Gas-Alternative aus Mist und Gülle

Der Ukraine-Krieg zeigt die Abhängigkeit von russischem Gas auf. In der Schweiz wird derweil die Möglichkeit, Biogas aus Gülle und Mist zu produzieren, kaum genutzt. Nun gibt es Bestrebungen, dieses Potenzial auszuschöpfen – und damit gleichzeitig dem Klima zu helfen.
Zuletzt aktualisiert am 25. März 2022
von Jonas Ingold
3 Minuten Lesedauer

Wo Rinder gehalten werden, fällt Mist und Gülle an. Dieser Hofdünger enthält wichtige Nährstoffe für den Pflanzenbau, Bäuerinnen und Bauern bringen ihn auf ihren Feldern aus. Aus Mist und Gülle lässt sich aber zusätzlich auch Energie produzieren.

Die Gasversorgung in der Schweiz und ganz Europa ist spätestens seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs ein brisantes Thema. Die Abhängigkeit von russischem Gas muss reduziert werden, nicht nur wegen den massiven Preissteigerungen. Kann in der Schweiz Biogas aus Hofdünger helfen?

Bisher vor allem Stromproduktion

In Biogasanlagen produzieren die Landwirtinnen und Landwirte derzeit aus dem entstehenden Biogas hauptsächlich Strom und Wärme. Nur eine Handvoll Anlagen produzierten auch Biomethan, das aufbereitete Biogas für die Einspeisung ins Gasnetz oder die Nutzung als Treibstoff, sagt Nadine Baumgartner, Kommunikationsleiterin bei Ökostrom Schweiz, dem Fachverband landwirtschaftliches Biogas. Derzeit gibt es laut Verband ein nachhaltiges Biogaspotenzial von über 4 TWh, von dem derzeit nicht mal 5 Prozent genutzt werden.

Ein Grund dafür ist die mangelnde staatliche Unterstützung. Während Strom aus erneuerbaren Energien durch das «Einspeise-Vergütungssystem EVS» - früher KEV – subventioniert wurde, gibt es ein entsprechendes Pendant für Biomethan nicht. Auf Ende 2022 läuft das EVS aus, eine Nachfolgelösung mit Förderung über Investitions- und Leistungsbeiträgen soll jedoch eingeführt werden. Offen ist aktuell noch, wie hoch die Förderungen ausfallen. In den nächsten drei Wochen wird die revidierte Energieförderverordnung publiziert, worauf in diesem Bereich Klarheit herrscht, sagt Nadine Baumgartner.

Stützung für Biomethan gefordert

Weiterhin nicht zum Zug kommt jedoch die Produktion von Biomethan. Das soll sich ändern, wenn es nach Nationalrätin Priska Wismer geht. In einer Mitte März eingereichten Motion fordert Wismer den Bundesrat dazu auf, rechtliche Grundlagen zu erarbeiten, damit in der Schweiz bestehende und neue Biogasanlagen das produzierte Gas vermehrt zu Biomethan aufbereiten und vermarkten können. Der Bund soll konkret neue biomethanproduzierende Biogasanlagen sowie um die Aufbereitungs- und Einspeiseinfrastruktur zu erweiternde Biogasanlagen mit einem Investitionsbeitrag unterstützen. Zudem sollen administrative Hürden abgebaut und die Bewilligungsverfahren einfacher werden.

Ökostrom Schweiz zeigt sich in einer Medienmitteilung über die Motion erfreut. Bis anhin habe es die Politik verpasst, ein adäquates Fördersystem für die Biomethan-Einspeisung aufzugleisen, das mindestens so gut wie jenes für stromproduzierende Technologien sei, heisst es. Auch die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL sieht in einem im Februar veröffentlichten Whitepaper die hohen Anfangsinvestitionen, langwierige Bewilligungsverfahren und die Tatsache, dass die bisherigen Einspeisevergütung nur auf Strom und nicht auf Gas ausgerichtet ist, als Hindernisse für die Biomethan-Produktion.

So läuft die landwirtschaftliche Biogasanlage

In einer landwirtschaftlichen Biogasanlage in der Schweiz wird zwischen 80 und 95 Prozent Hofdünger verarbeitet. Hinzu kommen weitere Reststoffe aus der Landwirtschaft. Im Gegensatz zum Ausland kommen keine extra dafür angebauten Pflanzen wie Mais zum Einsatz. Das Material kommt in den Fermenter, wo die Vergärung stattfindet. In den meisten Anlagen schliesst sich an den Fermenter ein Nachgärer an (zweistufiger Vergärungsprozess). Unter Luftabschluss bauen anaerobe Mikroorganismen das Material ab und wandeln es in Biogas um. Nach der Vergärung gelangt der Gärrest in das Endlager. Dort wird das Material gelagert, bis es als Dünger verwendet wird. Das Biogas kommt entweder in ein Blockkraftheizwerk, wo daraus Strom und Wärme entsteht. Oder es wird gereinigt und als Methangas in das Gasnetz eingespeist oder direkt als Treibstoff in Fahrzeugen getankt.

Klimschädliche Emissionen verhindern

Und was übrigbleibt, ist ein wertvoller Dünger für Feld und Acker. Ökostrom Schweiz sieht in der Gärgülle etliche Vorteile gegenüber der herkömmlichen Gülle: Weniger Geruchsemissionen, bessere Pflanzenverfügbarkeit des Stickstoffs und bessere Fliessfähigkeit im Schleppschlauchverteiler gehören dazu.

Gemäss WSL könnte 0,8 Prozent des Schweizer Treibhausgas-Ausstosses verhindert werden, wenn der gesamte verfügbare Hofdünger vergärt würde. Es wirkt sich also positiv aufs Klima aus, wenn Landwirtinnen und Landwirte vergärte Gülle nutzen. Denn so werden klimaschädliche Methan-Emissionen verhindert. Laut Ökostrom Schweiz lässt sich pro Grossvieheinheit (GVE) bis zu einer Tonne CO2-Reduktion pro Jahr erzielen, wenn das entstehende Methan gesammelt und energetisch verwendet wird.

Keine Rückstände wegen reinerer Biomasse

Gemäss Umfrage der WSL sind einige Landwirte aber skeptisch, was die Qualität des Gärrestmaterials angeht. Sie fürchten Verunreinigungen durch Mikroplastik oder Schwermetalle. Ein qualitativ hochwertiges Gärrestmaterial wäre ein Pluspunkt für die Akzeptanz bei Landwirtinnen und Landwirten, so die WSL-Forscher. Ein Punkt, der bei Nadine Baumgartner von Ökostrom Schweiz bekannt ist. Sie gibt jedoch Entwarnung: «Es gibt diese Bedenken betreffend Mikroverschmutzungen. Tatsächlich zeigen Studien, dass es bei Gärresten aus industriellen Anlagen solche Rückstände gibt. Bei landwirtschaftlichen Biogasanlagen ist das aber nicht der Fall. Sie verwenden wesentlich reinere Biomasse», so Baumgartner. Und sagt aus ihrer Erfahrung: «Am Anfang haben einige Landwirtinnen und Landwirte Bedenken. Diese legen sich jedoch stets, nachdem sie die Gärgülle erstmals verwendet haben.»