Lebensraum Hecke: Wie grüne Bänder die Artenvielfalt stärken

Einst als Windschutz und Nahrungsquelle angelegt, fördern Wildhecken heute vor allem die Artenvielfalt und bieten zahlreichen Tierarten Schutz und Lebensraum. Doch ihre Pflege erfordert Wissen und Engagement, um das fragile Gleichgewicht der Natur zu bewahren.
Zuletzt aktualisiert am 5. November 2024
von Ann Schärer
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Wildhecke 8 Ann Schärer

Weitläufig und in leuchtenden Herbstfarben erstrecken sich die Wildhecken über das Hochplateau des Belpbergs in der Nähe von Bern. Bereits vor über hundert Jahren angelegt, dienten sie damals vor allem dazu, Parzellengrenzen zu markieren und den starken Westwind abzumildern, der den Feldern auf dieser exponierten Anhöhe zusetzt.

Doch die Hecken hatten auch eine weitere wichtige Funktion: «Durch das blätter- und borkenlastige Futter aus den Hecken erhielten die Nutztiere wichtige Nährstoffe», erklärt Kaspar Pfister, Landschaftsgärtner und Geschäftsführer des Vereins Umwelt und Natur (VUN), ein Verein, der Zivildiensteinsätze im Naturpark Gantrisch koordiniert und zu dessen Aufgaben auch die Pflege der wertvollen Heckenlandschaften gehört.

Heute liegt der Fokus bei der Heckenpflege jedoch weniger auf landwirtschaftlichem Nutzen, sondern auf der Förderung der Artenvielfalt. So verbietet die aktuell gültige Direktzahlungsverordnungen die Nutzung des Gehölzgürtels der Hecke während der Vegetationsperiode, um unter anderem die zahlreichen Vogelarten zu schützen, die in den Hecken ihre Brutstätten haben. Diese Vorschrift verdeutlicht, wie sich die Bedeutung von Hecken im Laufe der Jahrzehnte gewandelt hat: Was einst als Futterquelle diente, ist heute ein Schutzraum für Tier- und Insektenarten.

Wildhecke 5 Ann Schärer

Mehr Wissenswertes rund um Wildhecken

Überlebenswichtige Strukturen

Heckenlandschaften wie jene auf dem Belpberg sind selten geworden, doch sie spielen eine entscheidende Rolle für viele Tierarten. So zum Beispiel für das Hermelin, das aufgrund seiner zahlreichen Fressfeinde auf ständige Deckung angewiesen ist. «Heckenkorridore bieten diesen Tieren die nötige Sicherheit, um sich in der Landschaft zu bewegen», erklärt Pfister. Durch ihre Vernetzungsfunktion verbinden Wildhecken die Lebensräume vieler Arten, was sie zu unverzichtbaren «Trittsteinen» macht.

In anderen Regionen fehlen solche Strukturen jedoch fast vollständig. «Das Bewusstsein für die Wichtigkeit dieser Landschaftselemente wächst zwar, jedoch vor allem in Regionen, wo sie bereits vorhanden sind», bedauert Pfister. Gerade in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten seien Hecken aber essenziell.

Neben der Vernetzung von Lebensräumen bieten Wildhecken einer Vielzahl von Tieren Nahrung und Schutz. Blüten versorgen Insekten, Vögel profitieren von den Beeren. Altgrasbestände dienen Insekten bei der Eiablage und Flechten wiederum sind wichtige Nahrungsquellen für Schmetterlingsarten. Zudem schaffen Hecken vielfältige Ökosysteme, die langfristig widerstandsfähig.

Wer Direktzahlungen für Hecken erhalten möchte, muss Vorgaben einhalten. Ähnlich wie bei extensiv bewirtschafteten Wiesen werden Hecken in zwei Qualitätsstufen eingeteilt. Um die höhere Stufe – Qualitätsstufe zwei – zu erreichen, müssen auf zehn Laufmetern mindestens fünf verschiedene Baum- und Straucharten vorkommen, von denen mindestens 20 Prozent Dornen tragen. Dies ist wichtig, da für manche Insektenarten und Vögel «bewehrte» Pflanzen überlebenswichtig sind.

