Trend nach mehr pflanzlicher Ernährung? Bauern bleiben auf der Strecke

Pflanzliche Lebensmittel liegen im Trend – aber nicht auf Schweizer Äckern. Obwohl die Nachfrage steigt, scheitern viele Produzentinnen und Produzenten an tiefen Importpreisen, schwierigen Anbaubedingungen und fehlendem politischen Rückhalt. Wer pflanzen will, zahlt drauf.
Zuletzt aktualisiert am 11. Juli 2025
von Jasmine Baumann
4 Minuten Lesedauer
2025 Pflanzenschutz MK SBV Tellenbach Kichererbse Jba

Die Ernährungspyramide fordert es: «Esst mehr pflanzliche Lebensmittel wie Hülsenfrüchte». Von der Landwirtschaft wird erwartet, mehr pflanzliche Lebensmittel anzubauen. Trotzdem haben jene, die es umsetzen einen Chrampf damit. Das Wissen über den Anbau und auch die Verarbeitung von Linsen, Leinsamen und Co. ist in den letzten Jahrzehnten verloren gegangen, aber auch die Vermarktung ist ein Problem.

Anbau ist eine grosse Herausforderung

Der Anbau von Hülsenfrüchten wie Kichererbsen, Linsen aber auch von Quinoa und anderen Spezialkulturen ist für Bäuerinnen und Bauern eine grosse Herausforderung. Extremwetterereignisse aber auch fehlende Sorten erschweren den Anbau zusätzlich und führen oft zu grossen Ernteausfällen.

Quinoa-Anbau wieder eingestellt

Stehen diese innovativen Produkte wie Quinoa, Hafer, Linsen, Kichererbsen und andere trendige Lebensmittel einmal im Laden, müssen sie gegen massiv günstigere Importprodukte ankämpfen.

Die Produzenten- und Labelorganisation IP-Suisse engagierte sich seit 2015 für den Anbau und die Vermarktung des Trendproduktes Quinoa. Die Organisation habe viele Ressourcen, wie auch Zeit und Geld in die Produktion, Bewerbung und Absatz investiert. Der Anbau wurde bis auf 40 Hektaren ausgebaut, musste aber wegen mangelndem Absatz wieder aufgegeben werden.

2025 Quinoa Jba

Zu grosser Preisunterschied

«Wir stellen fest, dass die preisliche Konkurrenz gross ist. Die Abnehmer und am Schluss auch die Konsumentinnen und Konsumenten haben eine beschränkte Bereitschaft, die höheren Preise für inländische Ware zu bezahlen», sagt IP-Suisse-Geschäftsführer Christophe Eggenschwiler an der gemeinsamen Medienkonferenz mit dem Schweizer Bauernverband, der Bio Suisse und der ersten Verarbeitungsstufe zur «besorgniserregenden Situation in der Pflanzenproduktion».

Pflanzenanbau und Erträge sind Rückläufig

Punkto Vermarktung ist der fehlende Grenzschutz das Problem. «Wenn wir diese Kulturen effektiv fördern wollen, dann braucht es eine Diskussion über eine Erweiterung der Zölle und der Einfuhrsysteme», sagte Martin Rufer, Direktor SBV.

Tatsache ist, dass der Trend im Ackerbau bei den Flächen sowie auch beim Ertrag nach unten zeigt und dies seit 10 Jahren. Die wachsende Nachfrage nach pflanzlichen Lebensmitteln wird über immer höhere Importe abgedeckt. So werden zum Beispiel immer mehr Teiglinge und Backwaren importiert.

Der bröckelnde Schutz der Kulturen ist ein weiterer Grund, warum die Erträge abnehmen und immer mehr Landwirte diese Kulturen aufgeben. «Wir haben bald die Hälfte aller Wirkstoffe verloren, und es kommen keine Alternativen nach», so David Brugger, Leiter Pflanzenbau des Bauernverbandes. Bei der Zulassungsbehörde gibt es einen Rückstau von 700 Dossiers.

