Quarantäneorganismen im Schweizer Gemüsebau: Eine wachsende Bedrohung mit weitreichenden Folgen

Die Bekämpfung von Quarantäneorganismen ist ein komplexes Unterfangen, das nicht nur präzise Diagnosen und schnelle Reaktionen erfordert, sondern auch eine enge Zusammenarbeit zwischen Landwirtinnen und Landwirten, kantonalen Pflanzenschutzdiensten sowie den nationalen Behörden.
Zuletzt aktualisiert am 1. März 2024
von Renate Hodel
10 Minuten Lesedauer
Kontrollen Jordanvirus 2021 Arenenberg

Die Schweizer Landwirtschaft steht vor einer zunehmenden Herausforderung durch Quarantäneorganismen, die nicht nur die heimische Pflanzenwelt bedrohen, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Schäden verursachen können – unter anderem im Gemüsebau. Im letzten Jahr rückte das Thema ins Rampenlicht, als Ingwer, kontaminiert mit dem Bakterium Ralstonia pseudosolanacearum, in die Schweiz gelangte und auf 16 Betrieben in neun Kantonen nachgewiesen wurde. Dieses Ereignis verdeutlicht die Vulnerabilität des Gemüsebaus gegenüber eingeschleppten Schadorganismen und wirft ein Schlaglicht auf die Notwendigkeit, Quarantäneorganismen und ihre Auswirkungen auf die Landwirtschaft ernst zu nehmen.

Besorgniserregende Liste

Es gibt eine besorgniserregende Liste von Quarantäneorganismen, die in der Schweiz bereits identifiziert wurden. Laut Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) befinden sich darunter neben dem Bakterium Ralstonia pseudosolanacearum unter anderem auch der Japankäfer, das als Jordanvirus bekannte Tomato brown rugose fruit virus (ToBRFV), verschiedene Arten von Nematoden und der Asiatische Laubholzbockkäfer. Für den Gemüsebau stellen insbesondere die Nematoden, das Jordanvirus, der Japankäfer und das Bakterium Ralstonia pseudosolanacearum eine Bedrohung dar. Diese Organismen richten in unterschiedlichen Bereichen des Gemüsebaus Schäden an – von der Zerstörung der Wurzeln bis hin zur Beeinträchtigung der Fruchtqualität – und bedrohen somit die Lebensgrundlage vieler Gemüsebäuerinnen und Gemüsebauern.

Quarantäneorganismen

Quarantäneorganismen sind Pflanzenkrankheiten oder -schädlinge von potenzieller wirtschaftlicher Bedeutung, die in der Schweiz nicht oder nur lokal auftreten. Für sie gilt eine allgemeine Melde- und Bekämpfungspflicht. Damit ein Schadorganismus von einem Land als Quarantäneorganismus geregelt werden kann, muss eine Risikoanalyse nach internationalen Normen durchgeführt werden und es müssen spezifische Kriterien erfüllt sein. So müssen beispielsweise durchführbare und wirksame Massnahmen zur Verfügung stehen, mit denen sich die Einschleppung und die Verbreitung des Organismus verhindern und die von ihm ausgehenden Schäden mindern lassen.

 

Prioritäre Quarantäneorganismen

Quarantäneorganismen, von denen die grössten Schäden zu erwarten sind und deren Bekämpfung am dringendsten ist, werden als «prioritäre Quarantäneorganismen» geregelt. In der Schweiz müssen aktuell folgende Quarantäneorganismen betreffend die Information, Überwachung und Notfallplanung prioritär behandelt werden:

Landwirtschaft und produzierender Gartenbau

  • Anastrepha ludens (Mexikanische Fruchtfliege)
  • Anthonomus eugenii (Paprikarüssler)
  • Aromia bungii (Asiatischer Moschusbockkäfer)
  • Bactericera cockerelli (Tomatenblattsauger, amerikanischer Kartoffelblattsauger)
  • Bactrocera dorsalis (Orientalische Fruchtfliege)
  • Bactrocera zonata (peach fruit fly)
  • Erreger der Citrus greening disease (Candidatus Liberibacter africanus, Candidatus Liberibacter americanus, Candidatus Liberibacter asiaticus)
  • Clavibacter sepedonicus (Ringfäule der Kartoffel)
  • Conotrachelus nenuphar (nordamerikanischer Pflaumenrüssler)
  • Phyllosticta citricarpa (citrus black spot)
  • Popillia japonica (Japankäfer)
  • Ralstonia solanacearum (Braunfäule)
  • Rhagoletis pomonella (Apfelfruchfliege)
  • Spodoptera frugiperda (Herbst-Heerwurm)
  • Thaumatotibia leucotreta (false codling moth)
  • Xylella fastidiosa