  • Solche Strukturen bieten vielen Tier- und Insektenarten wertvollen Lebensraum. (asc)
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  • Bäume werden geringelt und sterben so innerlich langsam ab. Dann können sie problemlos entfernt werden. (asc)
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Heckenpflege: Balance aus Wissen und Einsatz

Auf dem Belpberg weisen die Hecken eine hohe ökologische Qualität auf. «Vor etwa acht Jahren haben wir begonnen, unsere Hecken aufzuwerten und zu pflegen», erzählt Susanne Rohr, die gemeinsam mit ihrem Partner Fritz Krebs den Biobetrieb Fuchsacker führt.

Während eines Arbeitseinsatzes wurden sogar spezielle Hermelinbauten angelegt, um diesen Tieren weitere Rückzugsorte zu bieten. Die weiträumigen Hecken umgeben die Felder des Fuchsackers und schaffen so ein einzigartiges Mikroklima, das nicht nur die Biodiversität fördert, sondern auch das lokale Ökosystem stärkt. «Es ist beeindruckend zu sehen, wie Hecken die Umgebung beeinflussen», bestätigt Kaspar Pfister.

Die Pflege dieser ökologischen Lebensadern ist jedoch komplex und erfordert fundiertes Pflanzenwissen. Beim heutigen Arbeitseinsatz arbeitet eine Gruppe Zivildienstleistender unter der fachkundigen Leitung von Kaspar Pfister daran, bestimmte Baum- und Straucharten zu «ringeln» – dabei wird die Rinde entfernt, um das Absterben der Bäume zu fördern. Andere Gehölze werden entfernt und zu Asthaufen oder Wildzäunen aufgeschichtet.

Einheimische Tierarten, die besonders von Wildhecken profitieren

Vögel: Sperber, Schwanzmeise, Grünfink, Kernbeisser, Blaumeise, Buntspecht, Kleinspecht, Rotkehlchen, Turmfalke, Trauerschnäpper, Buchfink, Neuntöter, Grauschnäpper, Kohlmeise, Haussperling, Feldsperling, Zilpzalp, Sumpfmeise, Girlitz, Mönchsgrasmücke, Zaunkönig, Amsel, Wacholderdrossel

Kleine Säuger: Hausspitzmaus, Waldmaus, Rötelmaus, Igel, Siebenschläfer, Fledermäuse, Hermelin, Eichhörnchen

Amphibien: Erdkröte, Grasfrosch

Reptilien: Blindschleiche, Zauneidechse

Falter und Schmetterlinge: Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs, Aurorafalter, Grosser Schillerfalter, Faulbaumbläuling, Zitronenfalter, C-Falter, Ulmen-Zipfelfalter, Nierenfleck, Admiral, Distelfalter

Libellen: Gemeinde Winterlibelle, braune Mosaikjungfer, Gemeine Binsenjungfer

Insekten, Spinnen und Schnecken: Käfer, Heuschrecken, Wildbienen, Spinnen und Schnecken, Ohrwurm, Gemeine Feuerwanze

«Man muss genau wissen, wie sich verschiedene Pflanzenarten in Gemeinschaft mit anderen Arten verhalten», erklärt Pfister. Schwarzdorn, Hasel und Hartriegel bilden zum Beispiel ein stabiles Gefüge, da sie sich gegenseitig konkurrieren, während andere Pflanzen kaum eine Chance haben. «Da gibt es leider kein Patentrezept», sagt Pfister. Hecken sollten maximal einmal im Jahr geschnitten werden, und auch der Krautsaum benötigt Pflege, etwa durch zweimaliges Mähen oder extensive Beweidung.

Doch meist hält sich der Aufwand insgesamt in Grenzen – wie bei den Hecken auf dem Belpberg: «Dort braucht es für die Gehölzpflege pro Saison zu zweit etwa ein bis zwei Arbeitstage», so Pfister. Dazu kommt die Pflege des Krautsaumes. Wie arbeitsaufwändig eine Wildhecke ist, hängt stark von deren Grösse und den landschaftlichen Gegebenheiten ab.

Wer Unterstützung bei der Pflege von Wildhecken benötigt, kann lokale Natur- oder Vogelschutzvereine ansprechen oder die Jagdvereine der Region um Hilfe bitten. So bleibt die wertvolle Heckenlandschaft erhalten – als Rückzugsort für Tiere und wertvolles Landschaftselement für alle.

  • Beim Pflegeeinsatz auf dem Belpberg wird darauf geachtet, dass auch weniger dominante Strauch- und Baumarten mehr Licht zum Wachsen erhalten. (asc)
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  • Durch die Hecken, welche die Felder umsäumen, entsteht ein einzigartiges Mikroklima. (asc)
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