
Evolène: ein Jahr nach den Überschwemmungen
Zweimal innerhalb weniger Tage wurde Ende Juni 2024 die Walliser Gemeinde Evolène von sintflutartigen Regenfällen get...
Kräuter und Heilpflanzen wurden in der Schweiz ursprünglich als Wildpflanzen gesammelt oder in grossen Mengen aus dem Ausland importiert. Nur während der Weltkriegsjahre fand ein nennenswerter Anbau statt, weil der Import zum Erliegen kam. Versuche, in grösserem Stil Kräuter und Heilpflanzen anzubauen, scheiterten danach für einige Jahrzehnte an den hohen Betriebskosten in der Schweiz.
Erst als die Firma Ricola in den 1980er-Jahren den Entscheid fällte, für ihren Kräuterzucker nur in der Schweiz gezogene Pflanzen zu verwenden, änderte sich laut Pro Specie Rara, der Schweizerischen Stiftung für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren, in diesem Bereich etwas. Heute ist Ricola der grösste Abnehmer von Schweizer Kräutern. Über 100 Betriebe pflanzen für den Kräuterbonbon-Spezialisten im Berggebiet die 13 benötigten Kräuter an. Ricola verarbeitet jährlich 250 Tonnen getrocknete Kräuter zu Bonbons und zu Tee.
Was für die Kräuter für Ricola gilt, stimmt für die meisten in der Schweiz geernteten Kräuter: Der grösste Anteil dieser Pflanzen wird für eine Verwendung in getrockneter Form angebaut. «Für die Produktion von Frischkräutern, die in der Küche oder im Garten Verwendung finden, besteht ein viel kleinerer Markt», erklärt Angela Deppeler, die Produktmanagerin Wein und Kräuter von Bio Suisse. Und nicht nur für die Kräuter für Ricola ist es ein Qualitäts- und Marketingmerkmal, aus den Schweizer Bergen zu stammen. «Besonders viele Kräuterproduzenten sind im Wallis, im Kanton Bern mit seinen angrenzenden Hügel- und Berggebieten, sowie im Puschlav angesiedelt», sagt Markus Gammeter, Geschäftsführer der ArGe Bergkräuter, der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Kräuterbaus im Berggebiet.
Auch wenn Ricola ein grosser Auftraggeber ist, bleibt der Kräuteranbau hierzulande ein Nischenmarkt. «Es gibt einige wenige Betriebe in der Schweiz, die ausschliesslich auf Kräuteranbau setzen – für die meisten Landwirte und Landwirtinnen ist es eine willkommene Diversifizierung», so Angela Deppeler. Genaue Zahlen zu den Abnehmern der Kräuter aus Bioanbau, die über Dreiviertel der Gesamtproduktion ausmachen, hat sie nicht zur Hand. «Ricola ist mit rund 50 Prozent ein sehr wichtiger Auftraggeber im Kräuterbau, weitere 20 Prozent werden zu Tee und Gewürzen verarbeitet, 20 Prozent über Direktvermarktung vertrieben und vielleicht zehn Prozent zu Kosmetika verarbeitet», macht die Fachfrau von Bio Suisse eine ganz grobe Schätzung.
Noch immer ist es so, dass der schweizerische Bedarf an Kräutern mehrheitlich aus dem Ausland gedeckt wird. Da für Gewürz- und Medizinalpflanzen kein Zollschutz besteht, ist die Schweizer Produktion stark der günstigen Konkurrenz aus dem Ausland ausgesetzt. Weitere Gründe für die geringe Anzahl an heimischen Kräuterproduzenten sieht Markus Gammeter darin, dass es sich nicht einfach gestaltet, einen Abnehmer zu finden und die Arbeitsbelastung sehr hoch ist. Meist werden die Kräuter in Handarbeit gepflegt und gejätet, was beachtliche Produktionskosten verursacht. Angela Deppeler führt die hohen Qualitätsanforderungen und den nötigen Zugang zu einer Trocknungsanlage als weitere Erschwernisse ins Feld.
Im Jahr 2024 bauten laut dem Bundesamt für Statistik 196 Produzenten auf rund 160 Hektaren einjährige Gewürz- und Medizinalpflanzen an – 366 Produzenten setzten auf mehrjährige Gewürz- und Medizinalkräuter und bebauten 252 Hektaren. Der Vergleich mit dem Kartoffelanbau zeigt, wie wenig verbreitet diese Kultur ist: Das Bundesamt für Landwirtschaft zählt rund 11’000 Hektaren, die mit Kartoffeln bepflanzt werden. Wobei bei den Kräutern die Wertschöpfung pro Fläche viel höher ist, gibt Angela Deppeler zu bedenken.
Der Kräuteranbau birgt aber durchaus auch Chancen, auf die zunehmend mehr Betriebe setzen. Sowohl Markus Gammeter als auch Angela Deppeler stellen fest, dass dieser Nischenmarkt seit einigen Jahren beständig am Wachsen ist. «Vorteilhaft ist sicher, dass auf kleinen Flächen eine hohe Wertschöpfung erzielt werden kann und die Branche dank der ArGe Bergkräuter und der Vereinigung für biologischen Kräuterbau VBKB gut organisiert ist», erklärt die Fachverantwortliche von Bio Suisse.