Wald

  • Agrilus anxius (Bronzefarbener Birkenbohrer)
  • Agrilus planipennis (Asiatischer Eschenprachtkäfer)
  • Anoplophora chinensis (Citrusbockkäfer)
  • Anoplophora glabripennis (Asiatischer Laubholzbockkäfer)
  • Bursaphelenchus xylophilus (Kiefernholznematode)
  • Dendrolimus sibiricus (Sibirischer Seidenspinner)

 

Aktuelle Bedrohung durch Quarantäneorganismen

Die Liste der Quarantäneorganismen, deren Auftreten in der Schweiz im letzten Jahr und teilweise auch bereits früher festgestellt wurde und die amtlich bekämpft werden, ist relativ lange: Popillia japonica (Japankäfer), Ralstonia pseudosolanacearum, Tomato brown rugose fruit virus (ToBRFV), Globodera pallida (Kartoffelzystennematoden), Globodera rostochiensis (Kartoffelzystennematoden), Meloidogyne enterolobii (Wurzelgallennematoden), Meloidogyne chitwoodi (Wurzelgallennematoden), Meloidogyne fallax (Wurzelgallennematoden), Ceratocystis platani (Platanenkrebs), Flavescence dorée (Goldgelbe Vergilbung der Rebe), Anoplophora glabripennis (Asiatischer Laubholzbockkäfer).

Frühes Erkennen als Basis der Bekämpfung

Die Herausforderung beginnt mit der Identifikation der Quarantäneorganismen, welche durch Verdachtsfälle und anschliessenden positiven Tests geschieht. Die Entdeckung erfolge durch Laboruntersuchungen von Proben, die routinemässig oder auf Verdacht gesammelt werden, erklärt das BLW auf Anfrage. Die Schweiz setzt dabei auf fortschrittliche Technologien und Methoden zur Identifikation und Diagnose von Quarantäneorganismen: «Je nach Organismen kommen unterschiedliche Methoden und Technologien zum Einsatz – von morphologischen Untersuchungen bis hin zu modernsten molekularen Tests», erklärt BLW-Mediensprecherin Sarah Kehrli. Und diese Untersuchungen sind entscheidend, um Ausbrüche frühzeitig zu erkennen und entsprechende Gegenmassnahmen einzuleiten.

Fälle in diversen Kantonen

So wurden unter anderem in den Kantonen Aargau, Bern und Thurgau spezifische Fälle von Ralstonia pseudosolanacearum, sowie Nematoden und anderen Schädlingen wie dem Maiswurzelbohrer festgestellt. «Es gab Verdachtsfälle, welche durch den Pflanzenschutzdienst abgeklärt wurden – dabei kamen auch positive Fälle heraus», erklärt Andreas Distel, Leiter des Pflanzenschutzdienstes beim landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg im Kanton Aargau. «Im Kanton Bern wurden einige Fälle von Zystennematoden auf Kartoffeln entdeckt sowie ein Nematoden-Fall im Karottenanbau und ein Ralstonia-Fall auf Ingwer», teilt die Fachstelle Pflanzenschutz des Kantons Bern mit und ergänzt: «Ausserdem wurden Maiswurzelbohrer in den meisten Maisanbaugebieten des Kantons gefunden.» Und auch im Kanton Thurgau gab es Fälle mit Quarantäneorganismen, bestätigt Florian Sandrini, Leiter des Pflanzenschutzdienstes beim landwirtschaftlichen Kompetenzzentrum Arenenberg. «Wir stellten das Ralstonia-Bakterium auf drei Betrieben fest und fingen den Maiswurzelbohrer», erklärt er.

Pflanzenpass und Rückverfolgbarkeit

Das Pflanzenpasssystem der Schweiz und der EU ist eine präventive Risikomanagementmassnahme, um den Handel mit Pflanz- und Saatgut sicherer zu machen und dadurch die Pflanzen besser vor besonders gefährlichen Schädlingen und Krankheiten zu schützen. Der Pflanzenpass ist ein amtliches Attest für die Abgabe von geregelten pflanzlichen Waren innerhalb der Schweiz und im Austausch mit der EU. Der Pass bestätigt, dass die Ware die Pflanzengesundheitsvorschriften erfüllt und dass regelmässige amtliche Kontrollen durchgeführt werden.

