die Schulung in effizienter Melktechnik im Vordergrund. Auch der Tatsache, dass die Schweiz gegenüber den international vorherrschenden Holsteinern mit ihrem Alpbetrieb, ihrer unterschiedlichen Fütterungsgrundlagen und der unterschiedlichen Genetik ihrer Kuhrassen eigene Anforderungen habe, gelte es Rechnung zu tragen.

Industrie entwickelt sich rasch

«Die verschiedenen Player in der Melkindustrie bringen derzeit sehr dynamisch Neuerungen mit elektronischen Systemen in den Markt», so Rupert Bruckmaier. Da sei eine Zertifizierung von Geräten, die Schweizer Gegebenheiten berücksichtigt, von besonderer Bedeutung.» Er ist überzeugt, dass am Melkforum in Zollikofen nicht nur die Anwendung von Melktechnik am Tier vermittelt werden soll. Es brauche auch Forschung.

So liegt es zwar im kommerziellen Interesse der Industrie, dass sie die Melksysteme und Melkgeräte so ausstattet, dass die Tiergesundheit gefördert wird. «Doch ist für mich klar, dass man die Gesundheit unserer Schweizer Kühe nicht allein der Industrie überlassen soll», gibt Rupert Bruckmaier zu bedenken. Durch eine eigene nicht absatzgetriebene Forschung könne den Gegebenheiten besser Rechnung getragen werden.

Forschung kommt erst im zweiten Schritt hinzu

Er denkt dabei an eine Zukunft, die im Melkforum Rütti noch zu realisieren ist. Wie Peter Spring, Leiter Agronomie BFH-HAFL, erläutert, sei es zunächst mal darum gegangen, das Melkforum mit Unterstützung des Schweizerischen Landmaschinen-Verbands (SLV) und mehrerer Unternehmen der Melkindustrie fristgerecht zu bauen und einzurichten.

«Für uns hat die Ausbildung verschiedener Berufsgruppen von anwendungsorientierten Landwirten EFZ bis hin zu Melkmaschinenkontrolleuren und -mechanikern Priorität» sagt er. «Wir wollen auch Forschung betreiben. Doch bauen wir diese erst in einem zweiten Schritt auf.»

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Andreas Niederhäuser und Berner Regierungsrat Christoph Ammann im Gespräch. (mfl)

Vom Melkstand bis zum hochautomatisierten Melkroboter

Wer die Anlage bei der Rütti betritt, trifft auf mehrere Räumlichkeiten, wo verschiedene Melksysteme für diverse Betriebs- und Herdegrössen wie auch Ansprüche in mehreren Räumen untergebracht sind. Die grossen Produzenten sind mit ihren Geräten präsent. Sie reichen vom einfachen Melkstand bis hin zum Melkroboter mit integrierter Milchanalyse sowie elektronischer Überwachung und Kontrolle der Milchkühe.

Andreas Niederhäuser, der Leiter des Melkforums BFH HAFL und der Anlage, führt Regierungsrat Christoph Ammann von Raum zu Raum und zeigt ihm den neusten Stand der Technik. Vor Ort ist auch Andreas Salzmann vom milchwirtschaftlichen Beratungsdienst Casei und Leiter Melkforum Inforama und Organisation. In Zusammenarbeit mit der BFH-HAFL hat er bereits vor der Eröffnung des Melkforums überbetriebliche Kurse durchgeführt und übernimmt nun zusätzliche neue Aufgaben im Kurswesen.

Keine echten Kühe im Melkforum

Zwar ist der Rütti ein Pachtbetrieb mit Milchkühen angegliedert und wird auch durchaus zu Unterrichtszwecken hinzugezogen. Doch werden am Melkforum Zollikofen keine lebenden Tiere gemolken. Stattdessen lassen sich die Melkbecher an Kuhattrappen und Kunststoffeuter anlegen.

Wert wird auch auf möglichst grosse Veranschaulichung gelegt. So sind in den Räumlichkeiten verschiedene Einrichtungen zu sehen, die man aus den Ställen kennt, aber nicht zwingend notwendig sind für die Vermittlung der Technik. Überdies sind manche Leitungen für Vorführzwecke nicht aus dem heutigen Standardmaterial Edelstahl sondern aus Glas gefertigt. Durch die Leitungen fliesst eine Salzwasserlösung. Eine viertelstündige Inbetriebnahme reicht dann oft zur Veranschaulichung, wie Andreas Salzmann festhält.

Ausbildungen nach einheitlichem Standard

Das Ausbildungsprogramm, welches die BFH-HAFL im Auftrag der Melk-Branche durchführt, beinhaltet umfassende Aus- und Weiterbildungen. Es basiert auf einem einheitlichen Branchenstandard, der im Grundsatz schon länger besteht, aber auf die Eröffnung des Melkforums hin von den beteiligten Formen und Organisationen noch einmal überarbeitet und unterzeichnet worden ist.

Die Ausbildungen richten sich in Tiefe und Detaillierung an unterschiedlichste Zielgruppen. Aufwändigere Aus- und Weiterbildungen der Melkmaschinenkontrolleure mit Fachausweis gemäss Branchenstandard sind im Verhältnis zur Ausbildung der angehenden Landwirtinnen und Landwirte eine kleinere Gruppe. Integriert in die rund 700 Ausbildungen pro Jahr bietet das Melkforum auch Nichtfachleuten die Möglichkeit, sich in halbtägigen Kursen mit den Themen Melken und Melkhygiene vertraut zu machen.