«Kaffee-Nischenmarkt ist unsere Zukunft»

2013 reist Hélène Besson im Rahmen ihres Bachelorstudiums an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL nach Mosambik. Eine landwirtschaftliche Liebesgeschichte mit vielen Überraschungen, Herausforderungen, politischer Instabilität und viel Zuversicht nimmt ihren Lauf.
Zuletzt aktualisiert am 27. Oktober 2023
von Martina Graf
4 Minuten Lesedauer
Helene Besson Und Banu Iranio

Du willst mehr zu Auswanderern wissen? Lies zum Thema auch die ersten zwei Folgen der Miniserie: «Schweizer Landwirte im Ausland: Eine Exportgeschichte» und «Diamond Ranch: Rinderhaltung mit regenerativer Landwirtschaft».

Erst verliebt sich Hélène Besson in das afrikanische Land, dann in Banu Irénio, ihren heutigen Ehemann. Alles geht schnell. Bereits nach drei Monaten Beziehung beschliessen die beiden, ein Stück Land in Mosambik zu kaufen und zu bewirtschaften. Ein erster Anker im fernen Ausland ist gesetzt: «Als ich in die Schweiz zurückkam, hatte ich bereits Land dort», erzählt Hélène Besson.

Obwohl Mosambik kein typisches Auswanderungsland ist und einige wirtschaftliche und politische Unsicherheiten birgt, müssen Hélène Besson – die auf einem Landwirtschaftsbetrieb im Wallis aufgewachsen ist – und ihr Mann Banu nicht lange überlegen, wo sie ihre gemeinsame Zukunft leben wollen: «Wir haben uns gefragt, wo wir mehr bewegen können. Für uns war von Anfang an klar, dass wir in Mosambik nützlicher sind als in der Schweiz.»

Doch vorerst bleiben sie in der Schweiz, wo Hélène Besson an der HAFL ihr Bachelor-Studium abschliesst. Ein Jahr lang arbeitet sie auf dem elterlichen Hof. Ihre älteste Tochter Adrielle wird geboren. Kurz darauf beginnt Hélène Besson ein zweijähriges Masterstudium und bringt ihr zweites Kind Elisa zur Welt. Danach arbeitet sie zwei Jahre bei Agroscope in Conthey. Ihr Ehemann ist mit dabei und schliesst sein Masterstudium an der HAFL ab.

Die grösste Herausforderung ist das Wasser

2018 verlegen die beiden ihren Lebensmittelpunkt definitiv nach Mosambik. Schnell merken Hélène Besson und ihr Mann, dass ihr Landstück nicht praktisch ist und dass ein Grundstück näher an der Stadt besser wäre. Also machen sie sich erneut auf die Suche.

«Wir fanden zwei Hektar Land in der Nähe eines Flusses. Leider mussten wir feststellen, dass das Flusswasser bei Flut salzig ist, weil es so nah am Meer liegt», so Besson. Aber schliesslich fandensie endlich ein kleines Stück Land gefunden, 15 Hektar, flach, mit gutem Boden. «Und das auch noch in der Nähe der Stadt Pemba. Nicht zu teuer. Der einzige Haken ist, dass es zwar einen Fluss gibt, aber nur genügend Wasser, wenn es regnet.»

Die beiden machen sich auf die Suche nach weiteren Wasserquellen, bohren nach Wasser. Und finden heraus: Das Grundwasser ist salzig. Eine andere Lösung muss her.

Ein Speichersee auf einer Farm in Mosambik bei Sonnenuntergang
Der Speichersee lindert den Wassermangel, das Wasser reicht aber nicht fürs ganze Jahr. (zvg)

Damm brach immer wieder

Aber woher Wasser nehmen, wenn es nur einmal im Jahr für drei bis vier Monate regnet? Und die Niederschlagsmenge insgesamt 800 bis 1000 Millimeter beträgt? Zuversichtlich beschliessen die Schweiz-Mosambikaner, den Fluss zu stauen und das Wasser in einen künstlichen See zu pumpen. Doch in der Regenzeit bringt der Fluss so grosse Wassermassen, dass der Druck auf den Damm jedes Mal zu gross wird. Immer wieder bricht der Damm.

«Ich weiss nicht, wie viele Dämme wir gebaut haben. Es war sehr schwierig. Wir fanden eine andere Lösung mit einem kleineren Fluss. Wir haben einen See gebaut und der Fluss fliesst jetzt direkt in den See», so Hélène Besson. Das funktionierte, es braucht weder Zeit noch Treibstoff, den See zu füllen. Aber: Er liefert nach wie vor nicht genug Wasser fürs ganze Jahr. «Das ist unsere grösste Herausforderung: Wir haben nicht das ganze Jahr über Wasser. Deshalb können wir nicht so wirtschaften, wie wir es gerne würden.

Im Jahr 2019 machen Terroranschläge im Norden des Landes und eine hohe politische Instabilität Mosambik zu einem unsicheren Land. Hélène Besson sieht sich gezwungen, mit ihren Töchtern in die Schweiz zurückzukehren, da es für sie in Mosambik zu gefährlich wird. Als sich die Lage wieder beruhigt, hält Covid die Familie von der Ausreise aus der Schweiz ab. So dauert es länger, als gehofft, bis die drei wieder in ihre afrikanische Heimat zurückzukehren können.

