Agrotourismus im Aufwind – trotz Stolpersteinen

Agrotourismus Schweiz hat im letzten Jahr mehr Logiernächte verzeichnet. Die Anzahl der Anbieterinnen und Anbieter ist aber zurückgegangen.
Zuletzt aktualisiert am 10. April 2025
von Jonas Ingold
3 Minuten Lesedauer
20250409 Agrotourismus Jin

Vom solothurnischen Gänsbrunnen führt eine steile, einspurige Strasse hinauf zum Berghof Montpelon im Solothurner Jura. Hier feiern zahlreiche Menschen Hochzeiten, Geburtstage oder andere Feste. «Wir starten dieses Jahr am 11. Mai und bis September haben wir bereits rund 50 Events definitiv gebucht», erklärt Noemi Jaus, die den Betrieb 2022 von ihren Grosseltern übernommen hat. Gemeinsam mit ihrem Team bietet sie auf dem 32-Hektaren-Hof verschiedene Übernachtungsmöglichkeiten an – von der klassischen Ferienwohnung bis zur Bubble-Suite mit Blick auf die Sterne.

Auch im landwirtschaftlichen Betrieb setzt Jaus auf Vielfalt. Besonders stark ist die Direktvermarktung: Ein neuer Hofladen ist im Aufbau, und die Nachfrage nach den Fleisch-Mischpaketen ihrer Galloway-Rinder ist gross.

20250409 Bubble Suite Agrartourismus Jin

Mehr Gäste, aber weniger Betriebe

Noemi Jaus steht exemplarisch für viele Betriebe, die auf Agrotourismus als zusätzliches Standbein setzen. Gemäss einer Umfrage von Agrotourismus Schweiz verzeichneten deren Mitglieder im vergangenen Jahr insgesamt 124’758 Logiernächte – ein erfreulicher Anstieg gegenüber den 115’900 Übernachtungen im Vorjahr*. Dies konnte der scheidende Geschäftsführer Andreas Allenspach trotz anspruchsvollem Umfeld verkünden.

Herausforderung Raumplanung

Denn der Strukturwandel macht auch vor dem Agrotourismus nicht halt: Die Zahl der Mitgliedsbetriebe ist von 197 auf 185 zurückgegangen. Laut Allenspach handelt es sich dabei einerseits um Betriebe, die ihren Betrieb eingestellt haben, andererseits um solche, bei denen die Nachfolge kein Interesse mehr am Agrotourismus zeigte. Ein weiteres Hindernis sieht er im Raumplanungsgesetz, das je nach Kanton besonders streng umgesetzt werde. «Ich habe weiterhin die Hoffnung, dass Agrotourismus eines Tages als landwirtschaftlicher Haupterwerb anerkannt wird», sagt Allenspach.

Wechsel an der Spitze von Agrotourismus Schweiz

An der Generalversammlung von Agrotourismus Schweiz wurde Andreas Allenspach feierlich in den Ruhestand verabschiedet. Mit Philipp Steiner übernimmt ein erfahrener Branchenkenner die Geschäftsführung. Steiner war zuletzt für die «Fondation pour la promotion du Goût» in Lausanne tätig und bringt umfassende Erfahrungen aus Wirtschaft und Tourismus mit.

Präsident Roland Lymann erinnerte in seinem Rückblick an die schwierige Ausgangslage bei Andreas Allenspachs Amtsantritt Anfang 2016: der drohende – und später vollzogene – Austritt von Ferien auf dem Bauernhof aus dem Dachverband, ein Defizit in der Kasse und eine Mediation im Vorstand prägten die Anfänge. Heute steht Agrotourismus Schweiz auf solider Basis, verfügt über ein finanzielles Polster und einen geeinten Vorstand. «Wir haben ein riesiges Netzwerk in Landwirtschaft und Tourismus aufgebaut», so Lymann zur Amtszeit von Andreas Allenspach.

