Regionalprodukte aus dem Alpenraum auf die Bühne gehoben
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In der Werbung oder in den Supermarkt-Regalen, Fleischersatz-Produkte erleben derzeit einen Aufschwung. Obwohl der Anteil der Veganer gemäss der Mach-Konsumentenstudie 2021 lediglich bei 0,6%, jener der Vegetarier bei 4,1% lag. Die Ersatzprodukte sind meist aus ausländischen Rohstoffen wie Soja oder Erbsen hergestellt. Und auch sogenanntes Superfood wie Quinoa stammt oft aus ausländischer Produktion.
Gäbe es entsprechend Potenzial für die Schweizer Landwirtinnen und Landwirte? «Der Anteil der Veganer und Vegetarier ist in der Tat viel tiefer, als man aufgrund der öffentlichen Diskussion meinen könnte. Eine immer grössere Gruppe ist aber jene der Flexitarier», sagt Sandra Helfenstein, Mediensprecherin des Schweizer Bauernverbandes. Flexitarier essen mehrheitlich vegetarisch, greifen aber dennoch ab und an zu Fleisch. «Das Marktpotenzial ist also durchaus vorhanden», sagt Helfenstein.
Die grössere Herausforderung sei es, dass die Kundinnen und Kunden bei den Rohstoffen auf die Herkunft Schweiz achteten und dazu bereit seien, einen Mehrpreis zu bezahlen. Doch gerade bei stark verarbeiteten Lebensmitteln wie Fleischersatzprodukten zeigen die Erfahrungen gemäss Helfenstein, dass dort die Konsumentinnen und Konsumenten die Herkunft weniger beachten.
Helfenstein spricht die ausländische Konkurrenz an: «Das grosse Problem der Nischenkulturen ist, dass sie preislich hart am Wind mit ausländischen Importen stehen, weil es in diesem Bereich keine oder kaum Zölle gibt. Wenn man Leguminosen zur menschlichen Ernährung aus einheimischer Produktion fördern will, wäre der Grenzschutz ein sehr wirkungsvolles Mittel.»
Der Bund plant im Rahmen des Landwirtschaftlichen Verordnungspakets 2022, künftig auch für Körnerleguminosen Einzelkulturbeiträge zu sprechen, die für die menschliche Ernährung verwendet werden. Aus Sicht des Bauernverbandes ist dies ein wichtiger Schritt, um den Anbau zu fördern. Aber nicht der einzige: «Jetzt braucht es auch einen Schritt von Seite Markt. Also die Festlegung von angemessenen Richtpreisen für die relevanten Kulturen wie Speisehafer oder Leguminosen für die menschliche Ernährung, damit der Anbau in der Schweiz endlich vorankommt.»
Mit Schweizer Proteinpflanzen bereits am Markt ist das Start Up fabas. Es arbeitet eng mit Landwirtinnen und Landwirten zusammen, um pflanzliches Protein in der Schweiz anzubauen. «Die Kichererbsen verarbeiten wir zu Hummus. An weiteren Produkten mit Ackerbohnen und Erbsen arbeiten wir derzeit», erklärt Anik Thaler, Co-Founder von fabas, das auf das Motto «radikal lokal» setzt.
Im Vergleich zu ausländischen Produkten ist die Schweizer Ware teurer. «Unserer Erfahrung nach sind Konsumentinnen und Konsumenten bereit, einen gewissen Mehrpreis für Produkte mit Schweizer Herkunft zu bezahlen», sagt Anik Thaler. Dieser Unterschied liege geschätzt bei ca. 10-15 Prozent.
Neben dem Grenzschutz nennt Thaler ebenso die Einzelkulturbeträge des Bundes als Faktor, die einen Einfluss auf die Preissituation haben. Dass diese neu nicht mehr nur für Eiweisspflanzen zur Futtermittelnutzung, sondern auch zur menschlichen Ernährung vergeben werden sollen, wertet sie wie der Bauernverband als positiv: «Das wird die Situation sicher nochmals verbessern.»
Anik Thaler sieht Marktpotenzial für die Produkte. «Für Hummus ist das Potenzial vorhanden. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass der Anbau von Kichererbsen möglich ist.» Er bringe aber durchaus noch gewisse Risiken mit sich und gerade in Bezug auf Sorten oder Anbauempfehlungen fehle es noch an Erfahrung.
Thaler sieht auch Anbaupotenzial bei Erbsen und Ackerbohnen für die Weiterverarbeitung zu naturbelassenen Ersatzprodukten. Dort könnten grundsätzlich die gleichen Sorten wie für Futtermittel verwendet werden. «Einzig die Aufreinigung muss präziser erfolgen. Für diesen Schritt sind aber die nötigen Infrastrukturen bereits teilweise vorhanden. Auch hier bedarf es aber noch grösserer Erfahrung», so die Gründerin.
