«Regional goes Mainstream»

Regionale Produkte liegen im Trend und so ist dieser Bereich über die letzten Jahre zum wachstumsstärksten Sektor im Foodbereich herangewachsen. An der Hochschule für Wirtschaft HWZ in Zürich diskutierte ein Expertenpanel, wieso immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten und Unternehmen auf regionale Produkte setzen.
Zuletzt aktualisiert am 20. Januar 2023
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Seit Jahren nimmt der Regiotrend bei Lebensmitteln Fahrt auf und die Produktepalette der zertifizierten Regioprodukte ist über die Jahre stark angewachsen. «Wir haben mittlerweile etwa 13’500 zertifizierte Produkte und auch auf der Produzentenseite wachsen wir stark – ungefähr 20 Prozent der Schweizer Landwirtschaft liefert in unseren Kanal», erklärt Manfred Bötsch, Präsident des Vereins Schweizer Regionalprodukte, anlässlich einer Panel-Diskussion im Rahmen der Fachtagung Regionalprodukte an der HWZ. Hochrechnungen hätten ausserdem ergeben, dass der Markt mit regionalen Produkten und Spezialitäten in den letzten fünf Jahren jeweils so um die 10 Prozent pro Jahr gewachsen sei, ergänzt Stephan Feige, Leiter der Fachstelle Authentische Markenführung an der HWZ: «Mit gesamthaft rund 2,2 Milliarden Schweizer Franken in Verbraucherumsatz machen diese Produkte mittlerweile einen ziemlich grossen Brocken aus.»

Regionalität als Trend

So sei Regionalität für die Marketingstrategie und Markenentwicklung von Produkten in der Zwischenzeit zu einem sehr entscheidenden Element geworden. Grundsätzlich suchten nämlich viele Konsumentinnen und Konsumenten nach Authentizität bei ihren Einkäufen – insbesondere bei Lebensmitteln, erklärt Stephan Feige. Deswegen spiele die regionale Herkunft eine immer stärkere Rolle. Die Herkunft an sich, aber auch die Story hinter dem Produkt seien heute wichtige Verkaufsargumente: «Konsumentinnen und Konsumenten sind interessieret daran zu wissen, wer die Produkte unter welchen Umständen herstellt – die Suche nach Authentizität ist in den Genen verankert und Regionalprodukte sind sozusagen eine Marketingantwort oder eine Produktantwort auf dieses Bedürfnis», erläutert Stephan Feige weiter.

Neuer alter Trend

Regionalität sei aber nicht erst vor Kurzem wieder zum Trend geworden, sondern feiere seit geraumer Zeit ein Revival, erklärt Stephan Feige weiter. «Das Swissness-Bewusstsein startete so um die Jahrtausendwende und wurde interessanterweise mit dem Grounding der damaligen Swissair noch verstärkt», führt der Fachstellenleiter aus und ergänzt: «Es war eine Gegenbewegung gegen diesen Megatrend der Globalisierung.» Vor mehr als 20 Jahren hätten Weltmarken wie Coca-Cola das Wahrnehmungsbild geprägt – seither sei das Pendel aber wieder in die andere Richtung geschwungen. «Man besann sich wieder auf die Herkunft aus der eigenen Region und entschiedet sich heute vielleicht einmal mehr für die Vivi Kola und nicht für das Produkt des einem anonymen, börsennotierten Grossherstellers», sagt Stephan Feige.

Was ist regional?

Dass Regionalprodukte aber weiter mit Authentizität punkten könnten, sei es elementar, dass sauber festgelegt sei, was regional sei, ergänzt Manfred Bötsch. Darum sei es für den Verein Schweizer Regionalprodukte ganz wichtig, dass es eine saubere, klare und national einheitliche Definition gebe. Für die Konsumentinnen und Konsumenten seien drei Punkte wichtig: «Sie wollen genau wissen, was Region heisst, also von welcher Region gesprochen wird; woher die Rohstoffe kommen, die in den Produkten sind und schliesslich, wo die Produkte verarbeitet werden», erklärt Manfred Bötsch. Zürich und Umgebung als Regionsbezeichnung beispielsweise sei nicht adäquat und zu schwammig. «Es geht dabei um Glaubwürdigkeit und Transparenz», erklärt er weiter. So seien die Auflagen für das Regio-Garantie-Zertifikat entsprechend streng.

