Neue Weichen für das bäuerliche Bodenrecht
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Auswandern gehört zur Schweiz wie der Sonntagszopf und die Kuhglocken. Seit Jahrhunderten packen Schweizerinnen und Schweizer, so auch Bauernfamilien, ihre Sachen und machen sich auf den Weg in die Ferne.
So leben heute 11 % der Schweizer Bevölkerung im nahen und fernen Ausland, auf allen Kontinenten der Erde. Die Gründe für die Auswanderung haben sich im Laufe der Zeit zwar verändert, geblieben ist jedoch, dass die Schweizer Kultur überall auf der Welt mitgenommen und gelebt wird.
Auslandschweizerinnen und -schweizer exportieren Schweizer Fachwissen, Werte und Traditionen ins Ausland und wirken prägend in anderen Ländern mit. Auch Bauernfamilien wandern aus und suchen ihr Glück in der Ferne.
Ortschaften wie New Geneva, Pennsylvania, USA; Nova Friburgo, Rio de Janeiro, Brasilien oder Berne, Indiana, USA, zeugen von der frühen Auswanderungsgeschichte der Schweiz. Waren es nach dem 15. Jahrhundert vor allem junge Männer, die als Söldner in die Ferne zogen, so sind es heute alle Berufsgruppen und die unterschiedlichsten Motive, die Menschen dazu bewegen, ihre Heimat zu verlassen. Die wichtigsten Ziele damals wie heute: Nordamerika, Australien, Lateinamerika und bis vor kurzem Russland.
Die Auswanderung von Schweizer Bäuerinnen und Bauern ist nicht nur ein spannendes, sondern auch ein wichtiges Kapitel der Schweizer Auswanderungsgeschichte, geprägt von Armut, Abenteuer- und Entdeckungslust, aber auch von harter Arbeit und Ungewissheit.
So wie sich die Landwirtschaft im Laufe der Jahrhunderte verändert hat, so haben sich auch die Gründe verändert, weshalb Bauernfamilien ihr Glück in der Fremde suchten.
Doch drehen wir das Rad der Zeit zurück und werfen einen Blick in die Vergangenheit. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts gilt die Schweiz als klassisches Auswanderungsland. Die Gründe für die Auswanderung sind vielfältig, vor allem aber motiviert durch wirtschaftliche Krisen, Arbeitslosigkeit, Naturkatastrophen und die zunehmende Industrialisierung. Zwischen 1798 und 1914 verlassen rund eine halbe Million Menschen die Schweiz auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen im Ausland.
Insbesondere im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts stammte ein erheblicher Teil der Auswanderer aus ländlichen Gegenden. So veranlasst die Agrarkrise der 1870er und 1880er Jahre viele Bauern nach Amerika und die Molkereispezialisten in die europäischen Nachbarländer auszuwandern.
Um den Überblick nicht zu verlieren, werden Auswanderungswillige damals von den Behörden durch Karteien erfasst. Eine Kartei aus der Zeit um 1910 zeigt: Fast alle Auswanderungswilligen sind bäuerlicher Herkunft. Die aufwändige Produktion und der begrenzte Absatz heimischer landwirtschaftlicher Produkte können mit der Konkurrenz billigerer ausländischer Waren nicht mehr mithalten. Der Import dieser Produkte wird durch den Ausbau der der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere des Schienennetzes, zunehmend einfacher. Und noch etwas verrät die Kartei: 90% der Ausreisenden wählen die USA und Kanada als Zielländer. Denn diese Länder nehmen damals noch bereitwillig Einwanderer auf.
«Im Jahre 1845 wanderten an die 200 Glarnerinnen und Glarner nach Amerika aus und gründeten im Bundesstaat Wisconsin die Gemeinde New Glarus. Der Auslöser der damaligen Auswanderungswelle war die Hoffnungslosigkeit in der Heimat. Die damals ‘Neue Welt’ lockte, Amerika! Die Glarner Regierung suchte gar aktiv nach Auswanderungswilligen. Wer geht, dem musste man hierzulande keine Fürsorgekosten bezahlen.» Zitat: Heimatbuch Glarus
Lange Zeit wird die Auswanderung von Bundesbern weder gefördert noch unterbunden. Erst 1874 schafft die Bundesregierung mit dem Verfassungsartikel 34 die Möglichkeit, die Auswanderung zu steuern bzw. zu regeln. Auf dem Höhepunkt der Auswanderungswelle im Jahr 1880 tritt ein entsprechendes Bundesgesetz in Kraft.
