Die Agrarpolitik ab 2030: Alles neu und möglichst viel Planungssicherheit

Breit denken und neue Ansätze prüfen, ist die Vorgabe für die Agrarpolitik 2030+. Entsprechend diskutiert das Bundesamt für Landwirtschaft BLW zurzeit intern und mit der Branche verschiedene Instrumente für die zukünftige Agrarpolitik. Im Agrarpolitik-Podcast berichtet BLW-Direktor Christian Hofer über den Stand der Arbeiten und die Schwerpunkte. Die Position des Schweizer Bauernverband SBV erläutert Direktor Martin Rufer.
Zuletzt aktualisiert am 28. Mai 2025
von Edith Nüssli
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«Wir wollen wirklich die Bedürfnisse der Bäuerinnen und Bauern, aber auch der übrigen Gesellschaft abholen und die Agrarpolitik 2030+ in einem engen Austausch entwickeln», bekräftigt BLW-Direktor Christian Hofer im Agrarpolitik-Podcast. Deshalb hat das BLW eine Begleitgruppe eingesetzt, in der alle Akteure der Land- und Ernährungswirtschaft vertreten sind. Diese trifft sich zweimal pro Jahr, um die Vorschläge des BLW zu diskutieren. «Veränderungsschritte, die von einer Mehrheit unterstützt werden, kommen ins Aussprachepapier», erklärt Christian Hofer. Dieses muss das BLW dem Bundesrat im ersten Quartal 2026 vorlegen. SBV-Direktor Martin Rufer bezeichnet den Austausch mit dem BLW im Agrarpolitik-Podcast als «positiv und konstruktiv».

Martin Rufer 1 Ji

Leitlinien des Parlaments als Basis

Das BLW orientiert sich an den strategischen Leitlinien, die das Parlament vorgegeben hat. «Im Kern geht es darum, die Ernährungssicherheit langfristig zu stärken, die Wertschöpfung der Land- und Ernährungswirtschaft zu verbessern und ein agrarpolitisches System zu entwickeln, das nicht zu komplex ist und von den verschiedenen Akteuren verstanden wird», erklärt Christian Hofer. Dass der Rahmen des Parlaments respektiert wird, ist dem SBV wichtig. Den Schwerpunkt legt er auf die Themen Märkte, Wertschöpfung und Einkommen der Bauernfamilie.

Die Bauernfamilien sollen vernünftige Mengen produzieren können und dafür angemessene, kostendeckende Preise erzielen. «Wir haben ein Marktprogramm erarbeitet und als Ziel festgelegt, die Erlöse um zwei Milliarden Franken pro Jahr zu erhöhen», erklärt der SBV-Direktor. Die AP30+ müsse Rahmenbedingungen festlegen, damit dieses Ziel erreicht werden könne. Sie dürfe keine Umverteilungsübung für die Direktzahlungen werden.

Martin Rufer warnt auch vor einer Verteildiskussion im jetzigen Zeitpunkt. Solche Diskussionen hätten bei früheren Reformen dazu geführt, dass andere die Agrarpolitik gestaltet hätten. «Wir suchen das Glück nicht in höheren Direktzahlungen», betont er, «auf die Märkte zu fokussieren ist zielführender.»

Ziele statt Vorschriften

«Die Errungenschaften in den Bereichen Ökologie und Tierwohl sind wichtig», betont er. Diese sollten erhalten und punktuell verbessert werden. Die beiden Themen sollten jedoch kein Schwerpunkt der AP30+ sein. Neue kostentreibende Vorschriften sind für den SBV ein No-Go.

Martin Rufer plädiert für mehr Zielorientierung und weniger Mikromanagement. BLW-Direktor Christian Hofer will das umsetzen und Ziele vorgeben statt Vorschriften zu machen «Dann können die Landwirtinnen und Landwirte selber entscheiden, wie sie die Ziele erreichen wollen», nennt er den Vorteil. Zudem könnte der administrative Aufwand reduzieren werden. «Das ist realistisch, wenn alle Akteure mithelfen und Selbstverantwortung übernehmen», ist er überzeugt.

Lenkungsabgaben sind stark umstritten

Wie diese Vorgabe umgesetzt werden soll, ist jedoch umstritten. Ein Vorschlag sind Lenkungsabgaben auf mineralischen Stickstoff und Pflanzenschutzmittel, die an die Landwirtschaft zurückverteilt werden. «Belohnt wird, wer wenig anwendet», beschreibt Christian Hofer den Nutzen. Dank diesem ökonomischen Anreiz könnten Direktzahlungsprogramme gestrichen werden. Dabei ist die grosse Herausforderung die Rückverteilung der Abgaben. «Solche Lenkungsabgaben sind politisch sehr umstritten, nicht nur in der Landwirtschaft», weiss der BLW-Direktor. Deshalb werden sie neu Ressourceneffizienzanreize genannt.

