Klimafreundliche Nutztierhaltung: Lösungsansätze für die Zukunft

Von Methanbremse bis Weidebeitrag – ein Blick auf konkrete Wege in eine klimafreundlichere Tierhaltung und wie Landwirtinnen und Landwirte in der Schweiz den Wandel aktiv mitgestalten.
Zuletzt aktualisiert am 30. April 2025
von Renate Hodel
5 Minuten Lesedauer
Bio Kuehe Ji

Die Nutztierhaltung ist in der Schweiz ein prägender Bestandteil der Landwirtschaft – und zugleich eine der grössten Herausforderungen im Klimaschutz. So steht die Nutztierhaltung auch im Zentrum vieler Diskussionen rund um Klimawandel und Nachhaltigkeit. Denn sie verursacht in der Schweiz rund 85 Prozent der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen.

Gleichzeitig bietet sie enormes Potential für klimafreundliche Lösungen – wenn man bereit ist, komplexe Zusammenhänge zu verstehen und vielfältige Ansätze miteinander zu kombinieren.

Ein Labor für die Zukunft: Das Bündner Projekt

Im Kanton Graubünden testen 52 Pilotbetriebe im Rahmen des Projekts «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden» unterschiedliche Massnahmen. «52 Prozent der Emissionen unserer Pilotbetriebe entfallen auf Methan und Lachgas aus der Tierhaltung – das zeigt klar, wo der Hebel anzusetzen ist», sagt Claudio Müller, Geschäftsführer des Projekts. Dabei geht es nicht um eine einzelne Wundermassnahme, sondern um ein Bündel an Strategien: Erhöhte Lebensleistung der Tiere, standortangepasster Tierbestand, verbesserte Futterqualität, mehr Weidehaltung – all das trägt zur Reduktion bei.

Klimaeffizienz beginnt im Stall

So kann beispielsweise im Tiermanagement über die höhere Nutzungsdauer und Lebensleistung einer Kuh Einfluss genommen werden. Eine Kuh, die lange lebt und gesund bleibt, spart über ihr Leben hinweg Emissionen, da die Aufzuchtzeit – die besonders CO₂-intensiv ist – sich auf mehr Milch verteilt. «Eine hohe Lebensleistung wird einerseits durch ein frühes Erstkalbealter und eine lange Nutzungsdauer erzielt», erklärt Marisa Furger, Beraterin am Plantahof und beim Projekt «klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden».

In Graubünden hat die Alpwirtschaft eine grosse Bedeutung und ein frühes Erstkalbealter ist deshalb anspruchsvoll und auch vom Alpungsrhythmus abhängig. «Das heisst, die Kälber müssen idealerweise im Herbst geboren werden, damit sie am darauffolgenden Sommer über genügend körperliche Entwicklung und Grundfutteraufnahme verfügen, um gealpt werden zu können», erläutert Marisa Furger weiter.

«Klimagipfel für Landwirtschaft und Esskultur»

Am 28. und 29. November findet in Landquart im Forum sowie am Plantahof der «Klimagipfel für Landwirtschaft und Esskultur» statt. Der erste Tag steht unter dem Motto «Forschung und Praxis im Dialog», der zweite unter dem Motto «Ernährung.Klima.Zukunft». Mehr Infos gibt es auf der Website

Der LID berichtet in einer Serie über verschiedene Massnahmen des Projektes «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden».

Weidehaltung als Klimafaktor

Ein klarer Hebel liegt auch in der Weidehaltung. Weidegras speichert Kohlenstoff im Boden – gleichzeitig resultieren auch ökonomische Vorteile, da weniger Kosten anfallen, die bei der Konservierung von Futter entstehen würden. «Zusätzlich wird die Biodiversität gefördert», sagt Marisa Furger vom Plantahof. Das Direktzahlungssystem des Bundes belohnt diese Form der Tierhaltung mit dem «Weidebeitrag».

Unter anderem Bio Suisse verfolgt diesen Weg schon länger konsequent: «Unsere Tiere bekommen maximal 5 Prozent Kraftfutter», sagt Lukas Inderfurth von Bio Suisse und ergänzt: «Der Fokus liegt auf graslandbasierter und somit standortangepasster Tierhaltung.»

Fütterung und Futtermittelzusätze als Methanbremse

Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist der Einsatz von methanhemmenden Futtermitteln. Der Verdauungsprozess von Kühen produziert grosse Mengen Methan – ein Klimagas, das 25-mal klimaschädlicher ist als CO₂. In Graubünden wurde etwa der Einsatz des Präparats Bovaer getestet. «Das Präparat wurde während sechs Monaten auf drei Praxisbetrieben eingesetzt und dabei das Kosten-Nutzen-Verhältnis wie auch die Milchleistung und die Milchinhaltsstoffe erhoben», berichtet Marisa Furger.

