Keine Parolenfassung und trotzdem ein leises Ja

Der Dachverband Bio Suisse fasst zur Biodiversitätsinitiative offiziell keine Parole, vertritt bei Anfrage aber trotzdem ein «zurückhaltendes» Ja. Ein paar Mitgliederorganisationen hätten sich vom Verband in dieser Hinsicht mehr Mut erwünscht.
Zuletzt aktualisiert am 18. April 2024
von Renate Hodel
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In Olten fand diese Woche die Frühlingsdelegiertenversammlung von Bio Suisse statt, wo unter anderem über die Parolenfassung zur Biodiversitätsinitiative abgestimmt wurde. Die Initiative, die am 22. September 2024 zur Abstimmung kommt, hatte innerhalb von Bio Suisse bereits im Vorfeld für Diskussionen gesorgt: So hatte die Mitgliederorganisation Bio Ostschweiz bereits bei der Frühlingsdelegiertenversammlung vor einem Jahr gefordert, dass die Delegierten eine explizite Parole fassen sollten, weil aber die Abstimmungsdetails noch unklar waren, wurde dieser Antrag zunächst zurückgestellt.

Als der Abstimmungstermin und der Abstimmungsinhalt schliesslich feststanden, beantragte der Vorstand von Bio Suisse, dass auf eine Parole verzichtet wird und stattdessen die Leistungen des Biolandbaus in den Vordergrund gestellt werden – die Kommunikation erfolge zurückhaltend. Offiziell sollte also keine Parole gefasst werden, der Vorstand aber würde die Initiative, falls angefragt eher befürworten als ablehnen: «Die Erwartungen unserer Kundinnen und Kunden sind sehr klar – eine andere Parole als Ja würde von den Wenigsten verstanden.»

100-Prozent-Schweizer-Knospefütterung

An der Frühlingsdelegiertenversammlung von Bio Suisse wurde weiter über einen von den Mitgliederorganisationen Bio Grischun und Progana eingebrachten Antrag diskutiert: Dieser zielte auf eine Lockerung der strengen Fütterungsrichtlinien für Wiederkäuer ab und verlangte, dass die Richtlinie von 2018 zur Wiederkäuerfütterung anzupassen und wieder auf maximal 10 Prozent beschränkte Raufutterimporte zuzulassen.

Es sei nicht das Ziel, Soja in grossen Mengen zu importieren, stellte Christian Bosshard, Vizepräsident von Bio Grischun klar. Vielmehr erkannte er an, dass Importe in trockenen Jahren erforderlich sein könnten. «Um unsere Marktanteile zu erweitern und zu sichern, brauchen wir ausserdem ausreichend Betriebe, die biologisch wirtschaften», ergänzte er. Dem pflichtete auch Paul Ebnöther, Präsident von Bio Schwyz, bei: «Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu rigide an unseren Richtlinien festhalten – andernfalls verlieren wir Betriebe, die auf Bio umstellen möchten.»

Paul Walder, Präsident von Bioforum Schweiz, hingegen kritisierte die Ansätze von Bio Grischun als planlos und verwies dabei auf die strategischen Ziele von Bio Suisse. Und auch der Vorstand von Bio Suisse sprach sich gegen den Antrag aus und Urs Brändli betonte, dass die Beibehaltung der 100-Prozent-Regel einen «Mehrwert» darstelle.

Mit 36 Ja- zu 53 Nein-Stimmen bei acht Enthaltungen sprachen sich die Delegierten schliesslich dafür aus, dem eingeschlagenen Weg zu folgen: 100 Prozent Knospe-Futter aus der Schweiz, davon maximal 5 Prozent Kraftfutter.

In weiteren Geschäften beschlossen die Delegierten eine Anpassung des Knospe-Grundsatzes zu «Bienen und Imkerei» und verabschiedeten neben dem Jahresbericht auch das Budget und die Pflichtmitgliedschaft der Lizenznehmenden in einer Mitgliedorganisation.

