Die Pommernente liefert Fleisch und Eier

Kaum bekannt, aber kulinarisch interessant: Pommernenten liefern feines Fleisch und Eier. Doch braucht es für die Erhaltung der Rasse engagierte Geflügelhalter wie Daniel Tschuor.
Zuletzt aktualisiert am 1. Juli 2020
von Manuel Fischer
3 Minuten Lesedauer
Pommernente Daniel Tschuor Fischer Manuel

Kaum nähert sich jemand dem Archehof Sursaissa in Disentis , wird die hier lebende tierische Wohngemeinschaft wach. Einige Gesellen sind etwas vorwitziger als andere. Zuerst rennen weissgefiederte «Schweizer Hühner» weg – erkennbar am kräftig roten Kamm und dem schneeweissen Gefieder. Nach und nach zeigen sich auch einige Walliser Landschafe, das Wollschwein mit jungen Frischlingen, ebenso die weisse grosse Diepholzer Gans.

Daniel Tschuor und seiner Frau Flurina ist es zu verdanken, dass eine gute Anzahl von Tieren selten gewordener Nutzrassen auf ihrem Archehof ein neues Zuhause gefunden haben.

Menu aus dem Schlammbad

Doch eigentlich gilt der Besuch einer Gruppe von gefiederten Artgenossen, die mit ihrem stolzen Gang eine Prise Noblesse auf den Hof brachten. Mit ihrem aufrechten Körperhaltung und ihrem blau bis grün schimmernden Gefieder wirken die Pommernenten  ̶  die jüngste rare Spezies auf dem Hof  ̶   etwas vornehm. In kleinen Gruppen stolzieren sie auf dem steinernen Vorplatz des Stalls, bevor sie wieder ein Bad im Teich nehmen. «Am liebsten halten sie sich im Schlammbad auf», sagt Daniel Tschuor. Gerne tragen die Enten den Schlamm ins Wasser und durchsieben diesen nach Fressbarem. Typisch für Ente und Schwäne ist das so genannte Gründeln, die Nahrungsaufnahme vom Boden eines Gewässers.

Die Pommernente ist genügsam. Zugekauftes Futter braucht es für die Haltung nicht, es sei denn als Lockfutter. Alles was in jeder grünen, nicht überdüngten, Wiese vorkommt, Gras, Würmer und Schnecken, gehören zum Speiseplan dieser selten gewordenen Landrasse.

Grosse Bestände wurden bis zum Wiener Kongress (1815) im zum Königreich Schweden gehörende Vorpommern gehalten. Deshalb wird diese Entenart auch Schwedenente genannt. Bald fand aber die einfach zu haltende Hausentenrasse weite Verbreitung in ganz Europa. Doch in den letzten Jahrzehnten fielen die Bestände in sich zusammen, nicht zuletzt durch die Konkurrenz frühreifer Mastrassen wie die Rouen- oder Pekingente.

Mission Erhaltungszucht

Daniel Tschuor lässt dann und wann eine gute Portion Selbstironie einfliessen, wenn er von seiner Mission für seltene Nutztierrassen erzählt: «Meine Eltern waren Landwirte. In jungen Jahren habe ich mir geschworen: So etwas werde ich nie machen.» Tatsächlich hat er seinen Hauptbroterwerb ausserhalb der Landwirtschaft gefunden, ebenso seine Frau. Dennoch war es ihm ein Anliegen, etwas vom tradierten Wissen seiner bäuerlich lebenden Eltern und Grosseltern in die Moderne hinüber zu retten. Auf den Küchentisch kam, was die Natur der Region hergab und der intensive Austausch innerhalb familiärer Beziehungen möglich machte.

«Vor fünfzehn Jahren hatte ich mir ein Paar Schweizer Hühner angeschafft, eine alte Landrasse, die von Pro Specie Rara gefördert wird. Schnell hiess es in meiner Familie: Wir wollen auch eine Rasse züchten.» So ging es weiter mit Walliser Landschafen, die ebenfalls vom Aussterben bedroht waren. Mit der Passion für seltene Rassen kam die klare Ausrichtung der landwirtschaftlichen Nebenerwerbstätigkeit. «Es kommen nur Nutztiere auf unseren Hof, die vom Aussterben bedroht sind, Schweizer Rassen - oder eingeschweizerte Rassen»,wie Tschuor mit einem Augenzwinkern präzisiert.

