Schweizer Pflichtlagerhaltung: Stabilisierung und Zukunftssicherung in Krisenzeiten
Die Pflichtlagerhaltung sichert in der Schweiz wichtige Güter wie Getreide und Zucker. Zuletzt war die Pflichtlagerha...
Krieg, Naturkatastrophen und die Nachwirkungen der Pandemie haben in vielen Ländern weltweit negative Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit. Betroffen davon sind besonders jene Länder, die schon vor den Zeiten des Klimawandels am ärmsten waren (siehe auch die LID-Artikel «Vom Ziel weit entfernt» und «Wir haben ein grosses Problem». Und auch in der Schweiz zeigen sich die Auswirkungen des Klimawandels in immer extremeren Wetterereignissen wie schweren Hagelschlägen oder der aktuell herrschenden Trockenheit.
Der Umgang mit Ressourcen ist für die künftige Ernährung der Weltbevölkerung besonders wichtig. Die Schweiz hat statistisch gesehen ihre Ressourcen aber bereits am 22. Juli verbraucht und ist auf Importe angewiesen. «Das ist für uns finanziell kein Problem. Für viele andere Länder aber schon», sagte Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbandes (SBV) an einer Medienkonferenz im bernischen Deisswil. Er wies auf die 828 Millionen Menschen weltweit hin, die als unterernährt gelten.
«Die Lebensmittelproduktion ist daher stark gefordert, mit der wachsenden Nachfrage Schritt zu halten», so Rufer.«Die Herkulesaufgabe lautet, unter sich verändernden klimatischen Bedingungen und trotz geopolitischen Problemen auf den limitierten Agrarflächen die Produktion so zu erhöhen, dass die stetig wachsende Nachfrage gedeckt werden kann, ohne dabei die Ressourcen zu übernutzen.» Die Schweiz könne, wolle und müsse dazu einen Beitrag leisten.
«Wir belegen für unsere Versorgung immer mehr Flächen in anderen Ländern und verlagern unseren konsumbedingten ökologischen Fussabdruck weiter ins Ausland.»
Die Schweiz kann aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte und der kleinen Landesfläche nicht alle Lebensmittel für die Bevölkerung produzieren, wie Nadine Trottmann, Fachmitarbeiterin Agrarwirtschaft des SBV, erklärte. Die Schweiz gehöre zu den grössten Netto-Importeurländern – d.h. pro Kopf-Importe – der Welt. Zwar sehe man die weltweite Ernährungskrise wegen der hohen Kaufkraft nicht in den Regalen, aber es sei nicht selbstverständlich auch künftig ausreichend versorgt zu sein.
Trottmann verwies dabei auf den Druck aufs Kulturland aufgrund von Bautätigkeiten, aber auch die steigenden ökologischen Anforderungen. «Trotz immer neuen Technologien und Sorten dürften Erträge in der Tendenz künftig nicht mehr steigen, sondern höchstens stabil bleiben oder gar zurückgehen. Damit belegen wir für unsere Versorgung immer mehr Flächen in anderen Ländern und verlagern unseren konsumbedingten ökologischen Fussabdruck weiter ins Ausland», so Trottmann. Für sie ist deshalb klar, dass von einer nachhaltig produzierenden starken Schweizer Landwirtschaft die Ernährungssicherheit und die Umwelt profitieren.
Dem stimmte Markus Ritter, Präsident des Bauernverbandes, zu. «Wir brauchen eine nachhaltige Produktion, denn nur so können wir die Ressourcen erhalten. Wir brauchen aber nicht wie teils gefordert ein 100-prozentiges Bioland», so Ritter. Vielmehr benötige die Schweiz eine Produktion, die nachhaltig und tierfreundlich das Optimum aus den vorhandenen Ressourcen heraushole.
