Mehr Erlös dank Kooperativen

Wenn Einkaufsgemeinschaften Produkte direkt ab Hof beziehen, reduziert sich der Aufwand bei der Direktvermarktung beträchtlich. Weitere Vorteile sind der bessere Erlös bei gleichzeitiger Absatzgarantie sowie die Flexibilität und Grösse bei den Liefermengen.
Zuletzt aktualisiert am 10. Dezember 2021
von Melina Griffin
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Mittwoch ist ein wichtiger Tag für Martin und Naemi Klaus vom Hof Grossegg im Emmentaler Biembach. Per Mail erhielten sie in der Nacht zuvor eine Bestellung von der Kooperative «Grundstock» in Bern. Das Paar rüstet am Mittwochmorgen die bestellten Milchprodukte, Käse sowie Trockenwürste und liefert sie auf dem Weg zum Berner Wochenmarkt bei der Grundstock-Sammelstelle ab. Die Endkundschaft kann die Ware dort entweder abholen oder sie sich per Velokurier nach Hause liefern lassen.

So funktioniert das System

Solche Einkaufsgemeinschaften oder Foodcoops (englisch für «Lebensmittelkooperativen») wie der Grundstock sind Zusammenschlüsse von Privathaushalten zu Einkaufsgemeinschaften. Die Foodcoops ermöglichen einen gemeinsamen Bezug von Lebensmitteln. Das Ziel ist, dass Lebensmittel in grösseren Mengen, beispielsweise ein ganzer Käselaib, möglichst direkt von den Produzenten bezogen werden. Dabei werden der Zwischen- und der Grosshandel umgangen. Da die Mitglieder der Foodcoops meist ehrenamtlich arbeiten, werden die Produkte zum Selbstkostenpreis weitergegeben. «Davon profitieren sowohl die Konsumentinnen und Konsumenten durch tiefere Endpreise als auch die Produzentinnen und Produzenten durch höhere Verkaufspreise», sagt Benjamin Krähenmann. Er engagiert sich bei der Foodcoop «Zur Gertrud» im Zürcher Sihlfeld.

Nachbarschaft fördern

Wie viele der schweizweit schätzungsweise etwa zwanzig Kooperativen fördert «Zur Gertrud» den ökologischen Lebensmittelanbau, faire Arbeitsbedingungen, gerechten Handel und den Verkauf von Produkten aus der Region. Getreide, Hülsenfrüchte, Kerne oder verarbeitete Produkte wie Pasta, Birnel, Käse oder Hanfprodukte, Speiseöle sowie diverse Gewürze und Teemischungen bezieht die Kooperative allesamt aus der Schweiz. Die Mitglieder können vierteljährlich online bestellen. «Das setzt Flexibilität und eine gute Vorabplanung voraus», sagt Benjamin Krähenmann. Wie Zur Gertrud wollen viele Kooperativen explizit das nachbarschaftliche Zusammenleben fördern und setzen auf freiwilliges Engagement ihrer Mitglieder.

Logistik wird übernommen

Denjenigen, die sich nicht freiwillig engagieren wollen oder können, bietet «Crowd Container» eine gute Alternative. Die Onlineplattform hat ihren Namen von den Containerlieferungen mit Lebensmitteln aus Indien oder Sizilien. Sie offeriert aber auch saisonale Produkte aus der Schweiz. Kundinnen und Kunden können für jede Bestellung online die gewünschte Menge angeben, die dann nach Hause geliefert wird. Der Betrieb erhält eine einzige grosse Sammelbestellung und muss sich nicht um die Logistik kümmern.

Diese Erleichterung schätzen auch die Lieferanten vom Berner Grundstock, Martin und Naemi Klaus: «Wir können einen Lieferservice bieten, ohne dass wir selber die Infrastruktur dafür aufbauen müssen.» Allerdings können sie nicht ihre ganze Produktpalette über Grundstock anpreisen, weil entsprechende Produkte bereits im Sortiment sind. Auf die Werbung im Newsletter der Kooperative haben sie keinen Einfluss. Zudem schlägt Grundstock eine Marge auf die Produkte, um den Vermarktungs- und Logistikaufwand zu decken.

Es geht auch selbst

Das Ehepaar Koch aus dem luzernischen Root hat selbst ein eigenes System aufgebaut. Seit 2019 verkaufen sie jährlich rund fünf Kälber bereits vor der Geburt an je acht Paten. Diese bezahlen zwei Jahre lang einen Franken pro Tag und erhalten danach ihren Fleischanteil. «Bereits elf Kälber haben wir so vermarktet, also 88 Patenschaften abgeschlossen. Und es besteht eine Warteliste für die nächsten drei bis vier Tiere», freut sich Marlen Koch.

Spürbare Wertschätzung

Als Vorteile nennt Koch die Marktpreisunabhängigkeit, die wegfallenden Abzüge (CH-Tax), die bessere Liquidität für ihren Betrieb aufgrund der Vorauszahlung, die Absatzgarantie sowie den geringeren Zeitaufwand beim Kommissionieren, da alle das Standardmischpaket erhalten. Ausserdem schätzt das Ehepaar den direkten Kundenkontakt: «Wir können besser auf Bedürfnisse eingehen und spüren die Wertschätzung für die Lebensmittelproduktion». Allerdings ist der Aufbau zeitintensiv. Dazu gehören zum Beispiel die Konzeptarbeit, das Marketing und die Kommunikation. Es helfe, wenn man bereits über einen Kundenstamm aus der Direktvermarktung und eine Reichweite auf den Sozialen Medien verfüge. Die vielseitige Agronomin rät, bereits bei der Konzeptentwicklung auf die eigenen Stärken, Fähigkeiten und Leidenschaften zu achten. Wem das alles zu viel ist, greift auf bereits existierende Alternativen zurück (siehe Kasten). Die Organisationen können direkt angefragt werden.