Regional ist nicht gleich regional

Trotzdem bleibt eine gewisse Diskrepanz oder ein gewisser Interpretationsspielraum beim Regionalbegriff. «Es gibt ‹regional›, was gleichbedeuten mit von ‹hier ist› – da will der Konsument den Produzenten um die Ecke kennen», erklärt Stephan Feige von der HWZ. «Es gibt aber auch die regionale Spezialität wie der Waadtländer Saucisson, die auch für einen Ostschweizer als ein regionales Produkt oder eine regionale Spezialität wahrgenommen wird», ergänzt er. Dasselbe gelte beispielsweise für Appenzeller Bier oder für Basler Läckerli. Auch diese Produkte würden in anderen Teilen der Schweiz als regionale Produkte wahrgenommen.

Ist Regionalität auch nachhaltig?

Zwar seien Regionalität und Nachhaltigkeit nicht gänzlich deckungsgleich, führt Stephan Feige aus. Regional sei aber, wenn man die ökologischen und insbesondere die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte betrachte, durchaus sehr nachhaltig. Dem pflichtet auch Manfred Bötsch vom Verein Schweizer Regionalprodukte zu: «Sozial und wirtschaftlich sind Regionalprodukte in aller Regel nachhaltig, was ja auch kontrolliert und zertifiziert wird.» Grosse soziale Nachhaltigkeit finde man beispielsweise bei handwerklichen Herstellern mit kleinen Strukturen. Aber auch wer auch ökologische Nachhaltigkeit setze, finde eine Fülle an regionalen Produkten, die diesen Anforderungen ebenfalls entsprechen würden, ergänzt Stephan Feige. «In den Bergen beispielsweise in Graubünden, wo über die Hälfte aller Landwirtschaftsbetriebe biozertifiziert sind, erfüllen viele Regionalprodukte auch die Anforderungen nach ökologischer Nachhaltigkeit», veranschaulicht er. Regionale Produkte würden in der Regel aber ganz grundsätzlich mit einer höheren Nachhaltigkeit punkten.

Enjoy local – regional aus dem Automaten
Im Rahmen der Fachtagung Regionalprodukte lancierte Automatenbetreiber Dallmayr zusammen mit der Marke «VAUD+» und in Kooperation mit «regio.garantie» ein neues Automatenkonzept mit regionalen Produkten: «Enjoy local».
Der Input für die Weiterentwicklung kam von der technische Hochschule EPFL in Lausanne, die ihr gesamtes Verpflegungssystem auf dem Campus gesünder und nachhaltiger organisieren wollte und auch die Snackautomaten miteinbeziehen wollte. Das Projekt mit lokalen Waadtländer Produkten im Automaten hatte Erfolg und generierte Anfragen aus anderen Regionen. Das Projekt des Automaten mit regionalen und lokalen Produkten wird nun national ausgeweitet.


LID: Regional einzukaufen ist zuweilen nicht ganz einfach. Einerseits schaffen es meist nur grössere Produzenten oder Produzentenverbände ins Sortiment von Detailriesen wie Coop oder Migros, andererseits wäre es kaum nachhaltig, wenn ganz Zürich dezentral in die verschiedenen Hofläden ausserhalb der Stadt einkaufen gehen müsste, um zu lokalen Produkten zu kommen. Bringen diese Automaten nun die Regioprodukte zu den Konsumentinnen und Konsumenten?
Adrian Rentsch: Insbesondere für Kleinproduzenten ist es sicher eine spannende Lösung, um ihre Produkte national zu zeigen. So werden diese Automaten den Konsumentinnen und Konsumenten noch unbekannte regionale Produkte näherbringen können und allenfalls bei den Produzentinnen und Produzenten mehr Nachfrage generieren.

