Agrarbericht: Positive Umweltentwicklungen und anhaltende Herausforderungen
Bei der Präsentation des diesjährigen Agrarberichts hob Christian Hofer, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft, ...
Das Klimaproblem entsteht, weil beispielsweise zu viel und umweltschädlich produziert wird, weil zu viel konsumiert und gleichzeitig zu viel weggeworfen wird. Das Klimaproblem entsteht aber auch im Kuhstall: 14 Prozent der Treibhausgasemissionen der Schweiz entfallen auf die Landwirtschaft – drei Viertel davon werden wiederum der Rindviehhaltung zugeschrieben. Deshalb haben die beiden Branchenorganisationen Proviande und BO Milch eine gemeinsame Studie in Auftrag gegeben, die als Basis für die Entwicklung der Klimaschutzaktivitäten in den Branchen dienen soll.
Die Beratungsorganisation Agridea wurde damit beauftragt, die wirkungsvollsten Massnahmen aufzuzeigen, um das Potential zur Senkung des Treibhausgasemissionenanteils des Rindviehsektors bestmöglich auszuschöpfen. Die Studie hat fünf Massnahmen identifiziert, die das grösste Hebelpotential bieten, um den Treibhausgasausstoss am effizientesten zu reduzieren:
Futterzusätze wie Leinsamen oder auch synthetische Produkte können die Methanbildung in den Mägen der Kühe vermindern. Im Bereich Herdenmanagement kann eine bessere Klimabilanz der Kuh mit Leitungssteigerung und einer verlängerten Nutzungsdauer erzielt werden: Durch eine Leistungssteigerung beim Einzeltier können Milchkühe «eingespart» werden und wenn die Kühe länger leben, fällt ausserdem die Aufzuchtzeit weniger ins Gewicht, wenn die Kühe noch keine Milch liefern. Schliesslich bietet sich auch im Bereich des anfallenden Hofdüngers noch Verbesserungspotential, indem die Bäuerinnen oder Bauern den Mist oder die Gülle beispielsweise ansäuern oder den Hofdünger in einer Biogasanlage nutzen und verwerten.
Wie viel Treibhausgasemissionen mit diesen Massnahmen aber tatsächlich reduziert werden könnten, ist schwierig zu sagen und von vielen Faktoren abhängig. Es gebe Wissenslücken, erklärte Studienautorin Bettina Koster: «Unter anderem fokussiert ein Grossteil der Forschungsarbeiten im Rindviehbereich auf die Milchproduktion und eine vertiefte Überprüfung der Übertragbarkeit der erlangten Erkenntnisse auf die Rindviehmast sowie die Überprüfung von weiteren mastspezifischen Optimierungsstrategien sind noch ausstehend.»
Auch in weiteren Bereichen, welche die Studie betreffen, bestünden noch offene Fragen und Unsicherheiten: Beispielsweise, ob Futtermittelzusätze auch längerfristig wirksam seien oder ob es negative Auswirkungen für die Tiergesundheit bei einer längerfristigen Einnahme gebe. Daneben gebe es Forschungslücken, was Hofdünger angehe: Gülleansäuerung ist nicht ganz so einfach und wird in der Schweiz erst auf wenigen Pilotbetrieben umgesetzt. Fraglich sei auch, ob man den Ausbau von Biogasanlagen wirklich so stark ankurbeln könne, dass das offene Potential dieser Anlagen ganz genutzt werden könne. Das sei nicht zuletzt auch eine politische Frage. Theoretisch wäre im Rindviehsektor aber eine Einsparung von gut 2’000 Kilotonnen CO2 möglich, wenn alle identifizierten Massnahmen voll umgesetzt werden könnten.
«Uns ist bewusst, dass eine Reduktion des Methanausstosses nicht einfach ist – als Vertreter des Milch- und Rindfleischsektors fühlen wir uns aber in der Verantwortung, möglichst viel gegen die Ursachen zu tun», ergänzte Stefan Kohler, Geschäftsführer der BO Milch. Allerdings sei der Handlungsspielraum beschränkt: Würden nur noch so viele Kühe gehalten, wie mit den Wiesen in den Schweizer Hügeln, Voralpen und den Alpen ernährt werden können und beispielsweise kein Soja mehr aus Brasilien importiert und auf Schweizer Äckern statt Futtermais Getreide und andere Lebensmittel direkt für die menschliche Ernährung produziert würde, dann wäre die Produktion viel klimafreundlicher und der Treibhausgasausstoss aus der Landwirtschaft könnte viel stärker reduziert werden. Aber: Es stünde dann nur noch ungefähr halb so viel Milch und Rindfleisch zur Verfügung wie bisher und das würde eine deutliche Umstellung unserer Ernährung bedingen.
Sowohl Proviande als auch die BO Milch gehen aufgrund aktueller Zahlen aber nicht davon aus, dass sich Milch- und Fleischkonsum in den nächsten Jahren drastisch ändern. Heinrich Bucher, Direktor von Proviande, sprach bei der Entwicklung des Fleischkonsums eher von einer Evolution als von einer Revolution: «Der Fleischkonsum wird zurückgehen, aber nur marginal», zeigte er sich überzeugt. Und auch die BO Milch geht bei der Milch in den nächsten Jahren von gleichbleibendem Konsum aus. Das Ziel sei es vorerst also nicht, weniger Rindvieh zu halten, sondern eher, den Schweizer Konsum noch besser mit Schweizer Milch und Fleisch abzudecken. Auch die lokale Produktion könne einen wesentlichen Beitrag zur Minderung des Klimaproblems leisten.
Trotzdem soll die Studie nun nicht einfach in der Schublade verschwinden: Der vorliegende Bericht diene nun als fachliche Grundlage für die Diskussion in den Branchen. Das Ziel sei die Erarbeitung eines gemeinsamen Verständnisses zum Thema Klimaschutz innerhalb des Rindviehsektors gewesen, erläuterten Proviande und BO Milch gemeinsam. Die vorliegende übergreifende Studie, in die auch Ergebnisse aus bereits abgeschlossenen oder noch laufenden Klimaprojekten eingeflossen sind, soll nun quasi als Leitfaden für ein weiteres Vorgehen dienen und Inputs für bestehende und zukünftige Projekte bieten. Die im Bericht zusammengetragenen Erkenntnisse sollen helfen, die Aktivitäten innerhalb der Wertschöpfungskette Milch und Fleisch zu koordinieren und Forschungslücken zu identifizieren. Schlussendlich bilde der Bericht für die Branchenorganisationen eine solide Basis, um ihre Aktivitäten im Bereich Klimaschutz abzustützen.
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