Der SBV lehnt sie dennoch ab. Lenkungsabgaben betrachtet er als kostentreibende Vorschriften und solche sind für den SBV ein No-Go. «Sie verschlechtern die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Landwirtschaft und schmälerten die Wertschöpfung», argumentiert SBV-Direktor Martin Rufer. Offen ist der SBV für das Indikatorensystem, das die Schweizerische Vereinigung für einen starken Agrar- und Lebensmittelsektor SALS und die IG Agrarstandort Schweiz IGAS zusammen entwickelt haben.

Christian Hofer wünscht sich, dass die Prüfung neuer Ansätze zu Ende geführt wird. «Wir möchten eine solide Entscheidungsgrundlage erarbeiten», betont er. Dabei ist für ihn klar: Die AP30+ darf nicht komplexer werden und nicht zu einer Extensivierung führen.

Vorgeschichte und Zeitplan der Agrarpolitik 2030+

Februar 2020: Der Bundesrat legt die Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik vor (AP22+).

August 2020: Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) reicht ein Kommissionspostulat ein, das den Bundesrat beauftragt, in der Agrarpolitik einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen.

Dezember 2020: Der Ständerat beschliesst, die Vorlage zur AP22+ zu sistieren.

März 2021: Der Nationalrat schliesst sich dem Ständerat an. Die AP22+ wird sistiert. Der Bundesrat wird beauftragt, bis 2022 einen neuen Bericht vorzulegen. Dieser soll sich mit der Selbstversorgung, der nachhaltigen Lebensmittelproduktion und der Reduktion des administrativen Aufwandes für Betriebe befassen.

Juni 2022: Der Bundesrat heisst den Bericht «Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik» gut.

Oktober 2022: Die WAK-S beauftragt der Bundesrat, den Konzeptvorschlag im Bericht «Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik» zu konkretisieren und dem Parlament bis spätestens Ende 2027 eine diesbezügliche Botschaft zu unterbreiten.

2023: Das Bundesamt für Landwirtschaft lanciert das Projekt Agrarpolitik 2030+ (AP30+).

  1. Quartal 2026 Der Bundesrat diskutiert voraussichtlich das Aussprache-Papier zur AP30+ und legt die Eckpunkte für die Vernehmlassung fest.
  2. Hälfte 2026 Der Bundesrat plant, die Botschaft zur AP30+ in die Vernehmlassung zu schicken.

Ende 2027: Gemäss Planung wird der Bundesrat dem Parlament die Botschaft zur AP30+ zur Beratung unterbreiten.

Daten für die Betriebe, nicht für den Vollzug

Beim Umgang mit digitalisierten Daten fordert der SBV-Direktor, dass der Nutzen für die Landwirtschaft im Zentrum stehen soll. Der BLW-Direktor sagt: «Die Systeme sollen benutzerfreundlich, mehrwertstiftend und sicher sein und die Bauern beim Betriebsmanagement unterstützt.» Zudem sollten die Bäuerinnen und Bauern selbstbestimmt über ihre Daten verfügen und diese einfach mit anderen teilen können. Dafür entwickelt das BLW zurzeit eine Datenaustauschplattform.

40 Franken Stundenlohn statt 17 Franken

«Die Agrarpolitik 2030+ ist eine Chance, eine neue Agrarpolitik für fast eine ganze Generation zu entwickeln», findet Martin Rufer. Im Zentrum sollten die Themen Wertschöpfung und Produktion stehen und mehr Freiraum und Vertrauen gegenüber den Bauernfamilien. «Die Instrumente sollten darauf ausgerichtet sein, dass Bauern und Bäuerinnen pro Stunde im Durchschnitt 40 Franken verdienen, nicht 17 Franken wie aktuell», fasst der SBV-Direktor zusammen.

Die Wertschöpfung ist auch für BLW-Direktor Christian Hofer ein wichtiger Punkt: «Wir wollen gemeinsam ein Paket schnüren, das die Ernährungssicherheit längerfristig stärkt, den Landwirten und Landwirtinnen eine ansprechende Wertschöpfung ermöglicht und verstanden wird, von den Bäuerinnen und Bauern, aber auch von den restlichen Akteuren der Wertschöpfungskette.»