Die Funktionen des Pflanzenpasses beinhalten die Bestätigung gegenüber den Abnehmern, dass das Pflanzenmaterial aus einer amtlich kontrollierten Produktion stammt und frei von geregelten Pflanzenkrankheiten und -schädlingen ist sowie die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit.

 

Rückverfolgbarkeit hat bis anhin funktioniert

Der Pflanzenpass und die Rückverfolgbarkeit von Pflanzenmaterial spielen eine entscheidende Rolle in der Prävention und Bekämpfung von Quarantäneorganismen in der Schweiz. So betont Andreas Distel vom landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg die Bedeutung der Rückverfolgbarkeit, die trotz einiger Einschränkungen gerade im Fall mit dem Ausbruch des Ralstonia-Bakteriums als erfolgreich angesehen werden kann: «Schöner wäre es gewesen, man hätte den konkreten Fall entdeckt, bevor das befallene Pflanzmaterial in die Schweiz importiert worden ist – der Schaden hätte aber viel grösser sein können, wenn man die Betriebe danach nicht so schnell ausfindig gemacht hätte.»

Dank dem Pflanzenpass konnte der Weg des Pflanzgutes auf Schweizer Betriebe erfolgreich zurückverfolgt werden. So konnte verhindert werden, dass das Bakterium auf andere Kulturen übergegangen ist. «Würde die Rückverfolgung nicht funktionieren, hätten viele betroffene Betriebe nicht identifiziert werden können, entsprechend hätte sich die Krankheit ausgebreitet und der Schaden für die betroffenen Betriebe und die Landwirtschaft wäre noch viel grösser», meint auch Florian Sandrini vom landwirtschaftlichen Kompetenzzentrum Arenenberg. Im Kanton Thurgau habe durch die Rückverfolgbarkeit verhindert werden können, dass ein befallener Ingwerposten gepflanzt beziehungsweise falsch entsorgt worden sei.

Florian Sandrini bestätigt zudem, dass der Pflanzenpass phytosanitäre Kontrollen voraussetzt, weist aber auch darauf hin, dass eine vollständige Überwachung aufgrund von Stichprobenkontrollen nicht möglich ist. Und die grösste Bedrohung sieht Florian Sandrini im allgemeinen Waren- und Personenverkehr und nicht im Handel mit zertifiziertem Pflanzgut. Eine hundertprozentige Sicherheit gebe es sowieso nicht, meint auch Andreas Distel: «Das System ist komplex und es wird global agiert, das ist immer eine Herausforderung.»

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Pflanzenpass und die Rückverfolgbarkeit wichtige Instrumente im Kampf gegen die Einschleppung und Verbreitung von Quarantäneorganismen sind.

Internationaler Handel sorgt für Verbreitung

Die Wege, auf denen diese Quarantäneorganismen in die Schweiz gelangen, sind vielfältig. So tragen menschliche Aktivitäten wie der internationale Handel tragen massgeblich zur Verbreitung bei: «Aufgrund des stetig wachsenden globalen Warenhandels und Reiseverkehrs steigt auch das Risiko, dass neue besonders gefährliche Schädlinge und Krankheiten von Pflanzen eingeschleppt und hierzulande verbreitet werden», erklärt Sarah Kehrli vom BLW und ergänzt: «Lokal können sich einige Quarantäneorganismen auch auf natürlichem Wege ausbreiten – beispielsweise Insekten via Flug.» Der Klimawandel verschärft laut BLW das Problem ausserdem noch, indem er die Bedingungen für das Überleben und die Ausbreitung dieser Organismen verbessert. Die globale Vernetzung und der Klimawandel sind somit doppelte Treiber für die zunehmende Bedrohung durch Quarantäneorganismen.

