Direktvermarktung: «Wir wollen uns nicht einschränken lassen»

Wie lautet der Einkaufszettel 2050?, so die Frage am diesjährigen Podium Berner Landwirtschaft. Die am meisten diskutierte Frage lautete schlussendlich aber, wie möglichst viel vom Konsumentenfranken auf den Höfen bleibt.
Zuletzt aktualisiert am 11. Januar 2023
3 Minuten Lesedauer

«Immer weniger Bauern produzieren immer mehr, kommen aber wirtschaftlich nicht auf einen grünen Zweig», erklärte Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten und Privatdozent an der Universität St. Gallen. Die Wertschöpfung verschiebe sich vom Hof zum Handel. Insbesondere bei den Bio-Produkten sei der Wertschöpfungsanteil des Handels deutlich höher.

Anders gesagt: Die Bäuerinnen und Bauern erhalten nur wenig mehr als bei der konventionellen Produktion, der Detailhandel kassiert im Laden aber massiv mehr fürs Produkt. «So kann man nicht erwarten, dass eine Bio-Boom ausbricht. Sowohl die Bauern als auch die Konsumenten haben keinen Anreiz, wenn sie nur wenig mehr erhalten respektive viel mehr bezahlen», so Binswanger.  

Direktvermarktung als perfekter Markt

Ein perfekter Markt wäre laut Binswanger, wenn Produzenten und Konsumenten direkt aufeinanderträfen. Das kommt in der Landwirtschaft in der Direktvermarktung vor, einem stetig wachsenden Betriebszweig. Laut Bauernverbands-Direktor Martin Rufer betreiben rund ein Viertel der Betriebe auf die ein oder andere Weise Direktvermarktung. Die Direktvermarktung trägt laut Schätzung zu rund 7% zum landwirtschaftlichen Umsatz bei.

«Direktvermarktung funktioniert aber nicht auf jedem Betrieb», so Rufer. Hinderungsgründe können etwa eine Lage abseits von Verkehrsachsen sein. Dass dereinst alle Betriebe ausschliesslich Direktvermarktung betreiben, ist eine Utopie. Für Rufer wäre bereits viel erreicht, wenn der Umsatzanteil auf ca. 15% erhöht werden könnte. «Für die Nische ist Direktvermarktung eine Möglichkeit, aber man kann nicht erwarten, dass die ganze Schweiz nur noch auf dem Hof einkauft», sagt auch Mathias Binswanger.

Voll auf Direktvermarktung setzt Aline Gerber vom Hof am Stutz im bernischen Kaufdorf. «Wir wollen uns nicht einschränken lassen», sagt die Landwirtin. Sie wolle auf dem Hof, den sie mit ihrem Partner bewirtschaftet, das Beste aus ihren Produkten rausholen – qualitativ und finanziell. Die Direktvermarktung sei ein grosser Aufwand. «Wir haben keine eigene Marketingabteilung oder jemanden, der die Buchhaltung führt», so Gerber. Herausfordernd sei auch die Preisgestaltung: Schauen, dass es einen guten Preis für die Produkte gibt, der aber vergleichbare Produkte im Detailhandel nicht preislich überflügelt.

Kommunikation als Must

Sehr wichtig in der Direktvermarktung sei die Kommunikation, so Mathias Binswanger. Für viele Kundinnen und Kunden seien die Preise im Hofladen kein Thema mehr, wenn die Produkte gut dargestellt würden. Binswanger verwies grundsätzlich aber auf die hohe Preissensibilität bezüglich Lebensmittel. «Die Leute regen sich auf, wenn das Joghurt 10 Rappen teurer wird, bei anderen Produkten ist der Preis hingegen nicht so wichtig.» Die Preissensibilität sei vor allem dort hoch, wo man oft kaufe und direkt bezahle. «Wenn für irgendwas der Betrag Ende Monat abgebucht wird, ist es für die Konsumenten viel weniger problematisch», so Binswanger.

Zwei Absatzmärkte bedient Regina Moser, die in Hindelbank zusammen mit ihrem Mann einen Betrieb führt. Das Poulet geht an die Micarna, das Gemüse wird u.a. im Hofladen verkauft und das mit Standortvorteil: Der Betrieb liegt direkt an der Hauptstrasse. «Das ist nicht idyllisch, aber der Hofladen läuft top.» Für sie sei die Diversifizierung im Absatz wichtig. «Wir überlegen uns stetig, was die Konsumentinnen und Konsumenten kaufen wollen», so Moser. Sie selbst betreibt dazu «Feldstudien» in der Dorfmusik, wo viele keinen landwirtschaftlichen Bezug haben. Klar ist auch für Moser: «Kommunikation ist ein Schlüsselfaktor.»

Er erlebe sehr viele innovative Bäuerinnen und Bauern, die sich im Markt bewegten, sagt Christian Hofer, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW). Die Vielfalt sei im Vergleich zur früheren Planwirtschaft deutlich grösser geworden. «Die Agrarpolitik hat eine gute Richtung eingeschlagen mit mehr Markt und mehr Freiheit», so Hofer.

Kritik an Billigstfleisch

Es gebe gute Entwicklungen, sagte auch Martin Rufer. Es brauche aber noch viel mehr, denn zuletzt seien auch die Kosten deutlich gestiegen. «Wir müssen auf den Markt fokussieren, die Produktionserlöse erhöhen», so Rufer. Die Landwirtschaft müsse auch im Verhandeln besser werden. Ein Hauptproblem sieht Rufer in den Billigaktionen von Importfleisch. Wer im Eingangsbereich gleich zur Hartaktion greife, kaufe kein Labelfleisch mehr. «Hier müssen wir den Detailhandel an die Kandare nehmen.» Politische Eingriffe in die Preisgestaltung lehnt er ab, es brauche keine Preispolizei. Vielmehr sei Transparenz bei der Preisgestaltung wichtig.

Für Christian Hofer ist klar, dass es künftig eine gemeinsame Strategie Land- und Ernährungswirtschaft braucht, bei der auch die Konsumenten einbezogen werden. «Einfach ist es nicht. Wir können den Konsumenten ja nicht vorschreiben, was sie essen sollen», so Hofer.