Allerdings werde die Ausdehnung dieser Landwirtschaft in erster Linie durch die zu tiefe Wirtschaftlichkeit für die Bauernbetriebe begrenzt, welche die Risiken und Mehrkosten nicht decke. Ritter kritisierte, dass die Bäuerinnen und Bauern zu wenig Mehrwert für zusätzlich erbrachte Leistungen erhielten. «Unsere Abnehmer und Detailhändler, die sich in der Öffentlichkeit und in der Werbung gerne ein nachhaltiges Mäntelchen umlegen, haben es in der Hand, das zu ändern», forderte der SBV-Präsident.
Ritter verlangt weiter, dass nicht ständig an den Schrauben der landwirtschaftlichen Produktion gedreht und dabei gehofft werde, den Konsum dadurch nachhaltiger zu machen. Vielmehr müsse man den vom Parlament eingeschlagenen Weg gehen und die Agrarpolitik in eine glaubwürdige Ernährungspolitik umwandeln. Und solange die Importe nicht ebenfalls nachhaltiger gestaltet würden, gebe es weder für Umwelt noch Klima einen Gewinn.
«Unsere Abnehmer und Detailhändler, die sich in der Öffentlichkeit und in der Werbung gerne ein nachhaltiges Mäntelchen umlegen, haben es in der Hand, etwas zu ändern.»
Die Medienkonferenz fand auf einem IP-Suisse-Betrieb statt. Christophe Eggenschwiler, Geschäftsführer von IP-Suisse: «Die Zukunft wird herausfordernd. Die ersten Warnungen vor einem Klimawandel vor 20, 30 Jahren kamen nicht einfach nur von Pessimisten. Als Branche ist es unsere kollektive Verantwortung, Antworten zu geben.»
Der Betrieb Sunne Hubel in Deisswil zeige, wie es funktionieren könne. «Trotz hoher Arbeitslast wird langfristiger überlegt und auch unter Berücksichtigung hoher Tierwohlansprüche wird hochwertige Milch produziert», so Eggenschwiler. Es sei aber klar, dass zusätzliche Leistungen nicht erbracht werden, wenn sie ökonomisch nicht rentabel seien. «Die Risiken müssen durch höhere Produktpreise entschädigt werden», so Eggenschwiler. Solche Produkte hätten ihren Preis, könnten aber erschwinglich sein, wenn die ganze Wertschöpfungskette effizient handle. «So können wir einen wesentlichen Beitrag auch an die Ernährung einer 9-Millionen-Schweiz leisten.»
Wie so ein Betrieb aussehen kann, erklärte Betriebsleiterin Béatrice Rufer vom Sunne Hubel. Der Familienbetrieb, auf dem ihr Mann Adrian Brönnimann, die Eltern und Grosseltern mitarbeiten, hat neben Ackerbau die Milchkühe als wichtiges Standbein. Dabei fokussiert Rufer mit den Holstein, Red Holstein und Swiss-Fleckvieh-Kühen auf A2-Urmilch und Wiesenmilch und damit auf qualitativ hochwertige Nischenmilch. «Mir ist wichtig zu betonen, dass Tiere zu einem gesundem Kreislauf und damit zu einer nachhaltigen Landwirtschaft dazu gehören.»
Hinzu kommt unter anderem die Produktion von Eiern, welche direkt vermarktet werden oder via Berner Freilandei in die Gastronomie gehen. Wichtig ist es für Rufer, zur Versorgung der Bevölkerung beizutragen. Alleine mit der Milch sind es 1496 Personen, die versorgt werden, hat der SBV für den Hof berechnet. Mit dem Weizen versorgt der Sunne Hubel weitere 155 Menschen. Das im Einklang mit der Natur, wie das Weizenfeld zeigt. Freie Streifen im Feld kommen den Hasen zugute. Entschädigt wird der Ertragsausfall mit Direktzahlungen.
«Die Risiken müssen durch höhere Produktpreise entschädigt werden.»
IP-Suisse-Betrieb von Béatrice Rufer und Adrian Brönnimann
26 ha landwirtschaftliche Nutzfläche
Der Hof bietet zudem vier Stellplätze für Wohnmobile an und hat einen kleineren Selbstbedienungshofladen.
Der Schweizer Bauernverband hat ein digitales Fokus-Magazin zum Thema Ernährungssicherheit publiziert.
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