Blick auf Farmland in Mosambik
Die Farm ist genügend gross, um Gemüse für den lokalen Markt anzubauen. (zvg)

Aus Sicherheitsgründen lebt die Familie nicht auf der Farm

Die Familie Besson-Irénio lebt unter anderem aus Sicherheitsgründen und wegen dem Arbeitsweg nicht direkt auf ihrem Farmland, sondern in einem Haus am Stadtrand von Pemba. Pemba ist eine Hafenstadt und die Hauptstadt der Provinz Cabo Delgado und liegt auf einer Halbinsel in der Pemba-Bucht. Aufgrund der tropischen Lage und der Nähe zum Äquator schwanken die Temperaturen im Jahresverlauf nur wenig. Es gibt nur zwei Jahreszeiten. Die Regenzeit dauert von Dezember bis April und bringt heftige, aber zuverlässige Niederschläge.

Gemüse für den lokalen Markt und Spezialitätenkaffe für den Nischenmarkt

Heute produziert Hélène Besson auf ihrem Hof in der Trockenzeit Gurken und Kräuter wie Minze, Dill, Rucola, Petersilie, Koriander und Basilikum. In der Regenzeit kommen Tomaten, Auberginen, Wassermelonen, Sesam, Mais, rote, grüne und gelbe Paprika hinzu. Ihre Produkte verkauft sie an einen Supermarkt in Pemba, an Restaurants und an Privatpersonen.

Die Familie Besson versucht, so biologisch wie möglich zu produzieren, was nicht immer einfach ist. Als Dünger verwendet die Familie den Mist ihrer Ziegen. Ein grosses Problem auf ihrem kleinen Hof ist zum Beispiel der Tomatenschädling Tuta, auch Tomatenminiermotte genannt. Zur Bekämpfung setzt Hélène Pheromone von Andermatt Biocontrol ein.

Trockenheitsresistente Kaffee-Pflanze

«Das hat sehr gut funktioniert. Wir mussten die Tomaten nicht mit anderen Pestiziden behandeln. Wir kennen Bauern, die viel Geld verloren haben, weil sie ihre Tomaten behandeln mussten, mit schlechtem Erfolg. Auch das Gewächshaus hilft uns, den Insektendruck gering zu halten.»

Die Bessons haben vor kurzem Kaffeepflanzen einer trockenheitsresistenten Sorte gepflanzt, die nicht bewässert werden muss. In drei bis vier Jahren sollen die Kaffeesträucher die ersten Kirschen tragen und der würzige Kaffee auf dem arabischen Markt verkauft werden. Das Ziel: Ein Qualitätsprodukt für den Nischenmarkt, das einen guten Preis erzielt.

Mit Zuversicht und viel Optimismus in die Zukunft unterwegs

Hélène Besson ist zuversichtlich und optimistisch. 2024 wird der französische Gaskonzern Total die Gasförderung nahe der Küste – Mosambik hat das drittgrösste Erdgasvorkommen weltweit – aufnehmen. Für die Angestellten wird deshalb eigens eine Stadt gebaut, in der 50‘000 Menschen leben sollen. Und die müssen essen. Für Hélène Besson und ihren Mann eröffnet sich ein neuer Markt für Gemüse.

«Ich habe so viel gelernt. Wir werden sehen, was das Leben für uns bereithält. Wir sind zuversichtlich. Natürlich ist es schwer, damit zu leben, dass der Hof noch nicht so läuft, wie wir uns das vorstellen», so die Agronomin. «Aber ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit und mit dem Wasser werden wir eine Lösung finden. Die Farm wird so funktionieren, wie wir es uns wünschen.»

Im Gegensatz zur Anfangszeit geht es den Bessons heute finanziell gut. Beide haben Arbeit und damit ein stabiles Einkommen. Hélène Besson arbeitet zu 60% bei einer italienischen NGO. Zudem arbeiten Hélène und Banu kontinuierlich an Verbesserungen auf dem Hof.

Stabilität durch Gaskonzern?

«Jetzt, wo wir wissen, dass Total kommt, wird es stabiler. Es wird immer noch Überfälle und Tote geben, aber es wird ruhiger. Wenigstens in der Stadt sind wir sicher. Und wir können ins Land investieren, ohne Angst haben zu müssen, dass es von heute auf morgen vorbei ist», zeigt sich Besson erleichtert.

Sie fühlt sich in Mosambik sehr gut integriert und hat auf ihrem ereignisreichen Weg einige Herausforderungen gemeistert. Zwei Dinge hat Hélène Besson auf jeden Fall gelernt: «Wenn ich etwas anders machen könnte, würde ich dafür sorgen, dass es auf meinem Grundstück gutes Wasser für die Bewässerung gibt. Denn das war der grösste Fehler, den wir gemacht haben. Und, man darf nicht zu schweizerisch sein. Es ist typisch schweizerisch, einen Plan zu haben. Aber hier braucht alles seine Zeit und man muss Geduld haben. Man kann planen, aber es wird nicht so funktionieren, wie man es geplant hat.»

Kaffeesetzlinge auf einer Farm in Mosambik.
Die Kaffeesetzlinge wachsen. In ein paar Jahren soll hier Kaffee für den Spezialitätenmarkt wachsen. (zvg)