Schweizer Zuckerrübenanbau mit Herausforderungen, aber auch mit Fortschritten

Klimatische Schwierigkeiten wie ein nasser Frühling und anschliessende Trockenheit haben die Aussaat der Zuckerrüben verzögert und das Wachstum beeinträchtigt, während neue Schädlinge wie der Rüsselkäfer zusätzliche Probleme bereiten. Gleichzeitig verbessern aber Fortschritte in der Pflanzenzucht und ein aktuell guter Zuckerpreis die Wettbewerbsfähigkeit der Kultur.
Zuletzt aktualisiert am 8. Dezember 2023
von Renate Hodel
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2023 Zuckerrueben Ernte Jin

Der Start ins Rübenjahr 2023 glückte weniger gut als noch letztes Jahr. Aufgrund des nassen Frühlings verzögerte sich die Aussaat und zog sich in die Länge. «Anschliessend folgte eine Trockenheit, welche das Wachstum, wie auch schon die späte Saat, negativ beeinflusste», erklärt Luzi Schneider, Geschäftsführer der Schweizerischen Fachstelle für Zuckerrübenbau. Trotz dieser klimatischen Herausforderungen seien die Erträge durchschnittlich und relativ zufriedenstellend. «Besser geht immer», merkt Luzi Schneider an und ergänzt, dass noch nach der dritten Ertragserhebung mit mehr Gewicht gerechnet wurde: «Die nasse Ernte hat den Zuckergehalt etwas verwässert, dennoch sind die Zuckererträge in Anbetracht der Tonnagen akzeptabel.» Der Klimawandel sei grundsätzlich für alle Kulturen eine Herausforderung und stelle auch den Zuckerrübenanbau vor grosse Hürden. «Dennoch ist die Zuckerrübe sehr robust und kann unter allen Bedingungen sehr gut kompensieren – das hat sie dieses Jahr einmal mehr eindrücklich gezeigt», so Luzi Schneider.

Aktuelle Herausforderungen im Pflanzenschutz

Auch die Schäden durch Blatt Blattkrankheiten und Schädlinge haben sich laut Luzi Schneider einigermassen in Grenzen gehalten. Bei den Blattkrankheiten habe es nur geringe Vorfälle gegeben, da viele Blätter frühzeitig zusammengebrochen seien und ein Befall erst spät erkannt worden sei. «Daher hat der Neuaustrieb das Bild sicher etwas verzerrt», ergänzt er.

Seit kurzem trat ausserdem der Rüsselkäfer in der Schweiz zum ersten Mal auf und dieses Jahr gab es laut der Schweizerischen Hagel-Versicherungsgesellschaft die ersteren grösseren Schäden. Allerdings seien die Schäden geringer ausgefallen als befürchtet, sagt Luzi Schneider: «Betroffen waren ungefähr 500 bis 1’000 Hektaren, wovon die Hälfte etwas stärker befallen war – ein definitives Resümee kann aber erst am Ende der Kampagne gezogen werden.» Meistens sei ein Schädlingsbefall auch an stark an die klimatischen Bedingungen gekoppelt, ergänzt er. «Die Trockenheit begünstigt den Rübenrüssler stark – trotzdem dürfte das Hauptproblem in den betroffenen Regionen die Hitze gewesen sein», erklärt Luzi Schneider. An Strategien zur Bekämpfung des Rüsselkäfers werde aktuell auch gearbeitet, wobei Erfahrungen aus Frankreich und Italien genutzt würden, so der Fachstellengeschäftsführer. «Sie haben Erfahrungen mit dem Schädling», sagt Luzi Schneider.

Entwicklung im Zuckerrübenanbau

Trotz dieser Herausforderungen hat sich der Zuckerrübenanbau in der Schweiz dieses Jahr leicht positiv entwickelt: «Im aktuellen Jahr sind es rund 3’900 Landwirtinnen und Landwirte, die Rüben auf rund 16’500 Hektaren bewirtschafteten», sagt Raphael Wild, Kommunikationsleiter der Schweizer Zucker AG. Die Anbaufläche sei damit 2023 etwas gestiegen und der Anbau von Zuckerrüben scheine sich zu erholen, bestätigt auch Luzi Schneider. «Wir hoffen, dass wir diesen Trend fortsetzen können», ergänzt er. Auch die Bioflächen seien leicht steigend und das Ziel sei es, im nächsten Jahr die 300-Hektar-Schwelle zu erreichen. Bei den IP-Suisse-Zuckerrüben harze der Absatz allerdings etwas, weswegen die Fläche gedeckelt worden sei. «Die Nachfrage für mehr Fläche wäre von Seiten Landwirtinne und Landwirten aber vorhanden», erläutert Luzi Schneider.