Biolandwirte brauchen auch Pflanzenschutz

Ein weiteres Beispiel nennt Urs Brändli, Präsident von Bio Suisse: Dank Haferdrinks, Backwaren und Müeslimischungen ist die Nachfrage nach Hafer in den letzten Jahren stark gestiegen. «Da Hafer keinen Zollschutz geniesst, ist ein kostendeckender Anbau für die Schweizer Bauern nur schwer möglich», so Brändli.

Weitere Probleme für Biobauern sind die immer höher werdenden Hürden für den baulichen Pflanzenschutz wie die Einnetzung von Obstanlagen zum Schutz vor Hagel und Insekten.  

Verarbeitung sitzt im gleichen Boot

«Die erste Verarbeitungsstufe – wie wir Mühlen – sind auf den einheimischen Anbau und die Nachfrage von Seiten der Abnehmer und Konsumentinnen und Konsumenten angewiesen, um innovative oder auch klassische Plfanzenbauprodukte zu vermarkten», führte Regula Beck, Geschäftsführerin der Mühle Landshut in Utzenstorf BE, aus. Sie appellierte dabei auch an die Verantwortung jedes einzelnen Konsumenten.

«Behörden, Politik und Konsumenten haben es in der Hand»

Zusammenfassend meinte SBV-Direktor Martin Rufer, dass die politischen Erwartungen im Pflanzenbau und die reelle Entwicklung auseinanderklaffen würden.

«Wir brauchen Lösungen beim Schutz der Kulturen und robuste Sorten, um den Pflanzenbau in der Schweiz zu erhalten. Wir brauchen Preise, die nicht nur die effektiven Produktionskosten decken, sondern es auch erlauben, ein schlechtes finanzielles Jahr aufzufangen. Beides ist heute nicht gegeben.»

Landwirtinnen, Verarbeiter und Labelorganisationen sind bereit, pflanzliche Produkte in der Schweiz zu fördern. Doch sie können es nicht allein stemmen. Ohne besseren Schutz der Kulturen, faire Marktbedingungen und Unterstützung durch die Politik bleibt der Trend zu pflanzlicher Ernährung ein Importgeschäft.

Breitenhof Hofladen Pieterlen
Urs und Monika Tellenbach vermarkten die Spezialkulturen direkt in ihrem Hofladen. (Bild jba)

Try und Error, das gefällt Urs Tellenbach

Die Gastgeber der Medienkonferenz waren Urs und Monika Tellenbach. Sie produzieren viele Spezialkulturen auf ihren Feldern. Die Produkte daraus verarbeiten und vermarkten sie direkt in ihrem Hofladen.

Der Anbau der Spezialkulturen wie Linsen, Quinoa, Kichererbsen oder Popcornmais ist für Urs Tellenbach ein besonderer Reiz. «Ich mag es, neues auszuprobieren und zu pröbeln. Es ist klar, dass nicht immer alles auf Anhieb klappt.»

Betriebsspiegel Breiten-Hof, Pieterlen BE

  • 44 ha Landwirtschaftliche Nutzfläche
  • 27 ha offene Ackerfläche
  • 10 ha Biodiversitätsfläche

Kulturen:

  • Winterweizen
  • Körnermais
  • UrDinkel
  • Zuckerrübe
  • Soja
  • Nützlingsstreifen

Spezialkulturen für die Direktvermarktung
Auf rund 4.35 ha werden folgende Kulturen angebaut:

  • Ackerbohnen, Kichererbsen, Linsen
  • Sorghum-Hirse für die menschliche Ernährung
  • Kidneybohnen, Weisse Bohnen
  • Polentamais, Popcornmais
  • Selbstpflückfeld für Erdbeeren und Blumen
  • Anbauversuch Chiasamen
  • Quinoa Anbauversuch (ohne Pflanzenschutzmittel)

Tierhaltung

  • Mutterkühe Limousin 25 GVE (Grossvieheinheiten)
  • Zwergziegen

Direktvermarktung

  • Spezialkulturen (Aufzählung oben)
  • Natura-Beef Mischpakete
  • Kochworkshops mit Hofeigenen Zutaten
  • Blumen- und Erdbeerfeld