Schweizer Milchbranche setzt auf Nachhaltigkeit und Zusammenarbeit

Das Projekt «KlimaStaR Milch» vereint Schweizer Milchproduzenten, Emmi und Nestlé sowie die Forschung, um die Milchproduktion klimafreundlicher zu machen. Ziel ist es, bis 2027 Treibhausgasemissionen und Nahrungsmittelkonkurrenz um 20 Prozent zu senken. Erste Erfolge sind vielversprechend, doch die ambitionierten Ziele bleiben herausfordernd.
Zuletzt aktualisiert am 31. Mai 2024
von Renate Hodel
6 Minuten Lesedauer
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Das Projekt «KlimaStaR Milch», gestartet im Jahr 2022, ist eine branchenübergreifende Initiative, die darauf abzielt, die Milchproduktion in der Schweiz klimafreundlicher und ressourceneffizienter zu gestalten. Verschiedene Akteure der Milchbranche, darunter Milchproduzentinnen und Milchproduzenten und die Milchproduzentenorganisationen der Zentralschweizer Milchproduzenten ZMP und Aaremilch AG, die Milchverarbeiterinnen Emmi und Nestlés sowie die Beratungsplattform AgroCleanTech, arbeiten gemeinsam daran. Und auch das Bundesamt für Landwirtschaft BLW unterstützt das Projekt im Rahmen des Ressourcenprogramms: So trägt der Bund rund 80 Prozent der insgesamt 19,5 Millionen Projektkosten.

Auf dem Betrieb von Landwirt Pascal Bühlmann im luzernischen Rothenburg präsentierte die Allianz diese Woche nun die Zwischenergebnisse der ersten beiden Jahre und zeigte sich höchst erfreut.

Ambitionierte Ziele und erste Erfolge

André Bernet, Mitglied der Geschäftsleitung der ZMP, hob hervor, dass die Schweiz als Graslandland optimale Voraussetzungen für die Milchproduktion bietet und betont: «Trotz eines bereits niedrigen CO₂-Fussabdrucks der Schweizer Milch im internationalen Vergleich, ist das kein Grund zum Nichtstun – im Gegenteil.»

Das Projekt verfolgt zwei ambitionierte Ziele: Die knapp 230 mitmachenden Schweizer Landwirtschaftsbetriebe streben bis 2027 gemeinsam die Reduktion der Treibhausgasemissionen aus der Milchproduktion um 20 Prozent und die Verringerung der Nahrungsmittel- und Flächenkonkurrenz ebenfalls um 20 Prozent an.

«Es freut uns sehr, dass es den Betrieben gelungen ist, in den ersten zwei Jahren die Treibhausgasemissionen durchschnittlich um 4,9 Prozent zu reduzieren,» berichtete André Bernet. Dabei sei unter anderem an der Fütterung der Kühe, dem Herdenmanagement, der Nutzung von Hofdünger und der Energieversorgung angesetzt worden. Ein weiterer Fokus liegt auf der Reduktion der Nahrungsmittelkonkurrenz, etwa durch den Einsatz von Resten aus der Lebensmittelproduktion für die Fütterung der Milchkühe anstelle von für den Menschen ebenfalls geeigneten Nahrungsmitteln. Dort konnte in den ersten beiden Projektjahren sogar eine durchschnittliche Reduktion von 19,7 Prozent erzielt werden. «Bei der Nahrungsmittelkonkurrenz haben wir die Ziele bereits mehr oder weniger erreicht – allerdings sind die Ziele der Nahrungsmittelkonkurrenz einfacher umzusetzen», erklärte André Bernet.

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Pascal Bühlmanns Kühe auf der Weide: Die graslandbasierte Fütterung der Milchkühe ist ein entscheidender Faktor des Projekts «KlimaStaR Milch». (rho)

Gemeinsame Anstrengungen für eine nachhaltige Landwirtschaft

Christian Hofer, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft, unterstrich die Bedeutung der Zusammenarbeit aller Beteiligten: «Wenn wir eine nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft wollen, dann kann das nicht ein Akteur allein, das müssen wir gemeinsam machen.»

Und trotz ihrer üblichen Konkurrenz in der Branche haben sich Emmi und Nestlé dazu entschieden, ihre Kräfte zu bündeln. Marc Heim, Mitglied der Emmi Konzernleitung und Stellvertreter des CEO, betonte: «Es reicht, wenn wir uns auf dem Markt konkurrenzieren, aber ich denke, betreffend Klimaschutz darf man sich nicht konkurrenzieren – da müssen und wollen wir zusammenarbeiten und wir arbeiten sehr gut zusammen und versuchen die Ziele des Projekts gemeinsam zu erreichen.»