Für Fleischersatzprodukte werden meist Proteinkonzentrate oder -isolate verwendet. In der Schweiz kann dieser Verarbeitungsschritt laut Thaler aktuell nicht durchgeführt werden. Aktuell sei fabas aber in einem Forschungsprojekt involviert, um diesen Schritt zu optimieren und lokal in der Schweiz durchzuführen. «Ansonsten wird die Schweizer Landwirtschaft nicht vom aktuellen Boom der Ersatzprodukte profitieren können», stellt Anik Thaler fest.
Grundsätzlich geht Thaler davon aus, dass es mehr Erfahrungswerte, Sortenempfehlungen, aber auch Beratung zur Kulturführung und Anbautechnik braucht, um den Anbau von Hülsenfrüchten zur menschlichen Ernährung in der Schweiz auszuweiten. Um den Landwirtinnen und Landwirten die Anbauplanung zu erleichtern, hat fabas ein Tool entwickelt. Es soll die Anbauplanung digitaler und leichter zugänglich werden. «Produzentinnen und Produzenten können sich so schnell informieren, was genau zu welchen Konditionen gefragt ist», erklärt Thaler.
Einige Produzentinnen und Produzenten von fabas nehmen die verarbeiteten Produkte wie Sonnenblumenkerne für die Direktvermarktung wieder zurück. «Diese Möglichkeit geben wir ihnen natürlich gerne», sagt Anik Thaler.
Solche Nischenprodukte seien für die Direktvermarktung sehr interessant, bestätigt Sandra Helfenstein. Die Bauernbetriebe könnten so ihren Kundinnen und Kunden ein besonderes Produkt anbieten und dafür auch den Preis selbst festlegen.
Auf die Frage, ob es möglich wäre, weitere in der Schweiz angebaute Nischenkulturen wie Quinoa aus dieser Nische zu holen meint Helfenstein, dass man sich zunächst die Frage stellen müsse, ob dies überhaupt Sinn mache. «Denn die Nische hat den Vorteil, dass das Produkt etwas Spezielles und der Preisdruck geringer ist», sagt Helfenstein. Grundsätzlich sei es aber ohnehin eine Frage des Marktes: «Wenn immer mehr Menschen Quinoa essen, müssen wir diesem Wunsch auch nachkommen und den Anbau ausbauen. Das wird auch automatisch passieren, wenn der Produzentenpreis stimmt.» Ein zentraler Erfolgsfaktor sei dabei immer eine gut sichtbare Deklaration der Rohstoffherkunft.
Bei Nischen wie Quinoa oder Amarant sei der fehlende Grenzschutz ein wirkliches Problem für die Schweizer Produkte, sagt auch Hans-Georg Kessler, Produktmanager Ölsaaten und spezielle Ackerkulturen bei Biofarm. Die Genossenschaft setzt zusammen mit den Produzentinnen und Produzenten seit längerem auf Hülsenfrüchte und Nischenkulturen.
Gerade Quinoa sei zu Beginn ein regelrechter Hype gewesen, aber der Preisdruck aus dem Ausland habe die Schweizer Vermarktung stark gehemmt. Das gelte aber nicht nur für Mini-Nischen wie Quinoa, sondern auch für Speisehafer, wo allein Biofarm 750 Hektaren unter Vertrag hat. «Trotz der aktuellen Weltsituation kommt Biohafer aus Deutschland oder Tschechien zum halben Preis franko Mühle in die Schweiz. Und wenn die Preisdifferenz einmal zu hoch ist, wird halt auf ausländische Ware zurückgegriffen», sagt Kessler, der diese starken Preisunterschiede als Grundsatzproblem bei den speziellen Ackerkulturen sieht.
Für die Schweizer Landwirtschaft sieht er aber dennoch Potenzial bei Leguminosen wie Eiweisserbsen. In der Küche könnten diese von den Konsumentinnen und Konsumenten problemlos verwendet werden. Skeptisch äussert sich Kessler gegenüber den stark verarbeiteten Fleischersatzprodukten. «Dafür wird nur ein Teil der Erbsen verwendet», beklagt er. Aber es sei halt das Verhalten der Konsumentinnen und Konsumenten, welches die Nachfrage nach solchen Convenience-Produkten fördere.
Speziell erwähnt Hans-Georg Kessler Buchweizen und Hirse. Hier sieht er ein grosses Potenzial, besonders weil sich diese Kulturen gut unter Biobedingungen anbauen lassen und die aktuell verwendeten Züchtungen sich für die Schweiz eignen. «Aber alles steht und fällt mit den Konsumentinnen und Konsumenten», so Kessler.
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