«Traditionelle Sorten in Ehren: Aber warum eigentlich?»

In der Welt der Lebensmittelproduktion und des Konsums finden traditionelle Sorten oft nur wenig Beachtung. An der PGREL-Fachtagung zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung von pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft wurde darüber diskutiert, wie man das Profil ebendieser Sorten schärfen und die Beachtung steigern kann.
Zuletzt aktualisiert am 24. November 2023
von Renate Hodel
3 Minuten Lesedauer
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Wie kann man die Öffentlichkeit für die Vielfalt der genetischen Ressourcen sensibilisieren und damit deren Konsum nachhaltig beeinflussen? Um diese Frage zu beantworten und die Arbeit der Akteurinnen und Akteure der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen zu inspirieren, referierten an der PGREL-Fachtagung am Inforama Rütti in Zollikofen unter anderem Pascal Lorenzini, Dozent für Wirtschaft an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL und Rainer Pietrek, Verantwortlicher für Gartenpflanzen bei Coop und Jumbo und präsentierten ihre Perspektiven im Hinblick auf das Nischengebiet.

Der Wert traditioneller Sorten

In einer Welt, die sich rasant verändere, erschienen traditionelle Gemüse- und Obstsorten als Relikte einer vergangenen Ära, führte Pascal Lorenzini von der HAFL aus. Doch gerade in dieser Schnelllebigkeit liege ihr wahrer Wert verborgen. Und auch im Kontext des Megatrends Neoökologie werde die Rolle traditioneller Sorten besonders deutlich. Sie repräsentierten eine nachhaltige, ressourcenschonende Alternative gegenüber dem Bild von intensiven Monokulturen und seien eng mit anderen Trends wie Minimalismus, Bio-Boom, und Regionalisierung verbunden. Über ihre praktischen Vorteile hinaus schafften traditionelle Sorten eine emotionale Verbindung zur Natur und unserer Kulturgeschichte. Jede Sorte trage eine Geschichte in sich, erzählt von Generationen von Bauern und Gärtnern, die sie gepflegt und weitergegeben haben.

Kommunikation und Inspiration

Um die Bedeutung traditioneller Sorten voll zu erfassen und zu vermitteln, müsse das «Warum» hinter ihrer Erhaltung kommuniziert werden, führte Pascal Lorenzini weiter aus. Es gehe darum, authentische Geschichten zu teilen und eine nachhaltige Beziehung zwischen Konsumenten, Landwirten und der Natur zu schaffen.

Das die Produkte eine Geschichte erzählten, sei für die Vermarktung zentral, bestätigte Rainer Pietrek von Coop. Bereits 1999 initiierte die Schweizer Einzelhändlerin Coop eine Partnerschaft mit ProSpecieRara. Einerseits sei Einzigartigkeit der Produkte und Sorten ein Verkaufsargument, andererseits erzählten Produkte wie beispielsweise Käse oder Milch der Appenzeller Ziege, einst fast ausgestorben, eine Geschichte, die weit über den reinen Geschmack hinausgingen.

Wirtschaftliches Interesse und Nachhaltigkeit

Die Entscheidung, ProSpecieRara-Produkte im Regal aufzunehmen, sei aber natürlich nicht rein altruistisch getroffen worden. Coop habe erkannt, dass gewisse Kundinnen und Kunden zunehmend Wert auf Authentizität, Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit legten, so Rainer Pietrek. Diese Kunden suchten Produkte, die nicht nur gut schmecken, sondern eben auch eine Geschichte erzählten – und diese Kundschaft sei bereit, dafür einen höheren Preis zu zahlen. Die Positionierung dieser Produkte als hochwertige, sympathische Schweizer Produkte trage auch zur wirtschaftlichen Stabilität von Coop bei. Trotzdem besetzten die Produkte einen Nischenmarkt und die Vermarktung traditioneller Sorten sei nicht ohne Herausforderungen. Einerseits erforderten sie kommunikative Unterstützung, um ihre Besonderheiten hervorzuheben. Andererseits müssten Produzenten gefunden werden, die bereit seien, diese oft weniger ertragreichen Sorten anzubauen und diese trotzdem in entsprechenden Mengen bereitzustellen.