2023 Ingwer 3 Kim Lid
Der Ingweranbau erlebte in der Schweiz zuletzt einen Miniboom, war letztes Jahr aber auch verantwortlich für das Auftreten des Ralstonia-Bakteriums: Im Juli 2023 wurde der Eidgenössische Pflanzenschutzdienst von der EU informiert, dass möglicherweise mit Ralstonia pseudosolanacearum infizierter Ingwer in die Schweiz gelangt war. Die kantonalen Pflanzenschutzstellen schwärmten in der Folge aus und konnten die entsprechenden Betriebe identifizieren. (lid)

Mittel zur Bekämpfung fehlen oft

Einmal entdeckt erfordert die Bekämpfung von Quarantäneorganismen in der Folge ein breites Spektrum an Massnahmen, die je nach Art des Schädlings und der lokalen Gegebenheiten wie Grösse und Ort des Befallherds oder Art des befallenen Ortes wie Acker oder Gewächshaus und schliesslich Art der befallenen Ware abhängen. «Das BLW bestimmt die geeigneten Bekämpfungsmassnahmen jeweils pro Schadorganismus und oft von Fall zu Fall», erklärt Sarah Kehrli. So seien die Bekämpfungsmassnahmen gegen Ausbrüche des Jordanvirus beispielsweise in einem Notfallplan des BLW beschrieben und die Bekämpfungsmassnahmen gegen den Japankäfer habe das Bundesamt in einer Allgemeinverfügung festgelegt.

«Die Bekämpfungsmassnahmen sind je nach Schadorganismus und Befallssituation unterschiedlich effektiv – oft fehlen bei Quarantäneorganismen das Wissen, wie man sie bekämpfen kann und die Mittel respektive Methoden für deren Bekämpfung», erläutert Sarah Kehrli weiter.

Einschneidende Konsequenzen für die Betriebe

Die Bekämpfungsmassnahmen bei einem Befall durch das Bakterium Ralstonia pseudosolanacearum umfassen unter anderem die Rodung betroffener Flächen unter strengen Hygienevorschriften, eine anschliessende Brachzeit von mehreren Monaten und danach Einschränkungen bei der Kulturauswahl – und das über Jahre. Diese Massnahmen seien aber notwendig, um eine weitere Verbreitung der Organismen zu verhindern, auch wenn sie für die betroffenen Betriebe sehr einschneidend und sogar existenziell bedrohlich sein können, meint Andreas Distel vom landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg: «Die Quarantäneorganismen haben das Potential, sehr grosse wirtschaftliche, ökologische und soziale Schäden nach sich zu ziehen.»

So hätten die Organismen ohne Massnahmen das Potential gegebenenfalls die Produktion stark zu beeinträchtigen oder sogar zu verunmöglichen, bestätigt auch die Fachstelle Pflanzenschutz des Kantons Bern. «Es ist uns bewusst, dass es bei einem Befall mit einem Quarantäneorganismus zu Produktionseinschränkung kommen kann – aber was ist jedoch die Alternative?», gibt die Berner Pflanzenschutz-Fachstelle weiter zu bedenken. Und die Massnahmen, die gegen einen Ausbruch ergriffen würden, seien insbesondere beim Ralstonia-Bakterium sehr verhältnismässig, ergänzt Florian Sandrini vom landwirtschaftlichen Kompetenzzentrum Arenenberg. «Es handelt sich um Quarantäneorganismen – die Auswirkungen eines grossflächigen Ausbruchs können fatal sein», warnt auch er. Glücklicherweise sei der Ausbruch von Ralstonia pseudosolanacearum im Kanton Thurgau bis anhin nur kleinräumig gewesen: «In beprobten Nachbarflächen konnten wir keine Ausbreitung feststellen – wir haben die Situation unter Kontrolle», erläutert Florian Sandrini weiter.

Finanzielle Unterstützung für die Betriebe

Die Entschädigung der geschädigten Betriebe richtet sich nach den Bestimmungen des Landwirtschaftsgesetzes Art. 156. Nach diesem Artikel müssen Bekämpfungskosten und Abfindungen nach dem Billigkeitsprinzip ausgerichtet werden. Die Richtlinie Nr. 10 vom BLW präzisiert das Vorgehen. Die Entschädigungsfrage muss immer individuell und betriebsspezifisch berechnet werden.

Die Möglichkeit finanzieller Unterstützung oder Entschädigungen für die betroffenen Betriebe hängt dabei aber von verschiedenen Faktoren ab: «Bund und Kanton können sich finanziell an den entstandenen Schäden beteiligen, dies hängt von mehreren Faktoren ab – beispielsweise ob ein betroffener Betrieb pflanzenpasspflichtiges Pflanzmaterial verwendet hat, wie die Kooperation läuft und so weiter», erklärt Andreas Distel vom landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg.