LID: Warum ist es Dallmayr ein Anliegen, diese Verbindung zwischen Produzenten und Konsumenten zu fördern und zu stärken?
Adrian Rentsch: Ehrlich gesagt hatte ich so meine Zweifel, als wir zusammen mit der EPFL das Projekt mit diesen Automaten mit regionalen Produkten starteten – ich hielt es für eine verrückte Idee. Doch dann kam die Coronaviruspandemie und das Einkaufen wurde plötzlich um einiges komplizierter, die Konsumentinnen und Konsumenten suchten plötzlich zuhauf Hofläden auf und für uns eröffneten sich ganz neue Perspektiven. Die Nachfrage entwickelt sich vermehrt hin zu gesünderen, nachhaltigeren und regionalen Produkten. Und als wir uns dann mit lokalen Produzentinnen und Produzenten getroffen haben, ist der Funke endgültig übergesprungen. Schlussendlich wollen wir als Unternehmen auch etwas bieten und etwas für kleinere Produzentinnen und Produzenten tun.

LID: Inwiefern ist die Bewirtschaftung solcher Automaten mit lokalen und regionalen Produkten herausfordernd?
Adrian Rentsch: Als die ersten Produzenten uns ihre Anwärterprodukte für den Automaten einsendeten, mussten wir feststellen, dass es Produkte gibt, die sich nicht für den Verkauf im Automaten eigneten. Sei es aufgrund der Grösse, der Form oder der Verpackung. Wenn uns das Produkt trotzdem überzeugte, dann haben wir zusammen mit dem jeweiligen Produzenten an Anpassungen getüftelt, um das Produkt automatenkonform zu machen.
Auch die Logistik muss sehr organisiert sein, weil es ja von Region zu Region auch unterschiedliche Produkte aufzufüllen gibt. Da ist der Aufwand sicher grösser als in unserem Standard-Vending-Geschäft.

LID: Welche Produkte schaffen es in die Automaten?
Adrian Rentsch: Ein Gremium bestehend aus Vertretern von Dallmayr, Vaud Promotion und den verschiedenen regionalen Verbänden des Vereins Schweizer Regionalprodukte degustiert die Produkte und gibt sie nach einer erfolgreichen Verkostung frei für die Aufnahme in den Automaten. Bei einer Freigabe muss weiter geprüft werden, ob ein gleiches oder ähnliches Produkt bereits im Sortiment vertreten ist – zehnmal das gleiche Produkt im Automaten bringt nichts. Schlussendlich werden dann auch die Konsumentinnen und Konsumenten entscheiden, welche Produkte langfristig im Automaten angeboten werden. Das Ziel sind ja schliesslich Verkäufe und wir werden daher sicher von Zeit zu Zeit auch Sortimentsanpassungen machen.
Grundsätzlich gilt aber: 80 Prozent des Sortiments in den Automaten werden nationale Regioprodukte ausmachen und die restlichen 20 Prozent werden dann mit lokalen Produkten aufgefüllt – abhängig davon, wo der Automat steht. Automaten in Graubünden werden also mehr Bündner Produkte enthalten, Automaten im Kanton Bern mehr Produkte aus dem Bernbiet. Der Konsument muss sich schliesslich mit diesem lokalen Aspekt auch identifizieren können: Wenn er im Automaten nur ein Produkt aus seiner Region entdeckt, könnte er das Angebot allenfalls nicht mehr als regional und lokal wahrnehmen.

Wie viele Enjoy-local-Automaten strebt Dallmayr nun an?
Mit unseren Partnern haben wir uns zum Ziel gesetzt, dass wir bis in zwei Jahren rund 400 aktive Automaten in der ganzen Schweiz betrieben wollen. In der Westschweiz haben wir in eineinhalb Jahren ja bereits knapp 100 Automaten erreicht. Egal, ob es aber 100 oder 1’000 Automaten sind: Wichtig ist, dass die Logistik funktioniert und dass die Produzentinnen und Produzenten die Nachfrage ihrer Produkte decken können. Wenn Lieferlücken entstehen und der Konsument sich nicht darauf verlassen kann, dass sein Lieblingsprodukt erhältlich ist, kann das für die Nachfrage eines Produkts unter Umständen verheerend sein.

Enjoy Local Dallmayr Automat Rho