Auch natürliche Zusätze wie Leinsamen, Tannine oder Pflanzenkohle zeigen gemäss einer Agroscope-Studie hohe Reduktionspotentiale. Entscheidend ist allerdings die korrekte Dosierung. Wird laut Studie zu viel oder zu wenig eingesetzt, verpufft der Effekt – oder die Verdauung leidet.

Die Rolle der Genetik

Auch die Tierzucht kann zum Klimaschutz beitragen. «Die Wirkung der Rindviehzucht auf das Klima hat in letzter Zeit an Wichtigkeit gewonnen», erklärt Michel Geinoz von der Arbeitsgemeinschaft Schweizer Rinderzüchter ASR. «Mit dem Projekt CH4COW soll aufgrund von phänotypischen Messungen ein Zuchtwert für das Schweizer Milchvieh erarbeitet werden, mit welchem die Auswirkungen auf die Umwelt verdeutlicht wird», erläutert er weiter. Sprich, mit dem Zuchtwert Methan, sollen schlussendlich Tiere mit tieferem Methanausstoss gefördert werden. Unter anderem anhand von Projekten wie diesem versuche man, die Schweizer Rindviehzucht zu fördern und nachhaltig zu gestalten. «Sämtliche Züchterinnen und Züchter, wie auch wir als Verbände, bemühen uns, langlebige und gesunde Tiere zu züchten», betont Michel Geinoz.

Ein Ansatz der unter anderem auch Bio Suisse verfolgt. Ein Beispiel ist das «Bio-KB-Stieren»-Projekt: Die Bio-Stieren der Rassen Brown Swiss, Original Braunvieh, Swiss Fleckvieh und Simmental in diesem Projekt sollen gute Fitness, Langlebigkeit, funktionales Exterieur, angemessene Milchleistungen und Milchgehalte, bei nicht zu viel Grösse vererben.

Mit solchen Zuchtprojekten soll Nachhaltigkeit auch langfristig in die Genetik eingebaut werden.

Zwischen Innovation und Realität

Ein grosser Teil der Emissionen entsteht beim Lagern und Ausbringen von Hofdünger. Die Agroscope-Studie sieht grosse Potentiale durch Gülleansäuerung und den Bau von Biogasanlagen: Damit kann nicht nur Methan reduziert, sondern gleichzeitig erneuerbare Energie erzeugt werden.

Doch trotz vieler solcher vielversprechenden Ansätze bleiben Herausforderungen bestehen. «Technologien wie Biogasanlagen, die Produktion von erneuerbarer Energie oder Futtermittelzusätze sind grundsätzlich vielversprechend», erklärt Daniel Blättler vom Schweizer Bauernverband, betont aber auch, dass die Rahmenbedingungen – etwa Investitionskosten, Einspeisevergütungen oder administrative Hürden – heute oft nicht ausreichend attraktiv seien, um deren Potential flächendeckend zu realisieren. «Hier braucht es gezielte politische Impulse, um Klimaschutz mit wirtschaftlicher Tragfähigkeit zu verbinden», ergänzt er. Klimaschutz und Rentabilität müssen also Hand in Hand gehen können.

Und auch Lukas Inderfurth von Bio Suisse ergänzt: «Entscheidend ist, die Tierhaltung innerhalb des ganzen Betriebes klimafreundlicher zu machen und das ganze System zu betrachten – vom Bodenaufbau in der Fruchtfolge über Energieeffizienz und so weiter.»

Tierhaltung im Wandel

Bevor aber über Lösungen in der Nutztierhaltung gesprochen werde, sei eine grundsätzliche Unterscheidung wichtig, so Daniel Blättler: «Der biogene Kohlenstoffkreislauf, der durch Tiere, Pflanzen und Böden beeinflusst wird, unterscheidet sich fundamental vom fossilen Kreislauf, bei dem durch Verbrennung von Öl, Gas oder Kohle jahrmillionenalter Kohlenstoff neu in die Atmosphäre gelangt», erklärt er. «Im Gegensatz zu fossilen Emissionen, die dauerhaft zusätzlichen Kohlenstoff in die Atmosphäre bringen, bleibt biogenes CO₂ und Methan Teil eines kurzfristigen Kreislaufs», ergänzt er.

Trotzdem: Die Schweizer Nutztierhaltung ist im Wandel – und dieser Wandel braucht Zeit, Wissen und einen langen Atem. Und der Weg hin zu einer klimafreundlicheren Tierhaltung erfordert eine Kombination von verschiedenen Massnahmen. «Diese Massnahmen variieren je nach Betrieb, Region und Produktionsrichtung – es gibt keine einzelne Lösung, die für alle Betriebe passt», unterstreicht Daniel Blättler. «Die Grundprinzipien bleiben jedoch gleich: Ressourceneffizienz steigern und vorhandene Kreisläufe optimal nutzen», betont er abschliessend.