Der Bundesrat richtet eigens ein Amt zur Kontrolle der Auswanderungsagenturen, die in den Jahrzehnten zuvor frei agiert und oft Scharlatanerie betrieben hatten, ein. Verträge mit Alten, Kranken und Minderjährigen werden verboten. Diese erhalten in den Zielländern in der Regel keine Aufenthaltsbewilligung und fallen damit den Schweizer Konsulaten vor Ort zur Last. Neu sollen auch menschenwürdige Überfahrten und die Betreuung der Auswanderer am Zielort gewährleistet werden.
Auswandern ist keine leichte Entscheidung, und auch die Situation in den neuen Ländern ist oft nicht einfach. Die Überfahrt nach Übersee kann Monate dauern und ist oft gefährlich. Die Bedingungen auf den Schiffen sind oft rau und unangenehm. Vor Ort fehlt oft das nötige Kapital (oder es ist schneller weg als gedacht) und die Menschen müssen aufpassen, dass sie nicht über den Tisch gezogen werden.
Landwirte müssen sich an die Klima- und Bodenbedingungen ihrer neuen Heimat anpassen und lernen, mit ihnen umzugehen. Das bedeutet oft, neue landwirtschaftliche Techniken zu erlernen und sich ungewohnten Herausforderungen zu stellen. Auch die neue Sprache ist den Bauernfamilien fremd und erschwert den Start. In den USA müssen viele Schweizer Bauern in den Präriegebieten des Mittleren Westens Siedlungen aufbauen, die sich stark von ihren bisherigen Erfahrungen in der Berglandwirtschaft in der Schweiz unterscheiden. Die Bewirtschaftung ist anders und die Bauernfamilien müssen sich an extreme Wetterbedingungen anpassen.
So berichtet Johann Jacobi, ehemaliger Pächter des Gondinischen Guts in Zillis, in einem Brief vom 10.05.1859 aus Freetown bei Hamilton: «Es geht aber alles ganz anders zu als bei uns, es ist aber nicht wie in der Schweiz. Kühe hat man auch, keine Schweizerkühe, elende, miserable, rothe Kühe, an denen man keine Freude haben könnte, wenn man auch hundert hätte. Auch sieht man keine Wiesen wie bei uns, nur magere Wiesen[…]. Überhaupt, die ganzen Geschäfte hier in Amerika, so viel ich auf der Reise und hier gesehen habe, gefällt mir nichts. Und es muss sehr ändern, sonst werde ich nie gerne in Amerika sein und werde, so bald ich viel Geld habe, wieder zu euch in unsere liebe Schweiz zurückkehren.» Aus Peter Michael-Caflischs «Hier hört man keine Glocken» – Geschichte der Schamser Auswanderung nach Amerika und Australien
Doch die meisten bleiben in der Ferne, denn die finanziellen Mittel reichen – anders als heute – oftmals nicht, um in die Schweiz zurückzukehren.
Das Erbe der Schweizer Landwirtinnen und Landwirte, die ins Ausland emigrierten, lebt bis heute weiter. In Form prächtiger Betriebe, Ortsnamen, Speisen, Namen von Restaurants und Familiennamen.
Die Nachkommen erinnern sich an die Geschichten ihrer Vorfahren und bewahren mit Stolz die überlieferten Traditionen und Werte. So treffen sich Schweizerinnen und Schweizer in vielen Teilen der Welt zur 1. August-Feier oder zum Samichlaus-Treffen. Dort gibt’s dann allerlei Schmackhaftes aus der alten Heimat. Und so manche Jodelgruppe hält durch die Gemeinschaft und den Gesang wenigsten einmal die Woche die Verbindung zur Heimat aufrecht.
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