Ein Landwirtschaftsbetrieb, der diese Vorteile für sich erkannt hat, vor allem aber aus purer Leidenschaft auf den Kräuterbau setzt, ist der Hof Neufallenbach weit hinten im Engelbergertal. Hier lebt die Familie Bissig-Odermatt. Wäli Bissig hat den Hof, der zwischen steil abfallenden Berghängen auf der Ebene zwischen Grafenort im Kanton Obwalden und Wolfenschiessen im Kanton Nidwalden liegt, von seinen Eltern übernommen. Er ist für den Stall verantwortlich, in dem Milchkühe und Jungvieh stehen. Als vor 25 Jahren seine Liebste Beatrice einzog, vergrösserte sich der Gartenbereich im Rekordtempo und ihr Herzensprojekt, der Kräuteranbau, mauserte sich zum Aushängeschild und der Haupteinnahmequelle des biozertifizierten Hofes.
Mithilfe von zwei Angestellten, Praktikantinnen, freiwilligen Kräuterliebhabern und ihrer Familie bewirtschaftet die Kräuterbäuerin und studierte Ethnobotanikerin eine Gartenanlage mit 4’000 Quadratmetern Fläche, auf der 300 verschiedene Heilkräuter gedeihen. Zu den im «Zaubergarten» gezogenen Kräutern erntet und verarbeitet das Team während der Saison, die von März bis Oktober dauert, auch auf umliegenden Ökowiesen Kräuter und Blumen.
Beatrice Bissig-Odermatts botanischer Heilpflanzengarten besteht aus verschiedenen Bereichen, die auf die Bedürfnisse der jeweiligen Pflanzen abgestimmt sind. Neben dem grossen Tee- und Kräutergarten gibt es einen Schattengarten, einen Steingarten, einen Vertikalgarten und ein kleines Gewächshaus. Im Topfgarten finden Neuzuzüger ihren ersten Platz und der Garten für Räucherpflanzen nimmt ebenfalls einen wichtigen Stellenwert ein. Das innovative Schmuckstück ist der Dachgarten des 2009 erbauten Kräuterhauses mit 300 Quadratmetern Nutzfläche. «Die paar Höhenmeter mehr schaffen ein mediterranes Klima, das Thymian, Lavendel, Edelweiss oder Ringelblumen gut gedeihen lässt», erklärt Antonia Müller, die auf dem Hof Neufallenbach vor allem für die Verarbeitung der Kräuter zuständig ist.
Die von Hand geernteten Kräuter werden im Kräuterhaus, das zwischen Wohnhaus und Stall eingebettet ist, weiterverarbeitet. Erst geht es für die meisten Blüten und Blätter in den selbst konstruierten Trocknungsofen. Dort werden sie während rund drei Tagen bei 40 Grad Celsius haltbar gemacht. Danach werden die Pflanzen für die Lagerung in grosse Säcke abgepackt. Im Herbst steht dann das Mischen der verschiedenen Teesorten an, die den Hauptbestandteil der Verkaufsprodukte bilden. Im Sortiment des Gartenkiosks sind aber auch selbst hergestellte Kräutertrockenwürste, Kräutersalz, Sirup, Düfte und Räucherkräuter. «Wir kaufen keine Kräuter zu, verwenden nur, was bei uns wächst», ist Antonia Müller wichtig zu erwähnen.
Der Hof Neufallenbach setzt grösstenteils auf Direktvermarktung. Neben dem Gartenkiosk als Hofladen können die biozertifizierten Produkte auch im Onlineshop auf der eigenen Webseite erworben werden. «Zudem liefern wir unsere Produkte an ausgewählte Läden und Restaurants», erzählt Antonia Müller.
Es sind aber nicht nur die Produkte, die das fleissige Schaffen im Engelbergertal sichtbar machen. Beatrice Bissig-Odermatt und ihrem mit grossem Engagement mitwirkenden Team ist es ein Anliegen, ihr Kräuterwissen weiterzugeben. Dazu organisieren sie zahlreiche Kurse über die Kraft der Räucherpflanzen, die Herstellung von Heilsalben und Tinkturen oder die Kräuterapotheke. Bei Gruppenführungen durch den Zaubergarten helfen auch die vier Kinder mit und beim Kräuterfestival, das im Mai 2025 zum zweiten Mal durchgeführt wurde, ist sowieso das gesamte Team auf den Beinen. Während zweier Tage konnten die 4’000 Besucherinnen und Besucher durch die Gartenlandschaften mit Mariendisteln, Wilder Minze, Johanniskraut, Salbei, Hopfen und Steinklee streifen, Zaubergartengesprächen lauschen, sich mit Kräuterkulinarik verwöhnen lassen und Kunst und Handwerk entdecken. «Unser Anliegen ist es, Jung und Alt mit der Kraft der Kräuter vertraut zu machen», sagt die Kräuterbäuerin.
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