Zuckerrueben Trocken 02 Rho

Import, Swissness und Qualität der Ware

Obwohl die Zuckerrübenfläche dieses Jahr wieder zugenommen hat, haben die beiden Zuckerfabriken zu wenig Schweizer Zuckerrüben. «Um beide Werke voll auszulasten, benötigen wir rund 20’000 Hektaren», so Raphael Wild. Die Bemühungen, Neupflanzer zu gewinnen und treue Produzenten zu halten, würden also weiterlaufen. Die fehlende Menge an Rüben werde derweil aus Deutschland importiert und im Werk in Frauenfeld verarbeitet. So würden rund 300’000 Tonnen Rüben aus Deutschland eingeführt, was etwa 20 Prozent des Gesamtvolumens ausmache. «Das hilft uns die beiden Werke auch in schwierigen Jahren einigermassen auszulasten», erklärt Raphael Wild und ergänzt: «Das Ziel aber ist es natürlich, die Werke mit möglichst viel Schweizer Rüben zu beliefern – unsere Kunden wünschen sich schliesslich Schweizer Zucker, damit die Swissness ihrer Produkte gesichert ist.»

Die diesjährige Zuckerrübenkampagne verlaufe insgesamt aber positiv, berichtet Raphael Wild weiter. Die Rübenlieferungen erfolgten zuverlässig, jedoch bereite das Wetter Sorgen. «Bei zu viel Regen können die Rüben nicht geerntet werden, was schwierige Erntebedingungen verursacht und bei der Anfuhr zu Verzögerungen führen kann», erklärt er. Zudem werde bei nassem Wetter auch mehr Fremdbesatz angeliefert.

Die intensiven Niederschläge in den letzten Wochen hätten ausserdem dazu geführt, dass die Rüben viel Wasser aufgesogen hätten. «Das erhöht zwar ihr Gewicht, senkt aber den Zuckergehalt», erläutert Raphael Wild. Generell seien die Zuckergehalte dieses Jahr tief, insbesondere in der Westschweiz, wo der Krankheitsdruck höher und die Sommer Trockenperiode ausgeprägter gewesen sei.

Personalsituation und wirtschaftliche Aspekte

Derweil habe sich die Personalsituation in den Werken im Vergleich zum Vorjahr verbessert. «Letztes Jahr haben wir den Fachkräftemangel akut zu spüren bekommen», sagt Raphael Wild. Inzwischen habe die Mehrheit der offenen Stellen aber mit qualifizierten Mitarbeitenden besetzt werden können, ergänzt er. «Die Lebensmittelbranche erweist sich als doch recht krisenresistent und wir bieten interessante Arbeitsplätze in und ausserhalb der Kampagne an», meint der Kommunikationsleiter.

Während sich die Personalsituation etwas entspannt habe, seien bei der Schweizer Zucker AG aber die steigenden Produktionskosten, insbesondere für Energie und Logistik, spürbar. «Im Gegenzug ist aber auch der Zuckerpreis angestiegen, was die Kostenlage etwas verbessert», erläutert Raphael Wild. Grundsätzlich sei die Produktion in den letzten Jahren deutlich teurer geworden, was einen langfristig höheren Zuckerpreis verlange, um diese Kosten auch zu decken. Dieser sei aber ist volatil und abhängig vom Welt- und EU-Preis, beeinflusst von den Erntesituationen in grossen Produktionsländern wie Brasilien und Indien. «Ist die Ernte in diesen Ländern schlecht, schlägt sich das sofort auf den Preis um und da auf dem Weltmarkt Zucker aktuell eher knapp ist, sind die Preise hoch», so Raphael Wild. Die EU erwarte dieses Jahr eine durchschnittliche Ernte, habe aber einen tiefen Lagerbestand, ergänzt er weiter: «Wir rechnen deshalb für die Schweiz für 2024 mit nach wie vor guten Preisen.»

2021 Zuckerrueben Zuckerfabrik Aarberg Ruebenlager Lid
Die diesjährige Zuckerrübenkampagne verläuft insgesamt positiv, sagt der Kommunikationsleiter der Schweizer Zucker AG. (lid)

Fortschritte und Wettbewerbsfähigkeit

Dank dem höheren Zuckerpreis könne die Schweizer Zucker AG auch wieder deutlich mehr für die Rüben bezahlen. «Damit hat die Rübe gegenüber den anderen Ackerkulturen wieder an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen – sie ist trotz dem höheren Krankheitsdruck wieder eine attraktive Ackerfrucht», sagt Raphael Wild.

Daneben macht auch die Forschung und Züchtung Fortschritte, was die Attraktivität weiter verbessert. «Dank Züchtungsfortschritten stehen fünf neue Sorten zur Verfügung, die bei hohem Krankheitsdruck bessere Ergebnisse versprechen», erklärt Raphael Wild. Tatsächlich sei die Züchtung hin zu resistenteren Sorten vorangekommen, bestätigt auch Luzi Schneider. Bei der Blattkrankheit Cercospora und dem von Zikaden verursachten Syndrome Basses Richesses gebe es kontinuierliche Fortschritte. «Und gegen die Viröse Vergilbung konnten wir für den Anbau 2024 erstmals eine Sorte auf den Markt bringen», so Luzi Schneider. Für die Zukunft dürfte Resilienz und Anpassungsfähigkeit auch weiter entscheidend sein.