Auch im Vorstand gab es Wechsel zu verzeichnen: Lino Gross-Erne ist zum neuen Vizepräsidenten gewählt worden, nachdem die bisherige Vizepräsidentin Karin Wechsler zurückgetreten war. Neu in den Vorstand gewählt wurde der bisherige Geschäftsführer Andreas Allenspach.

  • Andreas Allenspach (bisheriger Geschäftsführer), Roland Lymann (Präsident) und Philipp Steiner (neuer Geschäftsführer). (jin)
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  • Vorstand und Geschäftsführung v.l.: Karin Schranz, Andreas Allenspach, Lino Gross-Erne, Claudia Tschannen, Roland Lymann, Philipp Steiner, Iwana Ducry, Gaby Mumenthaler, Ernst Wandfluh (NR, politischer Beirat). (jin)
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Politischer Rückhalt gefordert

Auch politisch soll Bewegung in die Sache kommen. Der Berner Nationalrat Ernst Wandfluh, selbst Anbieter von Agrotourismus und Mitglied des politischen Beirats von Agrotourismus Schweiz, kritisiert teils absurde Auflagen. Er betont die Notwendigkeit eines diversifizierten Einkommens für Landwirtinnen und Landwirte, wozu auch der Agrotourismus massgeblich beitrage. Als Vorbilder nennt er Österreich, das Allgäu oder den Schwarzwald: «Dort gibt es unzählige Höfe mit Gastwirtschaft und anderen agrotouristischen Angeboten.»

Auch Präsident Roland Lymann sieht Handlungsbedarf – macht jedoch die Strategie klar: «Wir wollen Gäste, die Kuhherden anschauen und nicht Kühe, die Gästeherden beobachten.» Anders gesagt: Der Agrotourismus in der Schweiz soll kein Massentourismus sein, sondern ein qualitativ hochwertiges, bodenständiges Erlebnis bleiben.

 

*Die Anzahl Logiernächte beziehen sich auf eine Umfrage unter den Mitgliedern von Agrotourismus Schweiz. Es gibt jedoch weitere Anbieter, die dem Verband nicht angehören. 

Agrotourismus Awards 2025

Zum dritten Mal hat e-domizil im Rahmen der Mitgliederversammlung von Agrotourismus Schweiz den Agrotourismus Award vergeben. Die Ferienwohnung Langberg in Lauerz (SZ) holt sich mit einer Bewertung von 4.9 von 5 möglichen Punkten den Spitzenplatz und steht nach dem zweiten Rang im Vorjahr nun ganz oben auf dem Podest. Acht Betriebe wurden ausgezeichnet – sie zählen zu den über 160 agrotouristischen Unterkünften, die auf e-domizil buchbar sind. Die Bewertungen basieren auf Rückmeldungen von Gästen in den Bereichen Ausstattung, Lage, Sauberkeit, äusserer Eindruck und Preis-Leistungs-Verhältnis.

Die Gewinnerinnen und Gewinner 2025:

  • 🥇 Ferienwohnung Langberg, Lauerz SZ – Ruth & Ruedi Schelbert (4.9)

  • 🥈 Etschenried-Hof, Obbürgen NW – Vreni & Toni Joller (4.9)

  • 🥉 Rohrigmoos-Hof, Flühli LU – Martina & Bernhard Fuchs Breu (4.8)

  • Seehof, Rorschacherberg SG – Andrea & Gebi Buob (4.8)

  • Bauernhof Bleiche, Rohrbach BE – Stefan Zulauf (4.5)

  • Haslers Hof, Hittnau ZH – Karin & Martin Hasler (4.5)

  • Barbara Peder - BioBergün, Bergün GR – Riet Schmidt (4.5)

  • Ferienwohnung Neuhof, Muri AG – Veronika & Jakob Siedler (4.4)

20250409 Agrotourismus Awards Jin
Stefan Zulauf und Nathalie Schenk (Bauernhof Bleiche, Rang 5); Albéric Droz (e-domizil); Toni und Vreni Joller (Etschenried-Hof, Rang 2); Dieter Rumpel (e-domizil); Ruth und Ruedi Schelber (Ferienwohnung Langberg, Rang 1). (jin)