Interne Kritik und Sorgen vor der Biodiversitätsinitiative

Unter anderem bei den Glarner Bio-Landwirtinnen und Bio-Landwirten sowie den Mitgliedern von Bio Zürich-Schaffhausen rief das allerdings im Vorfeld Kritik hervor und so stellte die Mitgliederorganisation Bio Glarus den Antrag, dass der Dachverband Bio Suisse Farbe bekennen und an der Delegiertenversammlung eine Parole zur Initiative fassen müsse. «Das Vorgehen des Vorstandes hat bei vielen unserer Mitglieder Skepsis und Unverständnis ausgelöst», so Richard Bamert, Präsident von Bio Glarus.

Die Möglichkeit zusätzlicher Verluste von Nutzflächen, daraus resultierende Einbussen in der Produktion sowie neue Forderungen und Auflagen im Falle einer Zustimmung zur Initiative im September bereite den Biobäuerinnen und Biobauern in Glarus Sorgen. Weiter betone die Initiative auch die Wichtigkeit der Erhaltung der Baukultur und dies stelle auch für Biobetriebe eine Herausforderung dar, da das Bauen in der Landwirtschaft bereits enorm kompliziert sei und es essentiell sei, dass sich die Betriebe weiterhin entwickeln könnten, argumentierte Bio Glarus.

Urs Brändli bleibt Bio-Suisse-Präsident

An der Frühlingsdelegiertenversammlung von Bio Suisse stand auch die turnusmässige Gesamterneuerungswahl des Vorstands und des Präsidiums auf dem Programm. Alle amtierenden Vorstandsmitglieder bewarben sich erneut um ihre Positionen.

Der seit 2011 als Bio-Suisse-Präsident amtende Urs Brändli wurde bei der diesjährigen Wahl von Maria Thöni aus dem bündnerischen Stierva GR herausgefordert. Die Bergbäuerin hatte im Vorfeld für eine Begrenzung der Amtszeit auf zwölf Jahre plädiert und kritisierte zudem, dass das Präsidium laut den Statuten von Bio Suisse von einem aktiven Betriebsleitenden mit einem Produzentenvertrag geleitet werden sollte, eine Bedingung, die Urs Brändli nicht mehr erfülle, nachdem er den Betrieb an seinen Sohn übergeben hatte.

Vor der Wahl betonte Maria Thöni ihre direkte Verbindung zu Bio Suisse durch ihre Einzelmitgliedschaft, während Brändli seine Kandidatur mit den Worten verteidigte: «Lust und Freude sind unabdingbar für dieses Amt, ebenso wie eine gewisse Demut, um sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen – mein Feuer und meine Energie sind noch da.»

Die Abstimmung fiel klar aus: Urs Brändli erhielt 78 Stimmen und wurde somit im Amt bestätigt, während Maria Thöni 13 Stimmen bekam. Auch die weiteren Vorstandsmitglieder wurden in ihren Ämtern bestätigt.

Spannungsfeld zwischen Biodiversitätsförderung und Baukultur

Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli betonte derweil die Notwendigkeit, dass die Biodiversität gefördert werden müsse, erkannte aber auch an, dass die Entwicklung der Biobetriebe nicht behindert werden sollte: «Der Aspekt der Baukultur ist auch für uns schwierig», bestätigte er. Allerdings sei es kaum möglich, den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern die komplexe Sachlage zu erklären, so die Argumentation. «Diejenigen, die regelmässig Bioprodukte kaufen, leben meist in der Stadt und wählen links-grün», erklärte Urs Brändli. Und viele dieser Personen würden sich oft nicht mit den globalen Zusammenhängen, die von der Initiative auf den ersten Blick unberührt blieben, oder beispielsweise mit dem Aspekt der Baukultur im Detail beschäftigen wollen, sondern erwarteten von Bio Suisse einfach eine Zustimmung.

Das Ergebnis der Abstimmung war schliesslich deutlich: So unterstützen 67 Delegierte den Antrag des Vorstandes, 24 Delegierte stimmten für den Vorschlag von Bio Glarus und 6 Delegierte enthielten sich der Stimme. Daher wird die Ja-Empfehlung des Vorstandes übernommen, jedoch geht Bio Suisse damit zurückhaltend um und beteiligt sich nicht aktiv an einer Ja-Kampagne für die Biodiversitätsinitiative.