«Betriebe können, sofern sie Tilgungsmassnahmen ergreifen mussten, einen Antrag auf eine Abfindung nach Billigkeit stelle – wir prüfen dann den Antrag und entscheiden anhand von Kriterien ob und wie hoch die Abfindung ausfällt», erklärt Florian Sandrini vom landwirtschaftlichen Kompetenzzentrum Arenenberg das Vorgehen im Kanton Thurgau. In jedem Fall hätten die Betriebe einen Teil der Kosten selbst zu tragen, da dies Teil des Betriebsrisikos ist. «Wenn beispielsweise eine Fläche wegen einem Quarantäneorganismus gerodet werden muss, dann kann dort ein Antrag gestellt werden, wenn aber jemand aufgrund einer verfügten Anbaupause von Mais kein Mais auf Mais pflanzen kann, dann ist dort kein Antrag möglich», erläutert er weiter.

Zwar müssen die Betriebe die Tilgungsmassnahmen umsetzen, die kantonalen Pflanzenschutzdienste unterstützen diese aber dabei und es ist den Fachstellen ein Anliegen, dass für die Betriebe die Schäden und Einschränkungen so gering wie möglich sind.

Jeder zweite Ausbruch wird getilgt

Generell gilt, je früher ein Ausbruch eines Quarantäneorganismus festgestellt wird, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass der Schadorganismus ausgemerzt werden kann. «Deswegen investieren Bund und Kantone relativ viele Ressourcen in die Überwachung der Schweiz in Bezug auf Quarantäneorganismen, um deren frühzeitige Detektion zu ermöglichen», erklärt Sarah Kehrli vom BLW. Erfahrungsgemäss könne so in der Schweiz rund jeder zweite Ausbruch eines Quarantäneorganismus wieder getilgt werden. «In den anderen Fällen können sich die Quarantäneorganismen aber trotz Gegenmassnahmen etablieren und teilweise in der Schweiz verbreiten – wie dies beispielsweise beim Japankäfer der Fall ist», so die BLW-Sprecherin weiter.

Die schweizerische Gesetzgebung bildet dabei das Rückgrat der Bemühungen zur Eindämmung von Quarantäneorganismen. Durch internationale Abkommen wie dem Internationale Pflanzenschutzübereinkommen (IPPC) und der engen Zusammenarbeit mit Organisationen wie der Pflanzenschutzorganisation für Europa und den Mittelmeerraum (EPPO) stärkt die Schweiz ihre Fähigkeit, auf Ausbrüche zu reagieren und präventive Massnahmen zu ergreifen. Die Teilnahme an EU-Kommissionssitzungen des Ausschusses für Pflanzengesundheit ermöglicht es der Schweiz, mit internationalen Entwicklungen Schritt zu halten und rasch auf neue Bedrohungen zu reagieren.

Strategien zur Stärkung der Resilienz

So investiert die Schweiz erheblich in die Überwachung und Früherkennung, um Ausbrüche schnell eindämmen zu können. Die Effektivität dieser Massnahmen hängt jedoch stark von der frühen Detektion und der Verfügbarkeit wirksamer Bekämpfungsstrategien ab. Die Herausforderungen bei der Bekämpfung von Quarantäneorganismen umfassen aber nicht nur die Umsetzung der notwendigen Massnahmen, sondern auch die Sensibilisierung und die Sicherstellung der Kooperation der Landwirtinnen und Landwirte und die effektive Nutzung von Instrumenten wie dem Pflanzenpass. «Wenn die Massnahmen und Instrumente korrekt umgesetzt werden, dann sind sie effektiv», betont Andreas Distel vom landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg, weist aber auch auf die Schwierigkeiten hin, die entstehen, wenn die Produzentinnen und Produzenten nicht richtig mitarbeiten: «Die Betriebe müssen sich bewusstwerden, dass der Kanton und auch der Bund diese Übungen letztendlich für die Branche macht und nicht aus Spass an der Freude – der ganze Apparat ist dazu gedacht, den hiesigen Anbau nachhaltig zu schützen.»

So erfordern die Risikobewertung und das Management eine enge Zusammenarbeit zwischen den Kantonen, dem Bund und den Landwirtinnen und Landwirten, um die Auswirkungen auf die Landwirtschaft zu minimieren. «Entscheidend für den Erfolg bei der Bekämpfung ist das Vertrauen zwischen Pflanzenschutzdienst, den Betroffenen und den Verbänden», betont auch Florian Sandrini vom landwirtschaftlichen Kompetenzzentrum Arenenberg. Diese Aussage unterstreicht die Notwendigkeit eines kollektiven Ansatzes, um die Landwirtschaft vor der Bedrohung durch Quarantäneorganismen zu schützen.