Erhaltungszucht ist oberstes Ziel. Da man mit der Haltung von Hühnern und Gänsen bereits gute Erfahrungen machte, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch Pommernenten am Archehof einquartiert wurden.

Bei Spitzenköchen beliebt

Die Pommernente kann vielfältig genutzt werden. Sie gilt als ausgezeichnete und zuverlässige Brüterin. Bei günstiger Witterung beginnt ein Muttertier schon im März mit Eierlegen und kann es bis Juli auf gut 150 Eier bringen.

Die Enten erreichen im Lebensalter von 5 bis 6 Monaten das optimale Schlachtalter, auch weil zu diesem Zeitpunkt die Mauser (das Wechseln des Federkleids) das Rupfen der Tiere erleichtert.

Bei vielen Feinschmeckern wird Entenfleisch als Delikatesse geschätzt. Beim Braten der fein geschnittenen Entenbrust wird die Haut belassen. Diese sorgt dafür, dass die Fleischstücke nicht austrocknen und die entstehende Kruste zum Geschmackserlebnis einfach dazugehört. Zu den Abnehmern gehören nebst Privaten ebenso Spitzenköche wie Andres Caminada, die gerne mit regionalen Zutaten arbeiten.

Geschlachtet werden alle Nutztiere des Archehofs bei einem spezialisierten Bündner Betrieb. Keine Selbstverständlichkeit, da viele auf Hybrid-Legehühnern ausgerichtete Metzgereien die Mehrarbeit bei der fachgerechten Verarbeitung des ungewöhnlichen Federviehs eher meiden wollen.

Gekochte Enteneier sind hierzulande selten Teil des Speiseplans, gerade in der deutschsprachigen Schweiz. «Asiatische Restaurants rupfen uns hingegen die Eier aus der Hand», so Daniel Tschuor. Eine weitere Verwertungsmöglichkeit ist das Herstellen von Eierteigwaren, welche zum bunten Angebot des Archehofs gehören. Nur eines aus einer sehr vielfältigen Palette von saisonalen Produkten (Gemüsekörbe, Trockenfleisch vom Schwein, Lammfelle, Obstedelbrände usw.), welche die Tschuors via Direktvermarktung (Onlineshop, Telefonate usw.) ausliefern.

Weitere Halter und Züchter gesucht

Der Archehof ist einer von ungefähr 20 Betrieben in der Schweiz, welche die Pommernenten auch aus kommerziellem Interesse halten. Seit März 2020 ist Daniel Tschuor auch Präsident von ZUN, dem Züchterverein ursprünglichen Nutzgeflügels. ZUN engagiert sich für den Aufbau einer professionalisierten Zucht alter Landrassen, wobei hierzu das Führen eines Herdbuchs (für das Erstellen von Abstammungsnachweisen von Zuchttieren, Tierfamilien und Tierstämmen) ebenso dazugehört wie der Einbezug externer Geflügelrichter bei der Bewertung der Tiere. Als schön gilt bei der Pommernente der weisse Latz an Brust und Vorderhals, die schwarzen Füsse und der olivgrüne Schnabel bei den Männchen.

Im Sinne des langfristigen Erhalts der Rasse wünscht man sich weitere Landwirte, die in die Zucht einsteigen möchten. Rege Nachfrage nach Entenfleisch besteht in der Romandie. Interessierte Züchter nahmen bislang lange Wege auf sich, um an Küken oder Bruteier für das Erstellen geeigneter Zuchtgruppen zu gelangen. Doch 2019 ist mit Hilfe von Pro Specie Rara und einer regionalen Tierschutzstiftung in der Westschweiz eine Brutstation eingerichtet worden. Damit können gleichzeitig mehrere Abstammungslinien gepflegt und Jungtiere zu Zuchtgruppen zusammengestellt werden.