Und auch Eugenio Simioni, CEO von Nestlé Schweiz, unterstrich die Bedeutung dieser Zusammenarbeit: «Nachhaltigkeit und insbesondere eine nachhaltige und regenerative Landwirtschaft ist ein zentrales Kernthema für Nestlé – wir verfolgen weltweit eine entsprechende Strategie und haben vor rund drei Jahren eine Netto-Null-Roadmap lanciert, welche für uns und unsere ganze Lieferkette Ziele vorgibt.» Eugenio Simioni hob weiter hervor, dass die Zusammenarbeit entlang der gesamten Produktionskette, von der Milchproduktion bis zur Verarbeitung, unverzichtbar sei, um bei Agrarrohstoffen signifikante Fortschritte zu erzielen.

Ressourcenprojekt «KlimaStaR Milch»

«KlimaStaR Milch» ist ein Projekt der Aaremilch, Emmi Schweiz, Nestlé Suisse, der Zentralschweizer Milchproduzenten ZMP und AgroCleanTech mit finanzieller Unterstützung des Bundesamtes für Landwirtschaft, durchgeführt mit Unterstützung des Landwirtschaftliche Zentrum Liebegg (AG), des landwirtschaftlichen Kompetenzzentrums Inforama (BE), des Berufsbildungszentrums für Natur und Ernährung BBZN (LU), der Berner Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL und Agrofutura.

So wird das Projekt wissenschaftlich von der HAFL begleitet und finanziell vom Bundesamt für Landwirtschaft unterstützt. Es umfasst 15 Organisationen und mehr als 30 Mitarbeiter.

Motivation und Engagement der Milchproduzenten

Die Herausforderung, die ganze Kette, einschliesslich der Milchproduzentinnen und Milchproduzenten, zur Teilnahme zu motivieren, ist aber nicht zu unterschätzen. Thomas Grüter, Landwirt und Präsident der ZMP, erklärte: «Wir haben heute gehört, was die Erwartungen sind an die ganze Nachhaltigkeit, wo die Landwirtschaft steht und wo wir mit unserem Milchvieh stehen – so können auch wir einen grossen Teil dazu beitragen und wir wollen uns eben nicht beitragen lassen, sondern wollen aktiv dabei sein und unseren Beitrag leisten zur Nachhaltigkeit und zur CO₂-Reduktion.» Für Thomas Grüter ist es essentiell, den aktuellen Stand der Landwirtschaft zu kennen, um weitere Fortschritte zu machen und die Richtung für zukünftige Entwicklungen zu bestimmen.

Und Ruedi Bigler, Landwirt und Präsident der Aaremilch AG, sieht in der klimafreundlichen Produktion auch eine wirtschaftliche Chance. «Klimaschonend unterwegs sein, heisst auch effizient unterwegs sein», erklärte er und ergänzte: «Das heisst, mit möglichst wenig Ressourcen möglichst viel Nahrungsmittel produzieren und das ist ja eine spannende Kombination für jeden Betrieb – wenn wir wenig Ressourcen brauchen, um etwas zu produzieren, ist das auch wirtschaftlich interessant und deswegen sind wir dabei, um besser zu werden.»

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Wie wird die Milch zum Klimastar: Eugenio Simioni, Marc Heim, Ruedi Bigler, Thomas Grueter, Jan Grenz und Christian Hofer äusserten sich. (rho)

Innovative Ansätze und Herausforderungen

Und dabei verfolge Projekt «KlimaStaR Milch» insofern innovative Ansätze, weil es die Reduktion von Treibhausgasen mit der Minimierung der Nahrungsmittel- und Flächenkonkurrenz verbinde, betonte BLW-Direktor Christian Hofer. Dies sei essentiell für die zukünftige Sicherstellung der Ernährungssicherheit.

«Die Kombination dieser beiden Ziele ist aber auch eine Herausforderung für die Betriebe», räumte Christian Müller, Head of Milk Procurement and Environmental Sustainability bei Nestlé Schweiz ein und Peter Meier, Leiter Milchbeschaffung bei Emmi ergänzte: «Und auch die jeweils angestrebte Reduktion von 20 Prozent ist ambitiös - denn im Vergleich zum Ausland hat die Schweiz ja bereits tiefe Werte und je tiefer die Werte, desto schwieriger wird’s.» Genau das mache «Klimastar Milch» aber zum Pionierprojekt.

Breitere Anwendung wird angestrebt

Der Allianz ist es ein grosses Anliegen, dass die bisherigen Erkenntnisse aus dem Projekt auf nationaler Ebene umgesetzt werden und die gesamte Milchbranche davon profitieren kann. Ein erster Schritt ist der Entscheid der Branchenorganisation Milch, den für das Projekt eingesetzten Klimarechner flächendeckend einzusetzen.

«Das Projekt leistet wichtige Vorarbeit für eine breitere Anwendung und das war uns immer sehr wichtig», so André Bernet von der ZMP. Die gesammelten Daten und Erkenntnisse sollen dabei helfen, die Agrarpolitik weiterzuentwickeln und praxisorientierte Lösungen zu finden, die auch über die Schweizer Grenzen hinaus ausstrahlen können.