Seit Jahren Zunahme der Fälle

Die Erfahrungen aus den Kantonen Aargau, Bern und Thurgau zeigen, dass die Stärkung der Resilienz der Gemüseproduktion gegenüber Quarantäneorganismen ein mehrschichtiger Prozess ist, der das Bewusstsein und die Prävention ebenso umfasst wie die Reaktion auf Ausbrüche. Die Bedeutung von Bildung, Sensibilisierung und der Entwicklung effektiver Strategien zur Bekämpfung und Verhinderung der Ausbreitung von Quarantäneorganismen ist unbestritten, denn die Zukunft wird zweifellos weitere Herausforderungen mit sich bringen: «Wir beobachten seit Jahren eine Zunahme an Ausbrüchen von Quarantäneorganismen in der Schweiz und gehen davon aus, dass diese negative Entwicklung auch in den kommenden Jahren so weitergehen wird», warnt Sarah Kehrli vom BLW denn auch.

Die Schweiz bereite sich durch die Entwicklung von Notfallplänen und die Intensivierung der Überwachungs- und Sensibilisierungsbemühungen aber bestmöglich darauf vor. «Mit jedem Ausbruch eines Quarantäneorganismus in der Schweiz lernen wir etwas dazu, das wir für zukünftige Fälle einsetzen können und für die Produzentinnen und Produzenten für ihre Pflanzenschutzmassnahmen wichtig ist», ergänzt sie. So würden Erfolgsgeschichten und Best Practices wertvolle Lektionen bieten, die helfen könnten, zukünftige Ausbrüche effektiver zu bekämpfen und die Auswirkungen auf den Gemüsebau zu minimieren.

Insgesamt zeigt sich, dass der Kampf gegen Quarantäneorganismen eine kontinuierliche Anstrengung erfordert, die auf wissenschaftlicher Forschung, internationaler Zusammenarbeit und dem Engagement der gesamten Branche wie auch der Gesellschaft basiert. Die Schweiz steht vor der Herausforderung, ihre Landwirtschaft vor diesen unsichtbaren Eindringlingen zu schützen und gleichzeitig die Grundlagen für eine nachhaltige und resiliente Lebensmittelproduktion zu stärken.

Forschung und Entwicklung: Auf der Suche nach neuen Lösungen

Die Forschung spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung neuer Methoden zur Bekämpfung von Quarantäneorganismen. Agroscope forscht beispielsweise zur biologischen Bekämpfung des Japankäfers mit entomopathogenen Pilzen. Und mit dem EU-Projekt «IPM Popillia», das von Agroscope imitiert und geleitet wird, wird die Bekämpfung des Japankäfers interdisziplinär erforscht. International gibt es laut BLW ausserdem relativ viele Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu einzelnen Quarantäneorganismen – beispielsweise beim CABI. Die internationale Zusammenarbeit ist dabei essentiell, um Wissen zu teilen und gemeinsame Strategien zu entwickeln.

 

Neues EU-Projekt: Digitale Technologien zur Schädlingsbekämpfung

Das neue EU-Projekt STELLA, gestartet Anfang 2024 mit einem Budget von knapp 5 Millionen Euro, nutzt fortschrittliche Sensortechnologien und künstliche Intelligenz, um Pflanzenschutz in der Landwirtschaft zu verbessern. Das Ziel ist es, die Überwachung der Pflanzengesundheit zu verbessern, die Früherkennung von Schädlingen zu fördern und effektive Bekämpfungsstrategien zu entwickeln. An dem Projekt sind 14 Partner aus sieben Ländern beteiligt.

Das Projekt plant die Entwicklung eines umfassenden digitalen Systems für die Frühwarnung und Identifizierung von Pflanzenpathogenen. Ein wichtiger Teil des Projekts ist ein Schädlingsüberwachungssystem, das aus einem Frühwarnsystem, einem Schädlingserkennungssystem und einem Schädlingsbekämpfungssystem besteht. STELLA wird in den vier europäischen Ländern Griechenland, Italien, Litauen und Frankreich sowie in Neuseeland über drei Jahre hinweg getestet und zielt darauf ab, Fernerkundungsdaten und Algorithmen für die Erkennung und Vorhersage von Schädlingsaktivitäten zu entwickeln und zu nutzen – beispielsweise die Identifizierung von Ralstonia-Solanacearum-Bakterien in ausgewählten italienischen Tomatenbetriebe –, während es auch Citizen Science und Crowdsourcing fördert.