LID: Für viele einheimischen Bauernfamilien hätte die Annahme zum Teil grosse Veränderungen bedeutet – wie wichtig war nun dieses deutliche Nein?
Urs Schneider: Die Initiative hätte zu einer fundamentalen Veränderung der Schweizer Landwirtschaft geführt, entsprechend ist das Resultat enorm wichtig. Manchmal gibt es bei Initiativen ja höchstens eine Akzentverschiebung – hier hätte die Initiative aber einen massiven Produktionsrückgang zur Folge gehabt und unser Selbstversorgungsgrad beispielsweise bei Geflügel wäre sehr tief gefallen. Diese markante Absenkung der inländischen Produktion hätte zu massiv höheren Einfuhren von Produkten geführt, bei denen Tierwohlaspekte nur noch schlecht hätten kontrolliert werden können. Auch für die Ökobilanz wäre das kein Gewinn gewesen. Entsprechend mussten wir uns die Frage stellen, ob dies wirklich besser ist.
LID: Im Abstimmungskampf wurde das Preisargument ins Feld geführt, es wurde vor massiv höheren Preisen für Lebensmittel gewarnt – gleichzeitig monieren die Bäuerinnen und Bauern regelmässig, dass die Preise für ihre Produkte zu tief sind. Tatsächlich geben Schweizerinnen und Schweizer heute im Vergleich zu früher mit gut 6 Prozent nur noch einen Bruchteil ihres Einkommens für Lebensmittel aus. Scheint es daher nicht ein bisschen widersprüchlich, sich gegen höhere Lebensmittelpreise zu stemmen?
Urs Schneider: Das ist auf den ersten Blick tatsächlich ein Widerspruch und wir arbeiten auch nicht gerne mit diesem Argument. Wir haben aber Vorabklärungen gemacht und festgestellt, dass Regionalität, weniger Importe und eben auch das Preisargument stechen. Für einen Teil der Bevölkerung insbesondere in den Städten spielt der Preis durchaus eine Rolle und daher haben wir entsprechend auch darauf hingewiesen, dass wenn die Initiative angenommen worden wäre, die Lebensmittelpreise entscheidend gestiegen wären. Die Argumentation schliesst aber nicht aus, dass wir für die Bäuerinnen und Bauern bessere Preise wollen. Wir haben in diesem Rahmen nie gesagt, dass wir tiefere Preise wollen – wir wollen, dass ein höherer Anteil bei den Produzentinnen und Produzenten bleibt.
LID: Seit ein paar Jahren sind die Bäuerinnen und Bauern im Dauerabstimmungskampf – wäre es für das öffentliche Image der Schweizer Landwirtschaft nicht wichtig, diese Trotzhaltung aufzugeben?
Urs Schneider: Es ist sicher nicht gut, dass wir ständig eine Ablehnungshaltung praktizieren müssen und uns in der Folge eine Blockadepolitik vorgeworfen wird. Wenn man aber die Entwicklungen beispielsweise im Antibiotikaverbrauch oder im ökologischen Bereich anschaut, dann ist es doppelt schade, dass wir immer gegen solche Initiativen ankämpfen müssen. Wir unternehmen ja eigentlich viel, aber wir schaffen es noch zu wenig, diese Errungenschaften der Bevölkerung zu vermitteln, damit dieser Einsatz auch respektiert wird. Insofern sind solche Initiativen zwar sicher mühsam, aber gleichzeitig auch eine Chance, um breit aufzuzeigen, was die Bäuerinnen und Bauern leisten. Für die Zukunft setzen wir uns ganz stark dafür ein, dass die neue Agrarpolitik sich nicht bloss zu einer Agrarpolitik, sondern einer ganzheitlichen Ernährungspolitik entwickelt, welche die ganze Wertschöpfungskette miteinbezieht. Die jüngsten und die zum Teil noch bevorstehenden Initiativen zielen alle auf die landwirtschaftliche Produktion und das kann so einfach nicht funktionieren. Den Bäuerinnen und Bauern aufzuerlegen, nur noch nach Biostandards zu produzieren, wenn dies am Markt dann nicht abgesetzt werden kann, geht nicht auf. Deshalb wäre ein gesamtheitlicher Ansatz wichtig.